Interview

Umweltministerin Walker: Wir müssen aus dem fossilen Bullerbü raus

Der Wirbel um das Heizungsgesetz hat den Grünen Sympathien gekostet - das alte Image der Verbotspartei ist wieder aufgeflammt. Warum Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) das Gesetz dennoch verteidigt

Von 
Walter Serif
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Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) will die Energiewende voranbringen. © Thomas Tröster

Mannheim. Frau Walker, wenn es um die Nachfolge Winfried Kretschmanns geht, fallen fast nur Namen von Männern. Nervt Sie das?

Thekla Walker: Da schwirren viele Namen umher. Das ist normal. Für den Stuttgarter Politikbetrieb sind solche Spekulationen immer interessant. Aber ich beteilige mich nicht. Wir sind mitten in der Legislaturperiode, und ich habe in meinem Ministerium wirklich genug zu tun.

Bei den Grünen kommen Frauen traditionell bei der Besetzung von Spitzenposten häufiger als in anderen Parteien zum Zug.

Walker: Das ist richtig, wir haben ja auch gute Frauen im Kabinett. Es ist aber normal, dass die Presse bei den Spekulationen über Kretschmanns Nachfolge an sehr prominente Akteure denkt. Mir selbst geht es nur darum, was ich in meinem Job als Umweltministerin umgesetzt habe. Und da habe ich doch einiges auf den Weg gebracht.

Wirklich? Sie haben 2021 das politische Urgestein Franz Untersteller abgelöst. Aber auch seitdem sind kaum mehr neue Windräder in Betrieb genommen worden.

Walker: Wir haben im Land schon seit 2016/2017 eine große Flaute – übrigens bundesweit. Schuld daran ist die Altmaier-Delle.

Inzwischen hat sich der Wind im Südwesten buchstäblich gedreht, wir haben jetzt starken Rückenwind
Thekla Walker Umweltministerin

Der damalige CDU-Bundeswirtschaftsminister hatte die Förderungsbedingungen geändert, Windkraft auf dem Land war deshalb nicht mehr attraktiv.

Walker: Genau. Das hat uns in den vergangenen Jahren enorm zurückgeworfen. Der Ausbau der Windenergie war in Baden-Württemberg damals noch recht zaghaft. Deshalb fiel der Einbruch in der vergangenen Legislaturperiode dramatisch aus. Doch inzwischen hat sich der Wind im Südwesten buchstäblich gedreht, wir haben jetzt starken Rückenwind.

Naja, es ist eher eine leichte Brise. 2022 wurden nur neun neue Windkraftanlagen im Land aufgestellt, in diesem Jahr sollen auch nur 36 hinzukommen. Kretschmanns Vorgabe – 1200 bis 1300 neue Windräder bis 2030 – ist doch gar nicht mehr erfüllbar, oder?

Walker: Doch, davon gehe ich aus.

Wirklich? In der bundesweiten Rangliste steht Baden-Württemberg nicht gut da.

Walker: Alles zusammengenommen liegen wir bei den ausgewiesenen Flächen für Windenergie an Land schon heute auf Rang zehn. Nicht optimal, ja. Aber wir befinden uns in einer Planungsoffensive mit dem Ziel, dass bis 2025 1,8 Prozent der Landesfläche Windgebiete werden. Es ist klar, dass der neue Hochlauf eine Weile braucht, bis er sichtbar ist. Bei den Treffen mit den Vertretern der Landkreise, der Kommunen und der Windkraftbranche höre ich aber, dass die Zahl der Projekte in der Pipeline regelrecht explodiert.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) und die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker (Bündnis 90/Die Grünen) stehen beim Besuch des ULTRANET-Konverters Philippsburg vor der im Bau befindlichen Anlage. © Uwe Anspach

Ein Grund dürfte auch sein, dass die Kommunen inzwischen Geld für die Windräder bekommen.

