Dom

Warum werden im Speyerer Dom aufgestellte Kerzen nach kurzer Zeit entfernt?

Der Hockenheimer Joachim Möller stellt im Speyerer Dom für seine Mutter eine Kerze auf – und wenige Minuten später räumt der Sakristan sie wieder ab und zerstört damit einen würdigen Moment.

Von 
Jürgen Gruler
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Das sind die speziellen Teelichter, die im Speyerer Dom als Gebetskerzen angeboten werden – andere Kerzen werden aus Brandschutzgründen und wegen der Rußentwicklung nicht geduldet. © Klaus Venus

Speyer/Hockenheim. Joachim Möller ist sauer. Er hat jetzt einen Brief an den Speyerer Weihbischof Otto Georgens geschrieben, denn er fühlt sich vom Dompersonal schlecht behandelt. Es geht um eine Kerze, die er dort aufgestellt und angezündet hatte: „Mit diesem Schreiben möchte ich meine tief empfundene Empörung und Fassungslosigkeit über einen inakzeptablen Vorfall im Dom zu Speyer zum Ausdruck bringen.“ Dann schildert er den Vorfall vom Montag, 22. Januar: „Gegen Mittag ging ich in den Dom, um ein ernsthaftes Versprechen an meine gerade verstobene Mutter zu erfüllen. Es ist nicht meine Religion, umso schwerer fällt es mir, dies zu tun, aber ich stand im Wort. Ich bin der Letzte meiner Familie, umso wichtiger war es mir, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Mit Hingabe platzierte ich eine eigens beschaffte, größere Kerze für sie. Zusätzlich zündete ich vier weitere kleine Kerzen aus dem Spender an, für vier weitere Verstorbene, die ich bezahlte“, schildert Möller sein Vorgehen.

Nach einem kurzen Gebet ist die aufgestellte Kerze plötzlich entfernt

Nach einem kurzen Gebet habe er sich auf die Treppe begeben, um einige Bilder zu machen. Bei seiner Rückkehr nach wenigen Minuten, sei die kurz zuvor aufgestellte Kerze weg gewesen. Er habe dann eine junge Frau, die zur Aufsicht dort sitze, und keine acht Meter entfernt gewesen sei, darauf angesprochen. Sie habe gesagt, nichts davon mitbekommen zu haben. Als ich mich empörte, erklärte sie lapidar, dass wohl gerade eine interne Mitarbeiterin vorbeigegangen sei, die die Kerze wohl entfernt haben könnte.

Joachim Möller fragt nun den Weihbischof: „Mit welchem Recht agieren Ihre Mitarbeiter derart respektlos? Es ist ihre Kirche, ihr Personal, ihre Verantwortung – daher wende ich mich auch an Sie als Verantwortlichen. Dies kann nur auf interne Anweisungen zurückzuführen sein, die durch die Kirche erlassen wurden. Wo bleibt der Respekt vor den Gläubigen und Besuchern, die in die Kirche kommen, um innezuhalten, sich zu besinnen und zu gedenken? Eine solche Handlung steht im krassen Widerspruch zur Idee, dass die Kirche für die Menschen da ist. Oder Ihr Personal und für einen solchen Job absolut unqualifiziert“, schimpft Möller in seinem Brief.

Für ihn sei die Sache „schier unerträglich: Inmitten meiner Trauer schuf ich mir in einer Kirche eine Atmosphäre, in der ich die Nähe zu meiner gesamten verstorbenen Familie suchte. Doch im nächsten Moment wird dieser für mich würdige Moment von Bediensteten des Domes mit Füßen getreten. Betrete ich noch einmal den Dom? Diese Frage stelle ich mir gerade“, schreibt Möller dann noch.

Hinweise bezüglich der Kerzen fehlen im Speyerer Dom komplett

Erfragt sich auch: „Was ist an einer etwas größeren Kerze verwerflicher als an einer, die die Kirche selbst verkauft? Das Licht sollte ein Symbol für Wärme und Mitgefühl sein, ein Zeichen des Gedenkens. Es ist beschämend, wie hier mit den Gefühlen der Mitmenschen umgegangen wird. Es gibt vor Ort auch keinerlei Hinweise darauf, dass ausschließlich die von der Kirche bereitgestellten kleinen Kerzen brennen dürfen. Die Kirche sollte ein Ort der Einheit und des Trostes sein, nicht ein Ort, an dem empfindsame Seelen durch achtloses Handeln verletzt werden“, meint der Hockenheimer.

