In vielen Sportarten ist es gang und gäbe, erst nach der Aktivenlaufbahn Trainer oder Unparteiischer zu werden. Bei Susan Hoffmann ist das anders. Die 39-Jährige spielt selbst – mit Unterbrechungen – seit ihrer Jugend Volleyball, stand 2008 aber schon mit 23 Jahren auch erstmals am Netz, um ein Spiel zu leiten.
Die 1,80 Meter große Ketscherin ist seit ihrem Umzug 2020 für die SG Ketsch/Brühl als Mittelblockerin aktiv, trainiert zweimal pro Woche in beiden Orten und darf bis hinauf in die 3. Liga Volleyballpartien pfeifen. Dabei bringt sie nicht nur die eigene Aktivenkarriere und die Einsätze als Schiedsrichterin unter einen Hut, sondern zudem auch Familie mit zwei Kindern sowie Beruf.
Sich als Schiedsrichterin für ihren Sport zu engagieren, habe ihr selbst viel Selbstvertrauen vermittelt. „Reich wird man als Schiedsrichter im Übrigen nicht, aber immerhin bekommt man eine Aufwandsentschädigung, die steigt, sobald man in einer höheren Liga eingesetzt wird“, sagt sie schmunzelnd. Als Spielerin stieß sie bis in die Sachsenklasse vor, die zweithöchste Liga des Landes.
Im Interview gibt Susan Hoffmann einen Einblick in ihre Erfahrungen als Unparteiische im Volleyball.
Was ist das Reizvolle an Volleyball? Zum einen als Spielerin, zum anderen als Schiedsrichterin?
Susan Hoffmann: Der Volleyballsport hat sich im Lauf der Zeit stark verändert. Es wurden enorm viele Regeln angepasst, um das Spiel attraktiver für die Zuschauer zu machen – und das mit Erfolg. Auch wenn eine TV-Übertragung wie beim Handball abseits der jüngsten EM zur Seltenheit zählt, gibt es mehr und mehr Streaming-dienste im Internet, die die Spiele regelmäßig übertragen und auf denen die Community zusammenkommen und sich austauschen kann. Volleyball hat mir von Anfang an vor allem auch gefallen, weil da ein Netz in der Mitte vom Spielfeld steht, das den Gegner von meinem Team trennt. Ich war schon immer ein Teamplayer. Gemeinsam zu trainieren, sich gegenseitig im Training und Spiel zu pushen, um letztendlich den ersehnten Sieg einzufahren – das ist genau mein Ding! Als Schiedsrichter, und dabei würde ich für nahezu alle Sportarten sprechen, sollte man nicht nur die Spielregeln kennen, es bedarf auch einer gewissen Portion Menschenkenntnis, um in kritischen Situationen die richtige Entscheidung zu treffen und auch die richtigen Worte zu finden. Ich glaube, das macht den Reiz für mich als Volleyballschiedsrichter aus.
Wie kam es dazu, dass Sie überhaupt Schiedsrichterin werden wollten?
Hoffmann: Ich hatte früher in meiner Jugend schon einmal Volleyball gespielt, musste aber leider aufgrund einer Schulterverletzung lange Zeit aussetzen. Als ich dann nach meinem Studium in Dresden in meinen Beruf eingestiegen bin, hat es Anfang 2008 wieder in den Fingern gekribbelt und ich habe erneut angefangen zu spielen, natürlich war anfangs die Angst immer mit dabei, dass die Schulter wieder Probleme machen könnte. Ich habe mich noch im selben Jahr dazu entschlossen, meinen D-Schiedsrichter-Schein zu machen. Wie in anderen Sportarten sind auch im Volleyball Schiedsrichter eher Mangelware. Man versucht, die Jugend schon früh ans Schiedsrichterwesen heranzuführen. Hier sind besonders Trainer und Eltern bei Jugendspieltagen gefragt, die Jugend alleinständig Entscheidungen treffen zu lassen, vor allem in strittigen Situationen. Einen parallelen Weg zum Spielerdasein ins Schiedsrichterwesen einzuschlagen, war damals für mich ein Versuch, aus meiner eigenen Komfortzone herauszukommen, und hat mir geholfen, leichter Entscheidungen zu treffen.
