Kiel. Gemeinsam mit seinen drei Töchtern Fine Sophia, Stine Marie und Romy begibt sich Hendrik Pekeler auf eine Ehrenrunde in der Kieler Ostsee-Halle. Er nimmt am Samstag Abschied, wenn auch „nur“ von der Handball-Nationalmannschaft, die zuvor im letzten EM-Test mit 35:31 gegen Portugal gewonnen hatte. „Es ist eine unheimliche Ehre gewesen, sein Vaterland vertreten zu dürfen“, sagt der 32-Jährige, der seine Karriere beim Bundesligisten THW Kiel fortsetzt. In der Auswahl des Deutschen Handballbunds (DHB) will er aber nur noch im absoluten Notfall aushelfen.
Feiern, Cola, Pizza
Als Pekeler unter tosendem Applaus den Fans zuwinkt, lächelt der Europameister von 2016. Nichts deutet darauf hin, dass ihm seine Gesundheit seit längerer Zeit Probleme bereitet. Die Strapazen in der Bundesliga, der härtesten Liga der Welt, und der Raubbau am eigenen Körper machen sich bemerkbar. Immer häufiger. Und vor allem nach jedem Spiel. Zuletzt waren es hartnäckige Fersenprobleme, davor setzte ihn ein Achillessehnenriss außer Gefecht. Pekeler braucht Pausen. Spiele im Zwei-Tage-Rhythmus wie bei einer EM wären für ihn nicht nur eine Qual, sondern unmöglich.
Sein erstes von 122 Länderspielen bestreitet Pekeler im März 2012 in der Mannheimer SAP Arena gegen Island. Und damit ausgerechnet dort, wo ihm später bei den Rhein-Neckar Löwen der große Durchbruch gelingt. Doch daran ist vor etwa zwölf Jahren nicht zu denken. Als Neuling und Jüngster im Nationalteam ist er mit seinen 20 Jahren fürs Bälle schleppen verantwortlich, übrigens als Nachfolger von Patrick Groetzki. Mit dem er später bei den Löwen riesige Erfolge feiert.
Pekeler ist zu diesem Zeitpunkt noch ein Talent. Und zwar ein geläutertes, nachdem er sich in seiner Jugendzeit beim THW Kiel hauptsächlich von Pizza und Cola ernährt hatte. Einmal verschläft der Kreisläufer nach durchfeierter Nacht sogar die Abfahrt zu einem Champions-League-Spiel. Der Mannschaftsbus hält vor seiner Wohnung, ein Mitspieler muss ihn wecken. Vom „Party-Peke“ ist die Rede - und der Geduldsfaden des damaligen Kieler Coaches und jetzigen Bundestrainers Alfred Gislason endgültig gerissen. „Es gab keine andere Wahl“, sagt der Isländer rückblickend, „der Junge musste raus in ein anderes Umfeld.“
Absoluter Leistungsträger
Über den Bergischen HC und den TBV Lemgo Lippe landet Pekeler 2015 bei den Löwen. Und ist erst einmal ein halbes Jahr verletzt. „Einen schlechteren Start bei einem neuen Verein kann man sich eigentlich nicht vorstellen“, erinnert sich der Rechtshänder. Der damalige Bundestrainer Dagur Sigurdsson nimmt ihn trotzdem mit zur EM im Januar 2016. Und spätestens von nun an ist die Geschichte der Karriere von Hendrik Pekeler auch eine Geschichte von Ruhm und Ehre.
Als Leistungsträger gewinnt er mit der DHB-Auswahl sensationell EM-Gold und wenige Monate später Olympia-Bronze. Dazwischen liegt die Meisterschaft mit den Löwen. Als Stammspieler. Nach monatelanger Verletzung zuvor. „Ein verrücktes Jahr“, sagt Pekeler. Und ein Jahr, in dem er zu den populärsten deutschen Handballern aufsteigt.
Mit und wegen ihm werden die Löwen noch einmal Meister (2017) und Pokalsieger (2018), ehe es den Kreisläufer 2018 zurück in den Norden zieht. Es ist eine schwierige Entscheidung, denn laut Pekeler gab es „nur einen Club, für den ich die Löwen verlassen hätte - und genau dieser Verein hat sich dann auch gemeldet“. Es ist der THW Kiel.
Nachdem er seinem Jugendclub als Sorgenkind den Rücken gekehrt hatte, kommt der Kreisläufer als Star und strenger Kassenwart, als „Team-Polizist“, zurück. Mitten in der Corona-Pandemie gewinnt er mit dem Rekordmeister kurz vor Silvester 2020 in der fast 20 000 Zuschauer fassenden, aber eben menschenleeren Lanxess-Arena in Köln die Champions League. Pekeler wird zum besten Spieler des Finalturniers gekürt, steht allein im Scheinwerferlicht auf der großen Bühne. Die Mitspieler klatschen. Niemand anderes ist da. Es herrscht fast gespenstische Stille. Ganz anders als am Samstag.
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