Walker: Natürlich. Jedes Windrad bringt 100 000 Euro Einnahmen pro Jahr, das ist auch für kleinere Gemeinden eine Hausnummer. Das ist mit ein Grund dafür, weshalb wir noch in dieser Legislaturperiode die Wende erleben werden. Und wir werden, auch wenn Sie das anzweifeln, die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir bis 2030 unsere Ziele erfüllen. Bis zur Klimaneutralität im Jahr 2040 haben wir bei der Wind- und Sonnenenergie allerdings noch eine riesengroße Ausbauwelle vor uns. Wir haben aber die Weichen schon gestellt.

Klingt alles ziemlich euphorisch.

Walker: Das ist keine Schönmalerei, sondern realistisch. Ich nenne Ihnen dafür einen entscheidenden Grund. Bei der Energiewende ziehen endlich alle an einem Strang. Das liegt natürlich auch am Wechsel der Bundesregierung …

… in der seit 2021 auch die Grünen sitzen …

Walker: … seitdem verfolgen alle dasselbe Ziel. Das war früher viele Jahre leider nicht der Fall.

Da müssen Sie in Ihrem Rückblick gar nicht nach Berlin schauen, in der Landesregierung hat die CDU doch in der vergangenen Legislaturperiode immer gemauert.

Thekla Walker

  • Thekla Walker wurde am 28. März 1969 in Dülmen (NRW) geboren.
  • Die Politikerin war von 2009 bis 2014 Stadträtin in Stuttgart und von 2011 bis 2016 Landeschefin der Grünen.
  • Seit 2016 sitzt sie im Landtag. In ihrem Wahlkreis Böblingen gewann sie zwei Mal das Direktmandat für ihre Partei.
  • Nach der Landtagswahl 2021 holte Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann Walker in seine Regierung: als Nachfolgerin von Franz Untersteller, der zehn Jahre im Kabinett Landesminister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft war. was

Walker: Ja, da mussten wir immer wieder Hindernisse beseitigen.

Ist das jetzt vorbei, weil die CDU 2021 im Koalitionsvertrag alles unterschrieben hat, damit sie in der Regierung bleiben darf?

Walker: Es ist schon so, dass es jetzt zusammen mit der CDU richtig vorwärtsgeht. Das ist eine andere Grundlage als in der vergangenen Legislaturperiode. Da mussten wir die Novelle des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts auf Eis legen. Jetzt haben wir es durch ein Maßnahmenregister abgelöst. Das ist sogar besser so, weil jetzt konkrete Maßnahmen einzelnen Ressorts zugeordnet sind. Alle Ministerien stehen in der Verantwortung und müssen liefern.

Wir wollen, dass die Nutzung von Solarenergie im Gebäudebereich zum Standard gehört wie eben der Einbau von energieeffizienten Fenstern und Türen
Thekla Walker Umweltministerin

Im Land ist neben der Windkraft beim Ausbau der Sonnenenergie viel Luft nach oben. Seit Jahresbeginn besteht auch bei Dachsanierungen eine Solarpflicht. Was versprechen Sie sich davon?

Walker: Wir wollen, dass die Nutzung von Solarenergie im Gebäudebereich zum Standard gehört wie eben der Einbau von energieeffizienten Fenstern und Türen. Deshalb haben wir eine umfassende Solardachpflicht im Klimaschutzgesetz verankert. Wir fördern die Photovoltaik aber auch auf Parkplätzen und Straßen und haben auf Bundesebene durchgesetzt, dass es für Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen Geld gibt. Beim Ausbau der Solarenergie steht Baden-Württemberg bundesweit auf dem vierten Rang. Mir kommt es vor allem darauf an, wo wir hinwollen.

Die Solardachpflicht gilt nicht für den Bestand.

Walker: Das ist richtig. Wir haben im Rahmen der Novelle des Klimaschutzgesetzes zwar über eine Solarpflicht auch im Bestand diskutiert. Klar ist aber, dass man so etwas nicht einfach von einem Jahr ins nächste machen kann. Denken Sie nur an die Engpässe bei den Fachkräften.

