Politbarometer

Politbarometer: Die AfD legt zu und festigt Platz zwei

In der aktuellen Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen kommt die AfD auf jetzt 21 Prozent. Was das mit der Wahlkampfstrategie der Unionsparteien zu tun hat, erkärt Matthias Jung.

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Walter Serif
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Symbolbild © Bernd Weissbrod

Mannheim. Sechs Wochen vor der Bundestagswahl legt die AfD im Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen kräftig zu und verbessert sich von 19 auf 21 Prozent. Damit erreicht sie den besten Wert seit einem Jahr – im Dezember 2023 erzielte die AfD mit 22 Prozent ihren bisherigen Rekord. Die Rechtsaußen-Partei verteidigt also nicht nur ihren zweiten Platz, sie vergrößert auch ihren Vorsprung vor den Grünen und der SPD, die mit 15 (plus eins) und 14 Prozent (minus eins) nicht vom Fleck kommen.

Die Union liegt zwar weiter mit großem Abstand an der Spitze. „Aber nur 30 Prozent in der Sonntagsfrage – das kann nicht der Anspruch der CDU/CSU sein. Erst recht, wenn man bedenkt, dass sie nach dem Ampel-Aus überhaupt nicht vom Versagen der drei in der Bundesregierung gescheiterten Parteien profitiert“, sagt Matthias Jung, Vorstand der Forschungsgruppe.

Wahlforscher: Friedrich Merz ist kein Zugpferd für die Union

Ein Grund dafür ist die Schwäche des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, den die Deutschen nicht mögen, die Mehrheit traut ihm auch den Job als Regierungschef nicht zu. „Merz ist kein Zugpferd für die Union und spricht durch seinen eher konservativen Kurs die Klientel, die sich eher in der Mitte verortet, weniger an“, sagt Jung.

Der zweite Grund, den der Wahlforscher nennt, erklärt gleichzeitig, warum die AfD so stark geworden ist. Jung attestiert der Union praktisch eine falsche Wahlkampfstrategie, die der Konkurrenz am rechten Rand bei der Bundestagswahl noch mehr Stimmen einbringen könnte.

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Und welchen Fehler macht die Union nach Jungs Ansicht? „Deutschland durchlebt derzeit eine Konjunkturkrise, für die die Union die Bundesregierung verantwortlich macht. Und die Mehrheit der Befragten meint, dass die CDU/CSU in Wirtschaftsfragen besonders kompetent ist. Sie hat aber bisher ihren Wahlkampf nicht auf dieses Thema zugeschnitten“.

Sondern? „CDU und CSU heizen das Thema Ausländer und Flüchtlinge nicht nur an, sie begeben sich damit fast in einen Überbietungswettbewerb mit der AfD. Das hilft dieser Partei gleich in doppelter Weise. Das Thema Migration erfährt eine hohe Medienpräsenz. Und die AfD kann auf ihre eigenen Forderungen verweisen, die natürlich radikaler als die der Unionsparteien sind“, sagt der Wahlforscher.

Glaubwürdigkeit und Söders harter Kurs

Auf der anderen Seite würden viele Wählerinnen und Wähler die Positionsänderung der Union – die es auch bei der SPD und der FDP gibt - nicht wirklich abnehmen. „Viele fragen sich doch: Warum habt Ihr das nicht schon früher vertreten? – und geben dann am 23. Februar womöglich lieber der AfD ihre Stimme“, sagt Jung. Sein Fazit: Die Union soll keine unsinnigen Positionen übernehmen, sondern sich auf ihre eigenen Stärken konzentrieren.

Probleme bereitet der Union auch der krass-harte Kurs, den Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder gegen die Grünen und vor allem Robert Habeck. Diesen hält er für den „schlechteste Wirtschaftsminister, den Deutschland je hatte.“, Deshalb betreibt Söder eine aggressive Ausschließeritis. Auf keinen Fall eine Koalition mit den Grünen nach der Wahl, lautet Söders kompromissloses Motto.

Nur: 70 Prozent aller Befragten - darunter auch eine klare Mehrheit im Unionslager – glauben nicht, dass sich Söder durchsetzen kann, und nehmen an, dass Schwarz-Grün regieren würde, falls es die Mehrheitsverhältnisse erfordern würden.

Söder und Merz im Fokus

Okay, könnte man sagen: Die Deutschen sind pragmatischer als Söder. Und wer interessiert sich nach dem 23. Februar noch für das Geschwätz vor der Wahl? Doch so einfach ist es nach Jungs Ansicht nicht. „Söder hat sich in ein unlösbares Dilemma begeben“, sagt Jung. Warum? „Dass er die Grünen so hart bekämpft, hat ja auch einen zunächst einleuchtenden Sinn. Dahinter steckt die Grundüberlegung, dass die Unionsanhänger im konservativen Lager fürchten, dass die Grünen am Ende doch wieder an die Regierung kommen.“

Und worin liegt jetzt das Dilemma? „Das Grünen-Bashing ärgert dagegen wieder die Anhänger, die eher in der Mitte stehen. Vielleicht wählen die dann die FDP“, sagt Jung.

Mag die Wahlkampfstrategie der Union noch so falsch sein, mag Söder wie schon 2021 wieder ohne Ende zündeln: Mit Blick auf die aktuellen Zahlen hat es derzeit den Anschein, als wäre Friedrich Merz die Kanzlerschaft nicht mehr zu nehmen. Eine Aufholjagd wie 2021 bei Olaf Scholz zeichnet sich jedenfalls noch nicht ab. Zwar meint eine knappe Mehrheit von 54 Prozent, dass nicht „heute schon klar ist“, wer das Rennen um Platz eins machen wird. Gefragt nach ihrer persönlichen Erwartung glauben aber 80 Prozent, dass die Union als Siegerin aus der Wahl hervorgehen wird. Der SPD trauen dies nur zwei Prozent zu.

Scholz hat weder einen Kanzler- noch einen Kandidaten-Bonus

Das liegt auch daran, dass Olaf Scholz - seine Popularitätswerte liegen unter denen von Merz - weder einen Kanzler- noch einen Kanzlerkandidaten-Bonus hat. Anders als 2021 zieht er deshalb die SPD nicht hoch. Anders als bei den Wahlkämpfen 2017, 2013 und 2009 spielt der K-Faktor diesmal bei den Befragten keine so wichtige Rolle mehr. In den genannten Jahren profitierte die Union dagegen von der enormen Zugkraft Angela Merkels – obwohl natürlich auch damals die Koalitionen für die Deutschen immer wichtiger waren als die Person im höchsten Regierungsamt.

Diese Präferenz ist in diesem Jahr allerdings besonders stark. Für 74 Prozent der Befragten ist entscheidend, welche Parteien die nächste Regierung bilden. Könnten die Deutschen die Kanzlerin oder den Kanzler frei wählen, lägen Merz und Habeck mit jeweils 27 Prozent vorn. Alice Weidel (AfD) käme auf 15, Scholz auf 14 Prozent. Aber das sind ja nur Spielereien.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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