Literatur

„Hoffnungsloser als vor zehn Jahren“

Monika Maron liest bei Speyer.Lit aus ihrem neuen Roman „Das Haus“ und erzählt aus der Senioren-WG

Von 
Uwe Rauschelbach
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Schriftstellerin Monika Maron. © Maron

Speyer. Im neuen Roman von Monika Maron, „Das Haus“, zieht Ich-Erzählerin Eva in eine Senioren-WG. Dort raufen sich die unterschiedlichsten Typen und Charaktere zusammen. Das bleibt nicht ohne Konflikte, die Maron mit der ihr üblichen lakonischen Erzählweise schildert. Ihr Buch stellt sie am Mittwoch, 21. Februar, um 19.30 Uhr bei Speyer.Lit im Alten Stadtsaal vor. Wir haben im Vorfeld mit ihr gesprochen.

Frau Maron, Ihr Roman greift ein Thema auf, das gesellschaftspolitisch noch weitgehend unreflektiert ist: Wie ist ein selbstbestimmtes Leben im Alter möglich? Welche Erfahrungen oder Gedanken haben Sie dazu bewogen, sich als Romanautorin auf das Experiment einer Seniorenkommune einzulassen?

Monika Maron: Eigentlich hat mich das Thema Alter am allerwenigsten interessiert. Ich hatte ein eher surreales Buch im Kopf, als ich angefangen habe: eine Gruppe von Menschen mit verschiedenen Vorlieben und Allergien in einem abgeschiedenen Haus. Dass sie alle in einem bestimmten Alter sind, ergab sich schon aus der Voraussetzung, dass sie alle beruflich nicht mehr an die Stadt gebunden sein durften. Außerdem bin ich selbst alt und viele meiner Freunde auch. Es ist allerdings kein surreales Buch geworden, vielleicht weil die Zeit, in der ich es geschrieben habe, die Corona-Jahre, selbst so surreal war, dass mir die Lust daran vergangen ist.

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Uwe Rauschelbach
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Im Roman wird die Situation alternder und alter Menschen sehr nüchtern betrachtet. Zur Alternative stehen die Einsamkeit oder die Option, mit Leuten zusammenzuleben, die man sich nicht ausgesucht hat. Man kann nicht sagen, dass das im Roman nur schiefgeht, doch am Ende geht der „Gnadenhof“ in Flammen auf. Sinnbild für das Scheitern dieses Modells?

Maron: Das kann jeder interpretieren wie er will. Ich hatte mehr im Sinn als nur eine Alterskommune. In einer Gemeinschaft von 50-Jährigen wäre es vielleicht nicht anders zugegangen.

Die eine Bewohnerin mag keine Hunde, die andere keine Raucher. Trotzdem ruckelt man sich in der Kommune irgendwie zurecht. Eine Mischung aus Selbstverzicht und Toleranz – wäre das ein Modell für unsere Gesellschaft als solche?

Maron: Ohne Toleranz wird eine Gesellschaft totalitär, wobei ich nicht glaube, dass Toleranz Selbstverzicht bedeutet, sondern nur Verzicht auf die Selbsterhöhung.

Im Roman wird das Alter als Kapitulation vor dem finalen Kampf betrachtet. „Diesen Kampf kann man sowieso nicht gewinnen“, heißt es. Und Eva erwidert: „Aber bis dahin ist es Verhandlungssache.“ Wird das Alter zu sehr von seinem unvermeidlichen Ende her betrachtet anstatt von seinen Möglichkeiten und Potenzialen?

Maron: Das Alter ist vom unvermeidlichen Ende ja nicht zu trennen. Aber wann beginnt das Alter eigentlich? Wenn man Rentner wird und noch 20 Jahre oder länger lebt? Oder wenn man krank und schwach wird? Alter fällt so verschieden aus, dass es keine Formel für alle Menschen geben kann. Als während der Corona-Jahre von allen Menschen über sechzig nur noch von dem vulnerablen Bevölkerungsanteil gesprochen wurde, auf den alle anderen Rücksicht zu nehmen hatten, fand ich das ziemlich unerträglich.

Was wäre wünschenswert, um alternden Menschen mehr gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen?

Maron: Auf jeden Fall, dass man denen, die arbeiten möchten, das auch ermöglicht. Alles andere liegt bei den Menschen selbst.

Auch heißt es im Roman lakonisch: „Alte Menschen werden krank oder dement und sterben irgendwann.“ Einerseits scheint sich der Roman gegen diese verkürzende Betrachtung aufzulehnen, andererseits droht in jedem Moment die Kapitulation. Besteht die Lebensaufgabe darin, diesen Schwebezustand auszuhalten?

Maron: Etwas anderes bleibt einem ja nicht übrig.

In der häufig gebrauchten Floskel „Na ja“ von Eva drückt sich eine eher skeptische Lebenshaltung aus, sie steht für eine illusionslose Betrachtung der Dinge. Andererseits wartet der Roman auch mit viel Humor auf. Könnte das eine Art und Weise sein, mit den Widrigkeiten des Alters umzugehen – all die Absurditäten nicht so ganz ernstzunehmen?

Maron: Wahrscheinlich, aber das gilt nicht nur für das Alter, sondern für alle Jahre jenseits der Jugend. In der Jugend wäre das zu viel verlangt.

Der Roman spart aktuelle gesellschaftliche Kontroversen weitgehend aus, die Klimaveränderung wird als Faktum geschildert. Steht „Das Haus“ für ein gewisses Bedürfnis, sich nicht mehr an Auseinandersetzungen beteiligen zu müssen?

Maron: Nein. Aber das gehört nicht unbedingt in jeden Roman. Außerdem werden in dem Buch ja durchaus Probleme angesprochen, nur nicht ausgetragen, denn sonst wäre die ganze Gemeinschaft früh in die Brüche gegangen. Ich glaube, wir erleben das zurzeit alle, dass wir bestimmte Gespräche mit bestimmten Menschen, auch oder gerade mit Freunden, nicht mehr führen, weil wir den Bruch vermeiden wollen.

Halten Sie die Fragen über die gesellschaftspolitische Relevanz Ihres Romans für fehlplatziert, weil „Das Haus“ im Grunde genommen nur eine private Situation verhandelt?

Maron: Ja.

Gelegentlich wird Ihr Roman als „altersmilde“ bezeichnet. Doch die Spannungen unter den Bewohnern der Senioren-WG erzeugen ein untergründiges Beben, das jederzeit zur Explosion führen könnte. Darin liegt meiner Meinung nach die Sprengkraft des Romans – als „altersmilde“ werden Sie auch nicht gelten wollen, oder?

Maron: Altersmilde bestimmt nicht, aber vielleicht hoffnungsloser als vor zehn Jahren.

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