Region. Mit Franz Beckenbauer ist ein ganz Großer des Fußballs gestorben - bewundert nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Eine Lichtgestalt, die gerade seit den Vorwürfen um die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zuletzt aber lange Schatten warf.
Auch die Redaktion der „Schwetzinger Zeitung“ verbindet mit dem als „Kaiser“ verehrten Ballkünstler viele interessante, teils bewegende und vielleicht auch prägende Erinnerungen sowie Erfahrungen.
Jürgen Gruler: Bei meiner ersten Begegnung mit Franz Beckenbauer lagen im Jahr 1975 zwischen dem zehnjährigen Nachwuchsfußballer Jürgen Gruler und „Kaiser Franz“ gut 100 Meter Abstand im Olympiastadion in München. Mein Vater hatte mir zum Geburtstag eine Busfahrt dorthin geschenkt - damals eine große Sache. Davor waren wir Hähnchen essen im Wienerwald, dann kaufte er mir noch eine Bayern-Fahne und es gab ausreichend Gelegenheit, sie auf der Südtribüne beim 4:0-Sieg über den Erzrivalen Borussia Mönchengladbach zu schwenken. Jahre später organisierte dann mein Heimatverein ESV Südstern Singen im Hohentwielstadion ein Spiel der Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft. Ich stand an dem Stadiontor als Einlasskontrolle, an dem die Superstars reinfahren durften und ganz unkonventionell hinter der Tribüne ihre Autos parkten. Plötzlich nahte ein Audi Quattro - damals ein echter Traum für einen jungen Kerl wie mich. Drin saß am Steuer Robert Schwan und auf dem Beifahrersitz Franz Beckenbauer. Sie plauderten mit mir, erzählten, sie seien im Gasthaus zum Sternen gewesen, hätten Schnitzel gegessen und den Wirtsleuten ein Autogramm gegeben. So richtig bodenständig und ganz ohne Starallüren. Nach dem Spiel saßen Beckenbauer, Netzer, Seeler, Overath und die Kremers-Zwillinge dann noch mit am Stammtisch im Clubheim. Ein unvergessener Tag.
Matthias Mühleisen: Zwei Jahre vor dem Sommermärchen 2006, an dessen Zustandekommen Franz Beckenbauer maßgeblich beteiligt war, wurde der Nabel der deutschen Fußballwelt für einige Wochen nach Speyer verlegt. Die Ausstellung „Am Ball der Zeit - Deutschland und die Fußball-Weltmeisterschaften seit 1954“ im Historischen Museum der Pfalz machte es möglich, dass der „Kaiser“ persönlich der Domstadt einen Besuch abstattete. Beckenbauer war einer der legendären Fußballer, die zum Kuratorium der Ausstellung gehörten und verstärkte neben Uwe Seeler, Ottmar Walter und Horst Eckel die Mannschaft, die das Museumsteam bei der Zusammenstellung unterstützte. Zur Eröffnung am 31. Mai 2004 war die Fußballlegende persönlich dabei. Aus dem locker-unterhaltsamen Talk mit dem damaligen ZDF-Sportchef Wolf-Dieter Poschmann erfuhren die Gäste, dass der „Kaiser“ die Domstadt schon ein bisschen kannte: Er nutzte den Flugplatz für Besuche der Golfturniere in St. Leon-Rot . . . Den Eintrag ins Goldene Buch Speyers holte er anlässlich der Schau, die ähnlich erfolgreich wurde wie später die Heim-WM 2006, nach und wollte die „wunderschöne Stadt“ auch außerhalb der Museumsmauern kennenlernen. Für Lacher sorgte Beckenbauer, als er zu seinen zerrupften Fußballschuhen, die in der Ausstellung zu sehen waren, verriet: „Von zehn Paar, die Adidas schickte, passte maximal eins, das habe ich bis zum Auseinanderfallen getragen.“ Humorvoll und offen fiel auch seine Antwort zum berühmten „Knorr“-Suppenwerbespot aus den 1960er Jahren aus: „Das war am Rande der Gemütlichkeit, mir ist ein paar Mal sehr schlecht geworden.“ Die zu dem Zeitpunkt noch völlig unumstrittene Lichtgestalt des deutschen Fußballs brachte Glanz in die Ausstellung, ohne sich in den Vordergrund zu spielen, gab sich nach der offiziellen Eröffnung nahbar und unkompliziert. Ein starker Auftritt.
Vanessa Schwierz: Bereits 2002, mit neun Jahren, habe ich das Finale der Fußball-WM zwischen Deutschland und Brasilien geschaut. Es war schade, das Finale zu verlieren, aber 2006 folgte das Sommermärchen in Deutschland - auch dank Franz Beckenbauer. Getroffen habe ich ihn nie, aber auch durch ihn erlebte ich 2006 meine erste richtige Weltmeisterschaft - emotional, mit Fußballwissen und Spielern, die meine Generation prägten. Das Auto der Eltern habe ich mit Deutschland-Fahnen ausgestattet und bei jedem Spiel der deutschen Nationalmannschaft mitgefiebert. Es war die Generation Fußballer, mit der ich aufwuchs, die mich mit dem Fußball verband, den ich heute noch liebe. Das Spiel um Platz drei gegen Portugal schaute ich im elterlichen Wohnzimmer, freute mich über einen Sieg - und vor allem die Tore von Bastian Schweinsteiger. Auch wenn das Sommermärchen durch die Korruptionsskandale einen negativen Schlag bekommen hat, bleibt es für mich ein besonderes Event.

