Literatur

Kreativität bei Ann-Kathrin Ast in Speyer: Zwischen Cello und Schreibmaschine

Die Cellistin und Autorin Ann-Kathrin Ast aus Speyer stellt ihren Roman "Beat" vor, der von einem jungen Perkussionisten handelt, der im Musikstudium verzweifelt und aus dem Takt gerät.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Ann-Kathrin Ast hat einen tollen Roman geschrieben. Jetzt liest sie in ihrer alten Heimatstadt Speyer beim Literaturfestival. © Wolfgang Schmidt Ammerbuch

Speyer. Ann-Kathrin Ast stellt in der Reihe Speyer.Lit am Freitag, 2. Februar, um 19.30 Uhr ihren ersten Roman „Beat“ vor. Die gebürtige Speyererin ist selbst Cellistin, schreibt in ihrem Roman aber über einen jungen Perkussionisten, der im Studium an der Musik verzweifelt und aus dem Takt gerät. „Beat“ steht sowohl für den Namen des Hauptprotagonisten als auch für den in den 1960er Jahren entstehenden Rhythmus.

Frau Ast, Sie sind ausgebildete Cellistin und haben mit „Beat“ einen Roman über einen Perkussionisten geschrieben. Wie kam es zu dieser Konstellation?

Ann-Kathrin Ast: Die Welt der Musikhochschule und der Berufsorchester ist ein ganz eigener, verrückter Mikrokosmos, der bisher in Romanen kaum vorkam und in dem vieles sichtbar wird. Ich war während meines Musikstudiums mit einem Schlagzeuger befreundet und finde, dass dieses Fach immer noch zu wenig beachtet wird. Das Milieu kenne ich also gut. Perkussionisten müssen in besonderem Maß die Zeit beherrschen – ein passendes Sinnbild, fand ich. Außerdem wollte ich einen Roman über Musik schreiben, der gesellschaftliche Entwicklungen spiegelt und wichtige Fragen thematisiert wie die Suche nach dem eigenen Platz im Leben.

Der Roman schildert, wie einem Musiker die Musik abhanden kommt. Die künstlerische Erwartung kollidiert mit dem Berufsalltag eines Musikers. Hierbei sind Ihre eigenen Erfahrungen eingeflossen, oder?

Ast: Ja. Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann man allerdings auch als Berufsmusiker ganz in der Musik aufgehen. Doch der Interpretationsspielraum in einem Orchester ist meistens gering. In meinen Kontakten mit Orchestermusikern spüre ich hin und wieder so etwas wie eine Trauer, Teil eines Kollektivs zu sein, sich anpassen zu müssen und kaum eigene Entscheidungen treffen zu können.

Sollte man die Musik besser nicht zum Beruf machen, um sie nicht zu verlieren?

Ast: Das kann man nicht grundsätzlich so sagen. Dass Erwartungen und Realität nicht zusammenpassen, erleben Menschen ja auch in anderen Berufen. Und ich habe auch Profimusiker-Freunde, die in ihrem Berufsleben glücklich sind, die neugierig bleiben und die sich nichts Besseres vorstellen könnten.

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Welchen Weg haben Sie als Musikerin für sich selbst gefunden?

Ast: Ich habe schon im Cellostudium begonnen zu schreiben, weil sich ein Gefühl des Mangels eingestellt hatte. Das Schreiben hat mich plötzlich mehr fasziniert als das Üben, weil es schöpferisch ist, etwas Neues entsteht. Doch ich wollte die Musik auch nicht ganz loslassen. Ich spiele nach wie vor Cello und unterrichte auch, aber die Musik ist zu einer Art Nebenberuf geworden, während ich mich vor allem im Schreiben künstlerisch ausdrücke.

Sie beschreiben im Roman die Krise der Musik als solche. Sind wir noch zu sehr an Traditionen orientiert und in der Erfahrung des Immergleichen gefangen?

Ast: Ja, doch inzwischen arbeiten Orchester an neuen Konzepten, Musik zu spielen und mit neuen Hörweisen zu überraschen. Das ist auch dringend nötig. Der Konzertsaal ist ja kein Museum. Bei der musikalischen Ausbildung sollte weniger Drill ausgeübt und angehende Musikerinnen und Musiker sollten stattdessen ermutigt werden, eigene Stücke zu schreiben oder sich interdisziplinär mit anderen Künsten und Wissenschaften zu befassen.

In „Beat“ konstruieren Sie unterschiedliche Wirklichkeitsräume. Realität und Meta-Realität fließen teilweise ineinander über. Was hat Sie hierzu bewogen?

Ast: Der Hauptfigur Beat entgleitet die Wirklichkeit zunehmend. In seinem Leben tut sich eine Leerstelle auf, da die Musik nicht mehr die beherrschende Kraft ist. Daraus ergeben sich Wahrnehmungs-Verschiebungen. Beat macht dann ein Praktikum in einer Eventagentur, die mit Fantasieräumen spielt. Damit verliert er immer mehr die Kontrolle über seine Wahrnehmungen. Der Zweifel an der Wirklichkeit ist verbunden mit dem Verlust der eigenen Identität.

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Warum scheitert Beat in diesem Praktikum?

Ast: Die Agentur will zwar neue Erlebnisräume schaffen, aber aus einem geschäftlichen Interesse. Die Erfahrung, dass die Kunst Geist, Seele und Körper anspricht, können solche künstlich geschaffenen Welten nicht hervorrufen.

Im Roman macht Beat eine Liebeserfahrung mit einer Musikerin. Das scheint ihn auf eine andere Ebene zu bringen.

Ast: Ja, denn tatsächlich interessiert sich Beat nun mehr für die eigene künstlerische Entwicklung und er erlebt auch Ideen für eigene Kompositionen. Dabei hatte ich E. T. A. Hoffmanns Kunstmärchen „Der goldne Topf“ im Kopf, bei dem ein Student zwischen der bürgerlichen und der künstlerischen Welt ins Wanken gerät. Dieser Student, Anselmus, gibt sich am Ende der Welt der reinen Musik, des reinen Klangs hin. Vor dieser Schwelle steht Beat auch.

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Wie sehen Ihre weiteren Pläne als Schriftstellerin aus?

Ast: Ich schreibe zurzeit an einem zweiten Roman, über eine weibliche Hauptperson. Auch Beat wird wieder auftreten. Eine Rolle spielt auch hier der Umgang mit der Wirklichkeit, diesmal aber nicht im musikalischen Milieu. Als Schriftstellerin tätig zu sein, wird mir dieses Jahr über ein großzügiges Stipendium des Landes Baden-Württemberg ermöglicht. Das empfinde ich als ein Privileg.

Inwiefern war das Speyerer Umfeld förderlich für Ihre künstlerische Karriere?

Ast: Es hatte durchaus einen positiven Einfluss. Zudem komme ich aus einer Musikerfamilie und bekam Unterricht an der Speyerer Musikschule. Auch während meiner Schulzeit am Kaiserdom-Gymnasium wurde die musische Ausbildung gefördert. Nun freue ich mich, meinen ersten Roman in Speyer vorstellen zu dürfen. Übrigens zusammen mit einer Perkussionistin, Leonie Klein, die das, was ich mit Beat im Roman beschreibe, musikalisch umsetzt.

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