In welchen Ligen dürfen Sie ein Spiel leiten?
Hoffmann: Bis in die 3. Liga, sowohl im weiblichen als auch männlichen Bereich.
Gab es einen besonderen Einsatz als Schiedsrichterin, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Positiv wie negativ?
Hoffmann: Die gibt es tatsächlich. Eine negative Erfahrung musste ich damals in der Sachsenliga der Männer als C-Schiedsrichter in Dresden machen. Im Volleyball gibt es immer einen 1. Schiedsrichter, der das Spiel leitet, immer den Ball beobachtet und etwas erhöht auf einem Schiedsrichterstuhl oder einfach nur auf einem Kasten steht. Zusätzlich gibt es noch den 2. Schiedsrichter, der auf der gegenüberliegenden Seite am Schreibertisch steht, Auszeiten und Wechsel genehmigt und mit den Augen am Netz auf der Blockseite ist. Bei dem Spiel – an diesem Tag schenkten sich beide Mannschaften nichts – war die Stimmung entsprechend sowohl auf dem Spielfeld als auch auf den Rängen sehr geladen. Im Entscheidungssatz kam es dazu, dass ein Angreifer auf der Seite des 2. Schiedsrichters, also meiner Seite, den Ball außerhalb der Antenne geschlagen hat, was ich eigentlich hätte als Fehler pfeifen müssen. Ich habe das aber überhaupt nicht so gesehen. Man muss wissen, dass hier der Winkel und die Entfernung zum Netz ausschlaggebend sind und dann darf man auch in genau dem Moment nicht zwinkern. Eine Video-Challenge, wie sie heute in internationalen und auch Bundesligaspielen eingesetzt wird, gab es damals noch nicht und wird auch nicht in den unteren Ligen aufgrund der Kosten eingesetzt. Letztendlich hatte genau die Mannschaft, die eigentlich den Fehler begangen hatte, am Ende das Spiel gewonnen. Es gab im Nachhinein sehr viele Diskussionen, auch Zuschauer haben sich bei mir beschwert, wie man einen so „offensichtlichen“ Fehler nicht sehen kann. Da zweifelt man natürlich arg an sich selbst, dennoch habe ich zum damaligen Zeitpunkt nicht daran gedacht, meine Schiedsrichterpfeife an den Nagel zu hängen. Eine andere, erfreulichere Situation gab es viele Jahre später in der Regionalliga der Männer in Delitzsch als Schiedsrichter. Hier war ich damals als 1. Schiedsrichter gesetzt. Auch hier schenkten sich beide Mannschaften nichts. Im Entscheidungssatz kam es zur Situation, dass sowohl der Angreifer der einen Mannschaft, als auch der gegnerische Block zeitgleich das Netz berührt haben. Die Aktion hatte damals auf meiner Seite stattgefunden, woraufhin ich sofort gepfiffen und das Zeichen für Doppelfehler beziehungsweise Spielzugwiederholung gezeigt habe. Nach dem Spielende kam dann noch der Trainer der Leipziger Mannschaft zu mir und sagte zu mir „Hut ab, in so einer Situation einen klaren Kopf zu behalten und sowas zu pfeifen.“ Solche Kommentare bauen einen natürlich sehr auf!
Was sollten Schiedsrichter beim Volleyball mitbringen, um gut zu werden?
