Speyer. Die „Märchenerzählungen“ von Robert Schumann für ein Klarinettentrio stehen symptomatisch für den Geist der Romantik, der mit seinem Zug ins Fantastische und seinen poetischen Ausdrucksformen auch die Musik dieser Zeit geprägt hat. Ein Konzert beim Musikfest der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Speyer ließ sich in diesem Sinne als märchenhaft erleben.
Alexandra Obermeier (Klarinette) und Paul Werba (Viola) von der Staatsphilharmonie sowie Johannes Obermeier (Klavier) leuchteten die szenisch-assoziative Semantik der „Märchenerzählungen“ Schumanns mit einfühlsamem und leidenschaftlichem Spiel aus. Wirkungsvolle Kontraste wurden zwischen lyrischen Passagen und dramatischen Zuspitzungen erzielt. Dank der vergleichsweise tiefen Lagen von Klarinette und Bratsche fanden sich die vertonten Erzählungen von sanften Klängen umhüllt, die am Klavier mit orchestralen Registern unterfüttert wurden.
In Max Bruchs spätromantischen Stücken für diese Besetzung bewährte sich der abgerundete, satte Ensembleklang, während die Melodien im kantablen Spiel der Klarinette aufblühten. Noch einmal wird hier der romantische Zauber beschworen, ohne in einen Schwanengesang über eine vergangene Epoche zu münden. Mozarts Kegelstatt-Trio, das an das Ende des Programms gesetzt wurde, führte zum Ursprung der Gattung zurück; Mozarts Galanterie und Esprit, die tänzerische Leichtigkeit und der verspielte Übermut konnten in der Darbietung dieses Ensembles durchaus als Vorstufe des Romantischen erlebt werden.
Der Romantiker bleibt präsent
Jörg Widmanns Überführung der Schumannschen Märchen in ein zeitgenössisches Format mochten auf den ersten Blick als stilistischer Kontrapunkt wirken; doch nimmt das Werk des Klarinettisten und Komponisten jene romantische Tonsprache auf, um sie aus moderner Perspektive zu deuten. Dank zahlreicher Schumann-Zitate bleibt der Romantiker auch im zeitgenössischen Duktus präsent. Widmanns Adaption der „Märchenerzählungen“ präsentierten die drei Musiker als achtungsvolle Würdigung des großen Komponisten durch einen namhaften Nachfolger.
Diesem Kammerkonzert im Rahmen des Musikfestes sollte anderntags ein zweites mit Klavierquintetten Schumanns und Brahms’ folgen. Doch dieses musste wegen der kurzfristigen Erkrankung einer Orchestermusikerin abgesagt werden. So blieb ein Akteur in einem der zahlreichen romantischen Beziehungsgeflechte dieser Epoche außen vor; Brahms spielte auch noch keine Rolle, als Robert und Clara Schumann ihre junge Liebe lebten.
Bei einer literarisch-musikalischen Präsentation unter der Leitung von Theatermacher Matthias Folz wurde aus dem Briefwechsel der beiden Verliebten gelesen. Dazu erklangen die von Tristan Murail für ein Klaviertrio bearbeiteten Stücke aus Robert Schumanns „Kinderszenen“ mit Markus Ecseghy (Klavier), Eric Trümpler (Cello) und Georg Kapp (Flöte). Ein plausibles, überzeugendes Konzept, das die „Kinderszenen“ auch als Gegenstand des schriftlichen Austauschs behandelt. Und das die Liebe noch in ihrer romantischen Unverbrüchlichkeit erscheinen lässt, aus der sich ein Ewigkeitsversprechen ableitet.
Liebe, die aber auch die Kraft hat, sich gegen familiär-gesellschaftliche Widerstände durchzusetzen, wenngleich beide Liebes- und Briefpartner durchaus unterschiedlich gefärbte Zukunftsperspektiven einnehmen. So trachtet bereits die junge Clara danach, ihre künstlerische Karriere abzusichern und diese nicht an der Garderobe eines gemeinsamen Hausstandes abzugeben.
Der märchenhafte Hochzeitstag
Ein Glück, dass der künftige Ehemann diesen Absichten nicht von vornherein einen Riegel vorgeschoben hat. So mündete das gemeinsame Bestreben beider Verliebten, in den Stand der Ehe zu treten, nach einer unerfreulichen gerichtlichen Episode mit dem widerständigen Brautvater als Gegner in einem offenbar märchenhaften Hochzeitstag. Alle Weichen für ein glückliches Ehedasein waren gestellt, davon geben die Briefe und Tagebucheintragungen Clara Schumanns ausdrücklich Zeugnis.
Dass alle Märchen irgendwann enden, hat sich freilich auch in diesem Leben bewahrheitet, dass ihren Protagonisten die Unsterblichkeit bewahrt blieb, allerdings ebenso. Kein Zweifel: Sie leben noch heute.
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