Mannheim. Dass unzufriedene Spieler selbst noch in den ersten Wochen der neuen Spielzeit den Club wechseln, ist aufgrund des späten Endes der Transferfrist (1. September) mittlerweile gängige Praxis. Auch der SV Waldhof wartet vor diesem Hintergrund bestimmt noch darauf, dass der ein oder andere Kicker aus einem höheren Regal fällt. Und auch die Tatsache, dass Waldhof-Profis den Verein trotz gültigen Vertrags noch verlassen können, weil unter einer veränderten sportlichen Führung nicht mehr auf sie gesetzt wird, wiederholt sich in jedem Jahr. So weit, so unspektakulär. Doch dass sich jemand wie Waldhof-Urgestein und Ex-Kapitän Marcel Seegert vor dem zweiten Spieltag zum Liga-Konkurrenten SSV Ulm verabschiedet, fällt in eine ganz eigene Kategorie. Dieser Wechsel sorgte für einen Knall in der Kurpfalz – und birgt Sprengstoff über den Tag hinaus.
315 Pflichtspiele für die Blau-Schwarzen, 177 Drittliga-Spiele seit dem Aufstieg mit dem SVW 2019 – allein diese Marken beschreiben auf den ersten Blick, was der gebürtige Mannheimer für eine Bedeutung für den SV Waldhof hat. Doch Seegert ist nicht nur ein Profi mit Lokalkolorit, sondern stand auch immer für den Fußball, den die Fans auf dem Waldhof sehen wollen: Einsatz, Leidenschaft, Kampf, auch wenn mal etwas technisch vielleicht nicht ganz wie aus dem Lehrbuch funktioniert.
Heiße Diskussionen in der Fan-Szene
Entsprechend groß war der Schock in der Fan-Szene am Mittwochabend, als aus Ulm und Mannheim bestätigt wurde, worüber diese Redaktion online bereits am Mittwochmorgen exklusiv berichtet hatte. Seegert löst seinen beim SVW bis 2026 gültigen Vertrag beim SVW auf, wechselt für zwei Jahre zum Zweitliga-Absteiger SSV Ulm und erhält dort noch eine Option auf ein weiteres Jahr. 2028 wäre der Innenverteidiger dann 34 Jahre alt. Fußball-Romantiker waren eher davon ausgegangen, dass „Cello“ seine Karriere dort beenden würde, wo er sie begonnen hatte: Beim Waldhof.
„So geht man nicht mit einem so verdienten Spieler um“, lautete nur eine der Stimmen in den sozialen Netzwerken. „Was passiert denn gerade bei unserem SVW. Cello weg, Boyd auf der Tribüne. Zwei Identifikationstypen werden nicht mehr berücksichtigt“, hieß es an anderer Stelle, während andere es emotionsloser betrachteten. Schließlich hatte Seegert auch schon in der vergangenen Saison zu kämpfen.
Schon im Vorjahr musste „Cello“ kämpfen
Nachdem er zuvor fünf Jahre in Folge unumstrittener Stammspieler war, kam er in der Spielzeit 2024/25 nur noch auf 13 Einsätze über die volle Distanz. Selbst Bernhard Trares verzichtete zeitweise auf die SVW-Ikone. Seegert wusste, dass er was tun musste, verkürzte im Sommer den Urlaub, um zusätzlich an seiner Fitness zu arbeiten. Dennoch zogen Tim Sechelmann, Malte Karbstein und Niklas Hoffmann in der Vorbereitung an ihm vorbei. Der Degradierung zum Ex-Kapitän folgte zum Auftakt gegen Verl ein Platz auf der Tribüne. Und als sich der Ulmer Kapitän Johannes Reichert beim Saisonstart das Kreuzband riss und sich Seegerts Situation in Mannheim herumgesprochen hatte, ging alles sehr schnell. Am Dienstag meldete sich Seegert mit „Oberschenkelproblemen“ aus dem Training ab, am Mittwoch ging es zu Medizin-Check und Vertragsunterschrift zu den Spatzen.
„In Cello konnten wir einen Spieler gewinnen, der über eine enorme Erfahrung in der 3. Liga verfügt und in unserer Defensive sofort weiterhelfen kann. Seine Führungsqualitäten und sportlichen Fähigkeiten hat er bereits unter Beweis gestellt“, freute sich SSV-Geschäftsführer Markus Thiele über den Transfer, der ablösefrei über die Bühne gegangen ist, da Seegert wegwollte und die SVW-Verantwortlichen darüber wohl nicht ganz böse waren – auch wenn das dann für alle versöhnlich formuliert wurde. „Angesichts seiner Bedeutung für den Verein war das keine leichte Entscheidung – aber gerade deshalb wollten wir ihm diesen Schritt ermöglichen. In den vergangenen Jahren hat er sich zu einer echten Identifikationsfigur entwickelt – sportlich wie menschlich“, sagte etwa SVW-Sportgeschäftsführer Gerhard Zuber, während sich Seegert ans Umfeld richtete.
„Die Unterstützung, die ich über all die Jahre erfahren habe, werde ich nie vergessen. Auch wenn der Abschied schmerzt, bin ich überzeugt, dass es zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Schritt für mich ist“, meinte der Abwehrspezialist, dessen Abschied wohl nur der sichtbare Ausdruck des Rumorens ist, das sich derzeit hinter den Kulissen abspielt. „Da musst du die Spiele gewinnen, sonst wird’s unruhig“, hatte Zuber schon vor dem Spiel gegen Verl gesagt, als die Ausmusterung von Seegert und Boyd bekannt wurde. Und die Unruhe ist jetzt schon da.
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