Solch respektloses Vorgehen trage dazu bei, dass Menschen, die Trost und Gemeinschaft in der Kirche suchen, sich von dieser abwenden. Es sei höchste Zeit, dass man die Mitarbeiter zu angemessenem Verhalten anhalte und sicherstelle, dass solche Vorfälle nicht mehr vorkämen.

Die Enttäuschung bei Joachim Möller ist also groß. Deshalb haben wir das für solche Fälle zuständige Domkapitel um eine Stellungnahme gebeten. Wir wollten wissen, waru m nur vor Ort bereitgestellte Kerzen, die gekauft werden müssen, angebrannt werden dürfen und wie man in solchen Fällen üblicherweise vorgeht. Auch war uns unverständlich, warum Joachim Möller nicht einfach beim Aufstellen seiner Kerze angesprochen wurde, um die Sache gleich vor Ort besprechen zu können.

Das Kulturmanagement vom Speyerer Dom äußert sich zu dem Vorfall

Dazu haben wir von Frederike Walter vom Kulturmangement Dom folgende Antworten bekommen: Dass Herr Möller mit seinem nachvollziehbaren Bedürfnis, eine Kerze im Dom zu entzünden, ein negatives Erlebnis verbindet, tut uns ausgesprochen leid. Domdekan Dr. Kohl wird hier noch ein persönliches, pastorales Gespräch führen“, verspricht Fredrike Walter. „Im Dom dürfen nur die von uns bereit gestellten Teelichter verwendet werden“, begründet Walter das Vorgehen. Hierfür gebe es Gründe: „Höhere Kerzen können umfallen oder beim Aufstellen weiterer Kerzen umgestoßen werden und erhöhen damit die Brand- und Unfallgefahr. Unsere Kerzen haben nur eine begrenzte Menge Wachs und sind besonders rußarm. Normale Kerzen verschmutzen durch herablaufendes Wachs die Fläche, auf der sie stehen“, so die Begründung dafür.

Deshalb hätten die Sakristane die Anweisung, andere Kerzen von den Opferkerzenständer zu entfernen und an einem geeigneten Ort abbrennen zu lassen. Große Kerzen würden beispielsweise auf einem geeigneten Kerzenständer vor die Madonna gestellt. „Die im Dom an der Krypta sitzenden Mitarbeiter sind nicht für die Kerzenständer zuständig und kennen auch nicht oben stehenden Bestimmungen“, schreibt Frederike Walter weiter.

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Um niemanden in seiner persönlichen Andacht zu stören oder gar zu brüskieren, sprächen die Sakristanen die Besucher nicht direkt an, sondern brächten die Kerzen im Nachhinein diskret an einen anderen Ort. Mit jemanden, der ein wichtiges, persönliches Anliegen hat oder gerade einen lieben Menschen verloren hat, ein Gespräch zum Thema Rußentwicklung zu führen, sei aus Sicht der Domverwaltung kein guter Weg. Da die Besucher in aller Regel nicht mehr vor Ort seien, wenn die Kerze entfernt werde, bekämen sie dies normalerweise nicht mit. Hier sei es zu einem unglücklichen Zusammentreffen verschiedener Umstände gekommen. „Etwas Ähnliches ist mir in den mehr als zehn Jahren, in denen ich hier bin, nicht bekannt“, sagt die Frau vom Domkapitel.

Und: „Das Thema Kerzen ist für uns ein komplexes. Zum einen ist es uns als Kirche ein wichtiges Anliegen, dass die Menschen bei uns aus Dankbarkeit oder verbunden mit einer Gebetsbitte eine Kerze anzünden können. Zum anderen sind wir seitens der ICOMOS-Monitorings in Sachen Weltkulturerbe darauf hingewiesen worden, dass wir auf eine Gefährdung der Bausubstanz und Ausstattung durch Wachs und Ruß zu achten haben. In der Vergangenheit gab es auch im Dom Versuche mit Rußfängen. In anderen Kirchen ist man teilweise dazu übergegangen, dass ausschließlich elektronische Kerzen verwendet werden. Wir möchten gerne bei der Wachskerze bleiben, müssen aber – bei mehr als 300 000 angezündeten Opferkerzen pro Jahr – auf bestimmte Dinge achten“, so Frederike Walter.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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