Ulm. Janne Sietan plauderte einfach drauflos. Die Besonderheit des schnellen Wiedersehens mit Marcel Seegert und André Becker versuchte der Mittelfeldkämpfer des SV Waldhof gar nicht erst kleinzureden. „Ich bin ehrlich: Ich kam hier an, ich wollte eigentlich gar nicht raus auf den Platz und habe erst mal nur auf die beiden gewartet“, gab der 23-Jährige nach dem Mannheimer 2:1 (2:1)-Sieg beim SSV Ulm zu: „Das sind schon zwei Jungs, die ich sehr ins Herz geschlossen habe.“
Vor allem mit Blick auf seinen Ex-Kapitän, dem auch die knapp 1800 mitgereisten Waldhof-Fans mehrere Dankesbanner widmeten, geizte Sietan nach dem zweiten Erfolg im zweiten Spiel unter dem neuen Cheftrainer Luc Holtz nicht mit Worten. „Wenn ein Cello Seegert nicht mehr in der Waldhof-Kabine ist, ist das schon komisch“, sagte er – und berichtete von einem „heiligen Gral“ in der SVW-Umkleide, in dem auch ein Seegert-Foto einen festen Platz habe: „Ganz weg ist er nie.“ Zu solchen Typen, „die sich so mit dem Verein identifizieren“, würden „wir alle“ aufschauen, holte Sietan weiter aus: „Ob es ein Totti bei der AS Rom war, oder in einer kleineren Welt in der 3. Liga, ein Cello Seegert bei Waldhof Mannheim: Mir fehlt er auf jeden Fall und ich glaube, einigen anderen im Team auch.“
Wie Ex-Kapitän Seegert das Duell mit dem SV Waldhof erlebte
Das Ansehen des 31-jährigen „Cello“, der im Sommer unter dem mittlerweile entlassenen Ex-Coach Dominik Glawogger erst die Spielführerbinde verlor und den Saisonauftakt gegen Verl Anfang August nur noch von der Tribüne des Carl-Benz-Stadions erlebte, hat teamintern keine Kratzer abbekommen – das wurde am Sonntag deutlich. Seegert war einer der letzten Ulmer, die sich eine gute Stunde nach Abpfiff noch in den Katakomben des Donaustadions aufhielten. Mit dem neuen SVW-Kapitän Lukas Klünter oder auch mit Ballverteiler Arianit Ferati tauschte sich „Cello“ locker aus.
Seegert unterstrich seinen Status beim SV Waldhof dann auch selbst – mit seinem Auftreten im Gespräch mit dieser Redaktion nach der Partie. Kein Nachtreten, kein überschwänglicher Pathos: Das Eigengewächs wollte das Duell mit seinem Heimatclub nicht größer machen als es ist. „Es war natürlich schon außergewöhnlich – vor allem, weil es so schnell ging. Ich bin jetzt drei Wochen hier und musste die ganze Vergangenheit ausblenden“, erklärte der Ur-Mannheimer. Dass dieses Match „einen Tick anders ist“, sei „selbstverständlich“, betonte er: „Ich habe versucht, es auf eine professionelle, positive Art und Weise anzugehen, einfach Gas zu geben und meiner Mannschaft zu helfen.“
Joker Becker im Pech
- Beinahe hätte der zweite Ex-Waldhöfer in Ulmer Diensten den Mannheimer Partycrasher gegeben. Der spät eingewechselte André Becker zielte in der vierten Minute der Nachspielzeit haarscharf am Tor vorbei .
- „Es war Pech dabei, dass der Ball einen Millimeter am Pfosten vorbei und nicht auf die andere Seite ging“, sagte der in Heidelberg aufgewachsene Stürmer , der in der Rückrunde der abgelaufenen Saison für den SVW auflief – und sich wie Seegert herzlich mit seinen Ex-Kollegen austauschte.
Für den Zweitliga-Absteiger aus Ulm, der bereits die dritte Niederlage kassierte, wäre ein Punkt nicht unverdient gewesen. Viel konkretere Chancen als jene von André Becker (90.+4) erspielte sich der in Hälfte zwei drückende SSV jedoch nicht. Die besseren Torszenen hatte der SVW, der in einem spielerisch erneut überzeugenden ersten Durchgang durch Felix Lohkemper (2., Foulelfmeter) und Kennedy Okpala (32.) zweimal in Führung ging – und sich das 1:1 durch Elias Löder (17.) mit einem verunglückten Ferati-Rückpass quasi selbst einschenkte. „Wir hatten auch vier, fünf Chancen in den letzten zehn Minuten“, erkannte Keeper Thijmen Nijhuis: „Wir haben es uns selber etwas schwergemacht.“ Coach Holtz urteilte ähnlich: „In den letzten Minuten müssen wir das 3:1 machen.“
Wie beim 2:0 gegen Viktoria Köln eine Woche zuvor musste der Waldhof bis zum Schlusspfiff um den Sieg zittern. Dass am Ende wieder ein Dreier stand, machten die SVW-Akteure unisono als Qualitätsmerkmal aus. „Wir haben in den zwei Spielen echt Qualität gezeigt, vor allem in der ersten Halbzeit – und wir haben es wieder über die Bühne gebracht. Das muss man uns auch hoch anrechnen, wenn der Gegner richtig Druck macht“, sah Ferati ein Kollektiv, das „mit Herz und Leidenschaft“ verteidigte.
Sietan wünscht sich eine sorgenfreie Saison
Seegert-Spezi Sietan und Coach Holtz unterstrichen unabhängig voneinander, dass „man sich das Quäntchen Glück auch erarbeiten“ könne. „Da muss man den Fußballgott auf seine Seite holen. Anscheinend tun wir das“, glaubt Sietan. „Ich habe den Jungs in der Pause gesagt: Es wird auch um Leidensfähigkeit gehen“, verriet Holtz: „In der 3. Liga wird fast jedes Spiel so sein. Die Spiele sind alle sehr, sehr eng. Da muss man fighten können. Das haben wir gemacht.“
Ein erneuter Fehlstart, der nach nur einem Punkt aus den ersten zwei Spielen gedroht hatte, ist abgewendet. Mit sieben Zählern findet sich der SVW vor der Länderspielpause gar in lange nicht mehr erforschten Tabellengefilden wieder. „Das fühlt sich viel besser an. Wenn du in dieser Liga einen Lauf über eine längere Zeit hast, kannst du was erreichen“, meinte Sietan – ordnete aber sogleich ein: „Dann hast du zumindest keine Sorgen. Die wollen wir in dieser Saison auch nicht haben.“
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