Mannheim. Es waren gespenstische Szenen an diesem kalten Freitagabend. Verbitterung, Entsetzen, Agonie, Abstiegsangst. Als die Profis des SV Waldhof nach der 1:2-Niederlage gegen den SC Verl langsam in Richtung der Fankurve auf der Otto-Siffling-Tribüne gingen, schlug ihnen der geballte Frust entgegen. „Wir sind Mannheimer und ihr nicht“, skandierten die Anhänger. Und: „Kompp muss weg.“ Die Spieler drehten daraufhin um, zum direkten Kontakt mit den Fans kam es im Gegensatz zu den Vorwochen nicht mehr.
Der SV Waldhof ist Ende November 2023 am absoluten Tiefpunkt seit der Rückkehr in den Profifußball vor viereinhalb Jahren angekommen. „Dass die Fans unzufrieden sind und nicht mehr weiter wissen, ist doch klar. Wir sind in einer grenzwertigen Situation. Für uns als Spieler, für jeden im Verein. Das steckt jetzt tief in den Klamotten drin. Wir brauchen einfach einen Sieg“, sagte Verteidiger Julian Riedel nach einem Spiel, das alle fußballerischen Probleme dieses verunsicherten Teams in 90 Minuten komprimierte. Der gute Beginn mündete diesmal sogar in eine 1:0-Führung durch Eigengewächs Kennedy Okpala bei seinem Startelf-Debüt (12.). Doch am Ende, nach einem in der zweiten Halbzeit in jeder Hinsicht erschreckenden Mannheimer Auftritt und zwei Verler Treffern durch ein Eigentor von Malte Karbstein (49.) und Lars Lokotsch (63.) stand die bittere Erkenntnis: Der SV Waldhof ist in der 3. Liga in seiner aktuellen Verfassung nicht wettbewerbsfähig.
Die nackten Zahlen des Horror-Herbstes herunterzubeten, tut jedem mit blau-schwarzem Herzen weh, aber es hilft ja nichts. Seit nunmehr neun Pflichtspielen wartet der SVW auf einen Sieg, in der Liga haben die Kurpfälzer in den sieglosen Monaten Oktober und November nur zwei von 24 möglichen Punkten geholt. Statt den Kontakt an die unteren Mittelfeld-Plätze zu halten, droht der Drittletzte in der Tabelle sogar noch weiter nach unten durchgereicht zu werden.
Mannheimer präsentieren sich wie ein Absteiger
„Ich habe als Spieler schon schwierige Phasen erlebt, aber als Trainer ist es sicher die schwierigste Phase“, sagte Coach Rüdiger Rehm zu fortgeschrittener Stunde im Presseraum des Carl-Benz-Stadions. Der 45-Jährige wirkte angefasst, genau wie Mittelfeld-Mann Baxter Bahn, dem kurz vorher beim „MagentaSport“-Interview beinahe die Tränen in die Augen schossen. „Wenn wir keine Ergebnisse liefern, ist es klar, dass jeder schlecht über die Mannschaft redet. Wir hauen uns immer rein und nehmen uns jede Woche vor, dass sich das verdammte Blatt wendet“, sagte er. Das tut es aber nicht.
Weil die Mannschaft es nicht schafft, stabil über die gesamte Spielzeit eine drittligataugliche Leistung abzurufen. Weil ein Dorfverein mit kleinen Mitteln wie Verl mittlerweile auf zentralen Positionen bessere Qualität auf den Platz bringen kann. Weil Trainer Rehm nicht dazu in der Lage scheint, von außen mit Umstellungen oder Wechseln korrigierend einzuwirken, wenn eine Partie zu kippen droht. Wie gegen Verl, als sich das zu Beginn der zweiten Halbzeit über den SVW hereinbrechende Unheil schon in den Minuten vor der Pause andeutete, die Appelle des Coachs in der Kabine aber ganz offensichtlich versandeten. Im desolaten zweiten Abschnitt präsentierten sich die Mannheimer wie ein Absteiger.
Was zur Frage überleitet, ob nicht ein neuer Trainer versuchen sollte, die festsitzende Blockade im Team zu lösen. Interessant an der Reaktion der Fans war die Tatsache, dass von der OST nicht die sofortige Entlassung von Rehm, sondern die des stark umstrittenen Geschäftsführers Markus Kompp gefordert wurde. Das ist ungewöhnlich, zeigt aber, dass sich die dramatische Schieflage beim Traditionsverein offenbar längst nicht nur auf die sportliche Krise beschränkt.
Krisengespräche laufen
Das Vertrauen der Vereinsführung in Rehm bröckelt aber selbstverständlich mit jeder neuen Niederlage weiter. Konsequenzen zeichnen sich aber weiterhin nicht ab. Am Samstagmorgen leitete Rehm das Regenerationstraining am Alsenweg mit den Profis, die gegen Verl nur wenig oder gar nicht gespielt hatten. Um 10:37 betrat der Heilbronner mit einer blauen Wollmütze den Trainingsplatz und führte Gespräche mit seinem Assistenten Mike Krannich. Es ist aber auch weiterhin nicht per se ausgeschlossen, dass der Trainer geopfert wird, um die Stimmung in Richtung Präsident Bernd Beetz bei der Mitgliederversammlung am Montag zumindest nicht überkochen zu lassen. Die Krisengespräche an der Vereinsspitze laufen, eine Anfrage zur Stellungnahme an Beetz blieb bis Samstagmittag unbeantwortet.
Der weiter amtierende Waldhof-Coach verwies am Freitagabend darauf, dass bei Fragen zu seiner Zukunft andere im Verein die richtigen Ansprechpartner seien. „Das braucht ihr mich nicht zu fragen. Ich spüre absolutes Vertrauen“, sagte der angeschlagene Trainer, fügte jedoch auch hinzu: „Das Profigeschäft ist das Profigeschäft. Es nützt nichts, dass jetzt so noch zehn Wochen durchzuziehen. Wir brauchen Erfolge, egal wie. Der Waldhof muss Ergebnisse bringen, die Situation ist hochbrisant.“ Die Negativserie zermürbe ihn zwar, einen eigenen Rückzug schloss Rehm allerdings kategorisch aus. „Soll ich jetzt sagen: Ich gebe auf? Niemals. Das habe ich als Spieler nicht getan und auch nicht als Trainer“, sagte der 45-Jährige. Er sei weiter bereit, die „Ärmel hochzukrempeln“, um den Verein aus der Krise zu führen.
Die bedienten Waldhof-Fans hatten zu diesem Zeitpunkt das Stadion in Neuostheim schon verlassen. Der zurzeit verletzte Kapitän Marcel Seegert zeigte Verständnis dafür, dass sich die Fans von der Mannschaft abwenden. „Ich glaube, dass wir ein sehr geduldiges Publikum haben. Da muss schon viel zusammenkommen, dass so eine Reaktion von den Fans kommt“, sagte Seegert nach dem Abpfiff gegen Verl. „Die Fans haben uns während des Spiels 90 Minuten lang unterstützt und danach ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Da kann ich sie schon verstehen.“
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