Sandhausen. Mit der Verpflichtung des alten Bekannten Sreto Ristic als Trainer vollzieht der SV Sandhausen eine Rolle rückwärts. Der 48-Jährige ist so etwas wie der Gegenentwurf zu Routinier Jens Keller. Ristic gilt im Gegensatz zu seinem oft distanziert wirkenden Vorgänger nicht nur als nahbarer Mensch und guter Kommunikator, er hat auch eine Vergangenheit am Hardtwald. Einzig die auf dem Feld oft vermisste Erfahrung geht dem ehemaligen Übungsleiter des Halleschen FC ab.
73 Spiele waren es zwischen 2008 und 2011, in denen der damalige Stürmer Ristic in der 3. Liga und dem DFB-Pokal für die Schwarz-Weißen auf dem Feld stand – und die bei der Entscheidung für seine Person eine gewichtige Rolle gespielt haben. Rund 50 Bewerber soll es dem Vernehmen nach gegeben haben. Warum die Entscheidung auf den Deutsch-Serben fiel, beantwortet Sportdirektor Matthias Imhof auf Anfrage dieser Zeitung mit der „SVS-DNA“, die der neue starke Mann an der Seitenlinie in sich trägt. Das Identifikationspotenzial und der Mensch: Faktoren, die diesmal schwerer wiegen als das Attribut Erfahrung.
Neuer Trainer Sreto Ristic hat kaum Erfahrung in der 3. Liga
Denn Ristic ist im Vergleich zum ebenfalls gehandelten Markus Kauczinski noch grün hinter den Ohren. Der Gelsenkirchener, der mit dem Karlsruher SC (2013), Dynamo Dresden (2022) und Wehen Wiesbaden (2023) in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist, sei „ein sehr guter Trainer“. Ob er auch auf seiner Liste stand, wollte Sportdirektor Imhof allerdings nicht kommentieren.
Der in Zagreb geborene Ristic hingegen ist zwar bereits seit 2013 im Trainergeschäft, agierte aber acht Jahre lang in der zweiten Reihe als Co-Trainer. Erst vor drei Jahren übernahm er erstmals einen Cheftrainerposten. Mit dem Traditionsverein Kickers Offenbach schloss Ristic in der Regionalliga Südwest zweimal auf Rang drei ab. Anschließend ging es eine Spielklasse höher zum Halleschen FC. Während er den langjährigen Drittligisten im ersten Jahr auf Platz 16 und damit hauchzart zum Klassenerhalt führte, war in dieser Spielzeit im April Schluss, als die Ostdeutschen nach 31 Spieltagen auf einem Abstiegsrang standen.
Auch der SV Sandhausen hat defensive Probleme
Seine größte Baustelle in Sachsen-Anhalt: die Defensive. 60-mal klingelte es bis zu seiner Entlassung im Hallenser Kasten – durchschnittlich beinahe zweimal pro 90 Minuten. Man muss dem Trainer allerdings zugutehalten, dass er mit zahllosen Ausfällen und einer schlechten Kaderzusammenstellung zu kämpfen hatte. Die Problemzonen kommen dem Betrachter bekannt vor. Die 56 Gegentore des SV Sandhausen sind keine Statistik eines Aufstiegskandidaten. Das hatte auch Interimstrainer und Urgestein Gerhard Kleppinger bemängelt.
Mit seinem Vorgänger Keller gemein hat Ristic die Vergangenheit als Profi. Mit dem VfB Stuttgart spielte der damalige Stürmer unter einem jungen Jogi Löw in der Bundesliga und gewann den DFB-Pokal. Welten trennen die beiden jedoch in ihrer Persönlichkeit. Nach dem kühlen Keller kommt mit Ristic ein nahbarer Mensch an den Hardtwald. „Sreto findet zu den Spielern einen guten Draht“, sagte sein ehemaliger Cheftrainer Horst Steffen einst über ihn. Wenig verwunderlich, denn der mit 14 Jahren wegen des Bürgerkriegs aus Jugoslawien nach Deutschland gekommene Ristic ist ein Sprachtalent: Er beherrscht sieben Sprachen, darunter Englisch, Russisch, Serbisch, Bulgarisch, Portugiesisch und etwas Spanisch.
Sandhausen soll unter Ristic wieder unangenehm werden
Während seiner Zeit in Halle sagte der 48-Jährige in einem Zeitungsinterview, dass Kommunikation für ihn entscheidend sei. Außerdem gebe er den Spielern in seiner Arbeit Freiräume und übertrage Verantwortung. Die Weiterentwicklung von Spielern ist ein Punkt, der unter Jens Keller stagnierte.
Unter Ristic wollen die Sandhäuser in der nächsten Spielzeit wieder zu einem unangenehmen Team werden. „Den Gegner 90 Minuten zu bekämpfen und immer laufstärker zu sein als unser Gegner, sollte unser Ziel sein“, gibt Sportdirektor Imhof die Marschroute vor. Wohin diese führen soll, darüber ist man sich im Verein uneins: Interimstrainer Kleppinger hatte den Aufstieg als klares Saisonziel ausgerufen, Imhof gibt sich diesbezüglich defensiver als in der abgelaufenen Saison: „Unser Ziel ist, eine bessere Runde zu spielen als in der vergangenen Saison.“
Dennis Diekmeier als Co-Trainer?
Dass der ehemalige Hallenser Ristic nicht nur Klassen-, sondern auch Aufstiegskampf kann, muss er an der Jahnstraße erst unter Beweis stellen. Seine Verpflichtung ist in jedem Fall ein Risiko. Doch sein Vorgesetzter Imhof meint: „Vielleicht braucht man mutige Entscheidungen, um erfolgreich zu sein.“
Und vielleicht braucht es für den Erfolg auch Identifikation. An Ristics Seite in Halle stand mit Roberto Pinto nämlich ein weiterer Ex-Sandhäuser. Wahrscheinlicher ist aber, dass mit Dennis Diekmeier eine weitere Identifikationsfigur den Co-Trainer-Posten übernimmt. Wie sich das Trainerteam zukünftig zusammensetzt, darüber möchte der Verein in dieser Woche informieren.
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