Speyer. Mit Werken aus dem Barock, der Spätromantik und der Moderne hat Christoph Keggenhoff den Internationalen Orgelzyklus im Speyerer Dom eröffnet. Vor einer eher bescheidenen Zuhörerkulisse bewies der Zweite Domorganist seine tiefgründigen Kenntnisse über die Klangeigenschaften der großen Seifert-Orgel auf der Westempore.
83 Register und 5496 Pfeifen wollen mit Übersicht und Einfühlungsvermögen bedient werden, zumal die hallige Akustik im Dom ein ausdifferenziertes Klangbild verlangt, damit die Töne nicht im weiten Raum verschwimmen. Ferner tut den Stücken in jedem Fall eine angemessene Artikulation gut. Christoph Keggenhoff bestätigte bei seinem Eröffnungskonzert seinen Rang als profunder und sensibler Interpret, dem das komplexe Instrument willig zu Diensten steht.
Im Gespräch mit Klaus Gaßner hatte Keggenhoff zuvor begründet, warum er auch die barocken Werke nicht etwa auf der kleineren Chororgel, sondern auf der für voluminöse Symphonien ausgelegten Emporenorgel vortragen wollte. Im Spiel konnte man anschließend nachvollziehen, was es mit dieser Entscheidung auf sich hatte. So tat den österlichen Choralbearbeitungen aus Johann Sebastian Bachs „Orgelbüchlein“ nicht nur der süddeutsche Chor an satten Grundstimmen gut, sondern auch das majestätische Bassfundament.
Obendrein verwob der Organist zarte Solostimmen in ein filigranes Klangmuster. Den Auferstehungsjubel ließ er im Choral „Heut triumphieret Gottes Sohn“ mit vollem Werk aufbranden. Den einzelnen Teilen in Dieterich Buxtehudes längstem Werk, der Choralfantasie „Te deum“, verlieh Keggenhoff dank der differenzierten Registerwahl ein jeweils eigenes, charakteristisches Profil. Reizvolle Akzente setzte er mit Echowirkungen und ornamentalen Ziselierungen, behände wechselte er zwischen kammermusikalischem und gravitätischem Modus.
Sakrale Würde verliehen
Mit dem César-Franck-Schüler Henri Letocart versetzte der Organist sein Publikum in die Zeit der französischen Spätromantik – mit einem zungenreichen Klangtableau, schimmernden Schwellwerkpassagen und leuchtend irisierenden Flöten. Die fünf ausgewählten Stücke zur liturgischen Gestaltung der katholischen Messe schufen dank des ruhigen und innigen Spiels des Organisten eine mystisch-spirituelle Atmosphäre, die dem Konzert eine sakrale Würde verlieh.
Wenn auch Schüler Letocarts, so öffnete die Musik André Fleurys doch eine neue harmonische Welt. Zwar nehmen das Präludium und das Andante die andächtige Stimmung aus Letocarts liturgischen Sätzen auf. Dennoch findet sich, vor allem in der furiosen Toccata im Finale, die klassische Tonalität bedeutend ausgeweitet.
Wilde Figuren und Sprünge
Die wilden Figuren und Sprünge, die Christoph Keggenhoff auf den Manualen der großen Orgel im virtuosen Spiel dahineilen ließ, entfesselten atemberaubende Hörerlebnisse. Ein spektakuläres Finale – und ein verheißungsvoller Auftakt dieses Orgelzyklus.
Die Konzertreihe präsentiert bis November insgesamt zehn Interpreten aus Deutschland, Spanien, Frankreich, der Schweiz und Slowenien. Im Mittelpunkt steht das Orgelwerk César Francks, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird. Der Organist der Pariser Kathedrale Saint Sulpice, Daniel Roth, bietet zur Franck-Interpretation im September einen Meisterkurs an. Domorganist Markus Eichenlaub wird das Gesamtwerk César Francks in drei Konzerten aufführen.
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