Parteien

Rückt ein AfD-Verbot näher?

Der Verfassungsschutz will offenbar die gesamte Partei als gesichert rechtsextremistisch einstufen. Das könnte Folgen haben

Von 
Julia Emmrich
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Fähnchen mit dem Logo der AfD liegen bei einer Parteiveranstaltung in Greding (Bayern) auf einem Tisch. © Daniel Karmann/dpa

Berlin. Wie rechts ist die AfD? Die Partei selbst sieht sich als bürgerliche Kraft. Verfassungsschutzbehörden hingegen halten bereits jetzt Teilorganisationen der Alternative für Deutschland für „gesichert rechtsextremistisch“. Bald könnte auch die Gesamtpartei entsprechend eingestuft werden, ein entsprechendes Gutachten ist laut einem Medienbericht so gut wie fertig. Kommt es zu diesem Schritt, dürfte die Debatte über ein AfD-Verbot weiter an Fahrt gewinnen. Ein Überblick.

Wie blickt der Verfassungsschutz auf die AfD?

Die drei AfD-Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind von den dortigen Landesverfassungsschutzbehörden jeweils als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. In sechs weiteren Bundesländern gelten die AfD-Verbände als „rechtsextremistische Verdachtsfälle“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wiederum hat die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als „gesichert extremistische“ Bewegung eingestuft und darf das laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln auch tun. Darüber hinaus betrachten auch mehrere Landesverfassungsschutzbehörden die jeweiligen JA-Landesverbände entweder als „gesichert rechtsextremistisch“ oder als „Verdachtsfälle“.

Was tut sich jetzt mit Blick auf die Gesamtpartei?

Die „Süddeutsche Zeitung“ meldete am Montag, dass das BfV ein neues Gutachten über die Bundes-AfD vorbereite – mit dem Ziel, diese ebenfalls als „gesichert ex–tremistische Bestrebung“ einzustufen. Bislang wird die Gesamtpartei nur als „Verdachtsfall“ geführt. Das bisher gültige Gutachten stammt aus dem Jahr 2021. Wie es in dem „SZ“-Bericht weiter heißt, arbeite ein Team des Bundesamts bereits seit Monaten an der neuen Bewertung. „Zum Inhalt gibt es offenbar intern wenig Diskussionen“, schreibt das Blatt unter Berufung auf dienstliche E-Mails. Vorgesetzte hätten Mitarbeitern auf entsprechende Nachfragen mitgeteilt, dass schon die bloße „Fortsetzung der verfassungsfeindlichen Bestrebung“ in der AfD einer „Verdichtung“ der Hinweise auf deren rechtsextreme Gesinnung gleichkomme. Das Bundesamt schaue sich jetzt auch das Verhältnis der Partei zu Russland näher an, heißt es weiter. Eigentlich habe das neue Gutachten längst fertig sein sollen, Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang habe den Zeitplan ausdrücklich gebilligt. Nun werde die Fertigstellung mit Rücksicht auf eine für März vorgesehene Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster noch hinausgezögert. Dort klagt die AfD gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz.

Was hat es mit den verschiedenen Einstufungen auf sich?

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Der Verfassungsschutz teilt mögliche Fälle verfassungsfeindlicher Bestrebungen in drei Kategorien ein: Die erste Kategorie ist der sogenannte Prüffall. Hier sammeln die Ämter frei zugängliche Informationen, um abzuklopfen, ob es genügend Anhaltspunkte für eine Beobachtung gibt. Trifft das zu, wird aus dem Vorgang ein „Verdachtsfall“. Die Gruppierung darf jetzt vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Verfestigt sich der Verdacht, kann die Gruppierung als „gesichert ex–tremistische Bestrebung“ eingestuft werden. Bei Stufe zwei und Stufe drei muss die Öffentlichkeit informiert werden.

Was sagt das BfV zu den jüngsten Berichten in Sachen Bundes-AfD?

Die Behörde bestätigt sie nicht, aber dementiert sie auch nicht. „Zu behördeninternen Arbeitsabläufen nimmt das BfV grundsätzlich keine Stellung“, teilte der Inlandsnachrichtendienst am Montag mit.

Was würde eine Neueinstufungder AfD-Bundespartei bedeuten?

Bei „Verdachtsfällen“ und „gesichert extremistischen Bestrebungen“ kann der Verfassungsschutz die jeweilige Gruppierung intensiv beobachten, und zwar auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Er kann zum Beispiel V-Leute anwerben, Personen observieren und unter bestimmten Umständen auch Telefonate abhören oder Computer anzapfen. Da die AfD vom Verfassungsschutz bereits jetzt als „Verdachtsfall“ eingestuft ist, würde sich an dieser Stelle also wenig ändern. Politisch wäre der Schaden aber größer: Eine führende Sicherheitsbehörde würde einer bedeutenden Partei attestieren, in ihrer Gänze gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu arbeiten. Das könnte die AfD unter Umständen für bürgerlich-konservative Wähler unattraktiv machen und die Anschlussfähigkeit an andere Akteure noch weiter einschränken. Bei Beamten und anderen Staatsangestellten, die AfD-Mitglied sind und sich dazu bekennen, könnte sich die Frage nach ihrer Verfassungstreue stellen. Lassen sich Staatsdiener öffentlich verfassungsfeindlich ein oder handeln entsprechend, müssen sie mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Die bloße Mitgliedschaft in einer Partei reicht dafür aber nicht aus – sofern die Partei nicht verboten ist.

Was sagt die Politik zu den jüngsten Meldungen?

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), sagte: „Es ist die Aufgabe von Sicherheitsbehörden, Gefahren fortwährend, wachsam und nüchtern zu analysieren. Daraus können sich dann Entscheidungen ergeben, über die man aber erst spricht, wenn sie getroffen werden.“

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