Andreas Lin: Gesehen oder erlebt habe ich Franz Beckenbauer bei mehreren Anlässen, unter anderem 1990 beim Empfang für die Weltmeister auf dem Frankfurter Römer und dem anschließend Autokonvoi, bei dem er direkt an mir vorbeigefahren ist. Wirklich gesprochen habe ich ihn nur einmal - auf dem Bahnhof in Baden-Baden. Das war am Morgen nach der großen Gala „Sportler des Jahres“ im dortigen Kurhaus - auch in den 1990er Jahren. Mein Kollege Stefan Skolik und ich waren Gäste der feierlichen Veranstaltung, bei der wir im Benazet-Saal übrigens nicht weit weg vom „Kaiser“ saßen. Die After-Show-Party ging lange, dementsprechend müde kamen wir am nächsten Morgen am Bahnhof an und warteten auf den Zug. Plötzlich stieß mich mein Kollege mit dem Ellenbogen an und machte mich auf den direkt neben mir stehenden Mann aufmerksam. Ich blickte ihn an und hörte ein freundliches „Guten Morgen. Na, schon wieder fit“, fragte Franz Beckenbauer und ich erwiderte den Gruß. „Hat‘s ihnen gefallen gestern Abend“, hakte er nach. Offensichtlich hatte er uns im Saal wahrgenommen. So kamen wir ins Plaudern über die Gala, er fragte, wo wir herkommen und erzählte, dass er jetzt über München heim nach Österreich fahre - und wir wünschten uns gegenseitig eine gute Reise.
Michael Wiegand: Tatsächlich hatte ich das Vergnügen, Franz Beckenbauer einmal persönlich kennenzulernen. Beckenbauer und einige andere Sportfunktionäre - es muss 1999 gewesen sein und ich glaube, Gerhard Maier-Vorfelder war ebenfalls mit dabei - hatten damals meine Heimatstadt Lorsch besucht. Ich sollte für den Bergsträßer Anzeiger über den Besuch berichten. Beckenbauer und seine Begleiter wurden spontan durch das Tabakmuseum geführt. Allerdings war der Museumsleiter nicht mehr im Haus und da ich gerade morgens die neue Ausstellung fotografiert und den Leiter dazu interviewt hatte, konnte ich den Besuchern zumindest zu einigen interessanten Exponaten Auskunft geben. Der „Kaiser“, dessen Fan mein Vater ist, seit ich denken kann, war tatsächlich sehr sympathisch, wirkte bodenständig und stellte Fragen zum Museum an sich. Er freute sich auch ganz offensichtlich, als ich ihn abschließend um ein Autogramm für meinen Vater bat, der seine Karriere ja seit dem Aufstieg der Bayern in die Bundesliga verfolgt hatte. Von mir selbst wollte Franz Beckenbauer zwar lediglich wissen, warum ich denn über die Ausstellung Bescheid wisse, ich fühlte damals aber dennoch den Ritterschlag! Der „Kaiser“ hatte mit mir gesprochen . . . Wow!
Katja Bauroth: „Franz Beckenbauer.“ Dieser Name fiel eigentlich immer, wenn ich mich während meines längeren Aufenthalts in dem südamerikanischen Zwergstaat Ecuador als Deutsche outete. Das war Ende der 1990er/Anfang der 2000er Jahre. Für die Weltmeisterschaft 2002 hatte sich Ecuador erstmals qualifiziert, die schon bestehende Fußballbegeisterung wuchs. Und der bekannteste deutsche Spieler war zu dieser Zeit dort eben „der Kaiser“. Der spielte auch stets eine Rolle, wenn sich mein Vater und mein Onkel über Fußball austauschten. Das WM-Begleitbuch von 1974, das mein Vater von ihm mal geschenkt bekam, hüte ich noch heute wie meinen Augapfel. Und klar: 1990 verpasste ich als Teenie vor dem Fernseher kein WM-Spiel der Beckenbauer-Elf in Italien - dabei trug ich sogar das Nationaltrikot. Direkt getroffen habe ich Franz Beckenbauer leider nie, jedoch durfte ich bei seinem „Kaiser“-Abschied am 13. August 2010 in der Allianz Arena in München dabei sein, als vor 69 000 Zuschauern Real Madrid unter Trainer José Mourinho (mit Ronaldo im Team) den Franz-Beckenbauer-Cup 4:2 im Elfmeterschießen gegen den FC Bayern München gewann. Ein irres und unvergessliches Ereignis für einen Menschen, der Generationen prägte.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/sport/lokalsport_artikel,-lokalsport-franz-beckenbauer-bleibt-auch-in-schwetzingen-unvergessen-_arid,2164157.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/themen-schwerpunkte_dossier,-fussball-em-2021-_dossierid,241.html
[2] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/speyer.html