Speyer. Noch bevor der erste Ton erklang, sprach die Speyerer Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler von einem „berührenden Ereignis“. Dass in einem christlichen Gotteshaus wie dem Dom jüdische Musik erklingen werde, sei ein Zeichen des Miteinanders, des Respekts, der Offenheit und der demokratischen Werte. Tatsächlich fiel der Auftakt der Internationalen Musiktage mit der Eröffnung der SchUM-Kulturtage zusammen. Das Konzert wird auch in den beiden SchUM-Städten Worms und Mainz gespielt, die mit Speyer einen mittelalterlichen Bund bildeten.
Auch die Akteure stammen aus den drei Städten: Der Mozartchor Speyer ging mit dem Ensemble Chordial Mainz eine projektbezogene Liaison ein, und das Heidelberger Kantatenorchester hatte sich mit dem Wormser Kammerensemble zusammen getan. Bei der Leitung des Konzerts wechselten sich Dieter Hauss (Mozartchor), Julian Robin Müller (Wormser Kammerensemble) und Daniel Rumpf (Ensemble Chordial) untereinander ab. Eine Konzertorganisation also, die das abbildete, was die Speyerer Stadtchefin zuvor als Ideal des Respekts und des Gemeinsinns in den Raum gestellt hatte.
Das hinterließ Eindruck. Schon mit den Chichester-Psalms, die die hebräische Sprache mit modernen musikalischen Mitteln zum Klingen bringen, überwältigten die Klangfülle und die Farben, mit denen Chor und Orchester das dreisätzige Werk Leonard Bernsteins ausstatteten. Im Gemeinschaftschor waren die Männerstimmen sichtbar unterrepräsentiert, dennoch gelangen Passagen von fließend-wohligem Ausdruck. Countertenor Yongbeom Kwon setzte mit seinem femininen Altus Akzente.
Knall- und Schalleffekte erweitern die Orchesterklänge
Bernstein, der jüdischen Glaubens war, skizzierte mit seinen Psalmvertonungen die Vision der einträchtigen Verbundenheit allen Seins. An die aktuelle Nachrichtenlage mochte man dabei nicht denken. Dennoch mag noch nicht alle Hoffnung vergebens sein, solange es Menschen gibt, die sich singend und musizierend zu dieser Vision bekennen.
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Im Publikum saß auch der in München lebende Komponist Enjott Schneider, dessen „Mazurka Triste“ für Streicher an den 2020 verstorbenen polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki erinnern möchte. Das Stück verströmt herbe Wehmut in einer expressiven Tonsprache und entfacht eine nachdenkliche Stimmung, die mit Blick auf das bis heute angefochtene jüdische Schicksal, das beim Konzert stets gegenwärtig blieb, angemessen schien.
An Bernsteins Chichester-Psalms knüpfte Schneiders Oratorium „Kabbala – Die Wege des Lichts“ an. Die Auftragskomposition wurde an diesem Abend uraufgeführt. Sie brachte nicht nur reizvolle Dialoge zwischen der solistisch herausragenden Violine, die von dem Münchener Geiger Ingolf Turban mit sensiblem Ausdruck gespielt wurde, und den Gesangspartien von Countertenor Kwon, sondern erweiterte die Orchesterklänge etwa durch Knall- und Schalleffekte. Der Chor versinnlichte die Texte mit Zisch- und Schnalzgeräuschen.
Die mystisch-expressive Klangsprache des Oratoriums mit ihren assoziativen Ausschmückungen führte in die Tiefenschichten kabbalistisch-jüdischer Tradition und jüdischen Glaubens. Eine packende Umsetzung mit dramatischen Szenen, in denen Harfen und Röhrenglocken jene innigen Empfindungen wachriefen, die der Komponist in sein Werk gelegt hat.
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