Hoffmann: Ein gewisses Maß an Eigenmotivation ist wichtig, der Wille, stetig besser zu werden essenziell, Fehler zuzulassen und auch mal zuzugeben, dass man selbst einen Fehler gemacht hat. Fehler sind unsere Helfer, aus denen wir viel lernen können. Zuverlässigkeit ist auch sehr wichtig, gerade wenn man dann höher pfeift und Spieleinsätze bekommt. Zeit ist auch sehr wichtig. Je höher man pfeift, umso weiter muss man unter Umständen auch für die Spiele fahren. Ich habe zwei Kinder, arbeite Vollzeit, spiele selbst und trainiere zudem auch noch eine Jugendmannschaft zweimal pro Woche. Das braucht ein besonderes Maß an Rückhalt in der Familie. Ich bin hier sehr dankbar dafür, dass mein Mann bei allem, was ich tue, voll und ganz hinter mir steht.
Wie läuft die Ausbildung zur Schiedsrichterin genau ab?
Hoffmann: Zu allererst muss man für den Erwerb einer Schiedsrichterlizenz hier in Nordbaden Mitglied in einem Volleyballverein sein. In jungen Jahren kann man die Prüfung zum Jugendschiedsrichter ablegen. Diese Schiedsrichterlizenz gilt dann jedoch nur im Jugendspielbetrieb, nicht für die Erwachsenen. Man kann auch gleich mit der D-Lizenz anfangen und dann sowohl die Spiele im Jugendspielbetrieb als auch im aktiven Bereich leiten. Danach kann man sich zum C- und danach zum B-Kandidatur-Schiedsrichter – kurz „BK“ – ausbilden lassen. Um alle Prüfungen, sowohl Theorie, als auch Praxis, erfolgreich zu bestehen, sollte man sich gut mit den einzelnen Formulierungen im Regelwerk auskennen. Für den B-Schiedsrichter müssen dann keine weiteren Prüfungen abgelegt werden. Hier geht es dann vielmehr darum, Schiedsrichtererfahrung zu sammeln. Durch erfolgreiche Beobachtungen von anderen erfahrenen Schiedsrichtern bekommt man dann die B-Lizenz. Wenn man dann mit einer solchen Lizenz in der 3. Liga angekommen ist und wiederum durch Beobachtungen empfohlen wird, dass man auch in der Lage ist, Spiele in der 2. Bundesliga zu leiten, kann man auch dafür freigeschaltet werden. Allerdings kommen dann implizit weitere Verpflichtungen hinzu. Mit so viel Know-how, das man sich dann über die Jahre als Schiedsrichter so angeeignet hat, wird dann auch erwartet, dass man bei der Ausbildung zukünftiger Schiedsrichter mitwirkt – der Zeitaufwand nimmt also nach oben hin zu. In der 1. Bundesliga leiten dann nur A-Kandidatur- und A-Schiedsrichter die Spiele. Auf internationaler Ebene gibt es noch die I-Lizenz um Länderspiele oder auch Champions-League-Spiele zu leiten.
Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen als Schiedsrichterin?
Hoffmann: Man verlässt die Halle als Schiedsrichter eher selten mit einem Lob, einfach auch, weil das Spiel der Mannschaften ja im Vordergrund steht. Es gibt immer Spielsituationen, die einen auch nach dem Spiel noch beschäftigen. Einmal kam nach dem Spiel in Blankenloch ein Trainer der gegnerischen Mannschaft mit ernster Mine auf mich zu und fragte mich, ob ich ihm denn nicht mal meine E-Mail-Adresse geben könne, damit er mir die Video-Aufzeichnung vom Spiel zuschicken kann und ich so aus meinen Fehlern lernen kann. Offenbar war er mit meiner Leistung an diesem Tag nicht zufrieden. Beleidigt wurde ich aber noch nie. Mir hilft es immer, sich mit dem jeweils anderen Schiedsrichter nach dem Spiel auszutauschen und es ist dann natürlich oftmals beruhigend, wenn der andere Schiedsrichter eine Spielsituation genau wie ich bewertet hätte. Insgesamt muss ich sagen, dass mir unter anderem meine Aktivitäten als Schiedsrichter geholfen haben, mehr Selbstbewusstsein aufzubauen.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/sport/lokalsport_artikel,-lokalsport-der-wille-stetig-besser-zu-werden-ist-essenziell-_arid,2176812.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/bruehl.html