Das heißt, Sie waren da einsichtig?

Walker: Es stand nie zur Debatte, dass wir eine solche Solardachpflicht in einem so kurzen Zeitraum einführen würden. Es wäre immer um langfristige Korridore gegangen, also zehn oder 15 Jahre.

In Berlin ist das ja offensichtlich anders. Das neue Heizungsgesetz soll nächstes Jahr kommen, die Details waren aber am Anfang völlig unklar.

Walker: Das Problem war, dass viele Fehlinformationen in der Öffentlichkeit herumgegeistert sind. Zum Beispiel, dass Öl- und Gasheizungen ab 2024 nicht mehr genutzt werden können, was nicht stimmt und nie geplant war.#

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Von
Julia Emmrich
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Sie wollen aber jetzt nicht behaupten, dass die Journalisten daran schuld sind? Diese Informationen kommen doch aus der Politik.

Walker: Ja, natürlich, interessierte Kreise stechen etwas durch, das verkürzt oder im Falle eines Heizungsverbots schlicht falsch ist, und dann wird darüber öffentlich diskutiert. Da kann ich schon verstehen, dass jemand, der so eine Heizung im Keller hat, denkt: Um Gottes willen, was kommt da auf mich zu.

Leider konnte das Wirtschaftsministerium, das ja von Ihrem Parteifreund Robert Habeck geführt wird, am Anfang die Öffentlichkeit nur mit wenig Details versorgen.

Walker: Dieses Gesetzvorhaben wurde vom politischen Gegner in einem Stadium durchgestochen, als es zwischen den Ressorts nicht abschließend besprochen war. Und dadurch ist die Debatte völlig aus dem Ruder gelaufen.

Herr Habeck und das Wirtschaftsministerium haben alles richtig gemacht, wurden aber vom politischen Gegner geleimt?

Walker: Darum geht es gar nicht. Das Heizungsgesetz ist eine hochsensible Angelegenheit, die in das Eigentum und das unmittelbare, alltägliche Leben der Menschen eingreift. Wie versorge ich mich mit Wärme? Das fragt sich doch jeder.

Fehlt es den Grünen da an der notwendigen Sensibilität?

Walker: Ich weiß nicht, ob es da an Sensibilität fehlt. Das Hauptproblem war, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vor allem die Finanzierung unklar war. Das war einfach sehr holzschnittartig.

Was passiert denn mit Ihrer Heizung zu Hause?

Walker: Ich bin Mieterin, da habe ich leider keine Steuerungsmöglichkeit. Da wir eine Gasheizung haben, würde ich mich natürlich darüber freuen, wenn der Vermieter da etwas umstellen würde.

Beim Ausbau der Windernergie steht Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich nicht besonders gut da. © Tom Weller

Das wird dann aber teuer.

Walker: Klimaschutz kostet Geld. Die Frage ist aber: Was zahlt man wann? Die fossile Energie wird in den nächsten Jahren knapper und teurer, auch durch den CO2-Preis. Das bedeutet, dass es sich lohnt, wenn man beim Einbau einer neuen Heizung auf fossile Brennstoffe verzichtet. Der Staat beteiligt sich auch daran. Dazu brauchen wir die entsprechenden Finanzierungsmodelle.

Die Union erzählt jetzt wieder das Narrativ von den Grünen als große Verbotspartei.

Walker: Ja, dieses alte Image ist jetzt mit der Heizungsdebatte wieder kurz aufgeflammt. Aber ganz ehrlich, die Wirtschaft hat doch längst verstanden, dass wir aus dem fossilen Bullerbü raus müssen. Denn sonst verlieren wir wirklich unsere Wettbewerbsfähigkeit. Es geht hier auch um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir brauchen diese Transformation, wir müssen auf neue Technologien setzen. Und wir müssen natürlich die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen und unterstützen. Denn für den Klimaschutz als großes Ziel sind wir ja alle. Deshalb muss jeder, der sagt, was nicht geht, auch sagen, wie er es anders machen will.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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