Mannheim. Das Echo in den Fanforen und den sozialen Medien fiel verheerend aus: Die Anhänger des SV Waldhof taten über das Wochenende in teils harschen Worten ihren Unmut über die Krise bei ihrem Lieblingsverein kund, der durch den desolaten Auftritt bei der 1:3 (1:2)-Niederlage gegen Borussia Dortmund II am Freitagabend und dem 3:2-Sieg des VfB Lübeck gegen Viktoria Köln am Samstag auf einen Abstiegsplatz in der 3. Liga stürzte. Seit vier Spielen warten die Mannheimer auf einen Sieg, der Trend in den vergangenen Wochen fällt besorgniserregend aus. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur prekären Situation beim SVW.
So schlecht wie nie seit der Rückkehr in den Profifußball: Wie reagiert Waldhof-Präsident Bernd Beetz auf den Niedergang in dieser Saison?
Erstmal gar nicht. Über seinen Medienberater ließ der SVW-Investor, der sich zurzeit in New York befindet, am Samstagabend ausrichten, dass er sich vorerst nicht zur sportlichen Krise äußern wolle.
Wo liegen die fußballerischen Probleme, die zum gefährlichen Status Quo geführt haben?
Probleme klingt leicht untertrieben. Gegen Dortmund und auch zuvor in Bielefeld (1:3) klappten die einfachsten Dinge nicht mehr. Ob Defensive, Mittelfeld oder Angriff – abgesehen vom guten Torhüter Jan-Christoph Bartels wirkt zurzeit kein Mannschaftsteil konkurrenzfähig. Die Offensive ist ein laues Lüftchen, der aus dem Spiel heraus die Ideen sowie Automatismen komplett fehlen und die trotz vorhandener Geschwindigkeit auf den Außenbahnen keinen Umschaltfußball beherrscht.
Im Mittelfeld ist Ballsicherheit und Struktur ein Fremdwort (der SVW spielt die meisten Fehlpässe der Liga!), und in der Abwehr hat Rehm vieles probiert, aber keine Lösung für eine neue Stabilität gefunden. Die Unterlegenheit in Luftduellen ist frappierend, 22 Gegentore in 12 Partien (im Schnitt 1,83) sind die Zwischenbilanz eines Absteigers. „Zu Null“ spielte der SVW in dieser Saison noch nie.
Ist diese junge Mannschaft der speziellen Drucksituation Abstiegskampf mental überhaupt gewachsen?
Lassen wir darauf zunächst Trainer Rehm antworten: „Das wird sich zeigen.“ Es sind aber erhebliche Zweifel angebracht, dass dieses Team Abstiegskampf kann. Eine funktionierende Hierarchie oder Achse hat sich bisher nicht herausgebildet, die wenigen potenziellen Führungsspieler wie Laurent Jans, Marcel Seegert, Baxter Bahn oder Pascal Sohm sind aktuell auch mit ihrer eigenen Form beschäftigt. „Wir haben nicht nur junge, sondern auch erfahrene Spieler, die jetzt in die Bresche springen müssen“, forderte Rehm. Das hörte sich ein bisschen nach dem Prinzip Hoffnung an. Zumal Kelvin Arase in Bielefeld einen Satz sagte, der nachdenklich stimmt, wenn es jetzt ans Eingemachte geht, um sich zumindest aus dem schlimmsten Schlamassel zu befreien: „Vielleicht sind wir ein bisschen zu lieb.“
Welchen Anteil hat Trainer Rehm an der momentanen Misere?
Der neue Trainer kämpft natürlich mit der qualitativ unzureichenden und unausgewogenen Zusammenstellung des Kaders. Rehms Plädoyer für Geduld nach dem großen Umbruch ist nachvollziehbar, sein Kredit noch nicht aufgebraucht.
Frei von Schuld ist der Ex-Waldhof-Profi aber sicher nicht. Auch wenn man ein Verfechter des Leistungsprinzips ist, bleibt der Umgang mit Kapitän Seegert fragwürdig. Die vielleicht letzte Identifikationsfigur der Mannschaft wurde im Zweifel auf die Bank gesetzt, auch wenn die Leistungen anderer Innenverteidiger nicht auffällig besser waren.
Im bislang gescheiterten Bemühen, die Defensive mit verschiedensten Ansätzen irgendwie zu stabilisieren, hat Rehm mit unzähligen Personal- und Systemwechseln zweifelsohne auch einen Beitrag an der unübersehbaren Verunsicherung. Es wirkt, als habe sich der 44-Jährige ein bisschen verzettelt – und die Weiterentwicklung der Offensive vernachlässigt. In der Konsequenz ist kein tragfähiges Konzept mehr erkennbar, wie der SVW überhaupt zu Torerfolgen kommen will.
Steht Sportchef Tim Schork bei vielen Fans zurecht in der Kritik?
Ja, die Schonfrist für den jungen Manager ist abgelaufen. Die Mannschaft, die jetzt auf dem Platz steht, ist fast komplett von Schork zusammengestellt worden. Das Ergebnis sieht ernüchternd aus. Es fehlt an Qualität, an Erfahrung, auch an Fantasie für eine bessere Zukunft.
Schork hat in den vergangenen beiden Jahren vergleichsweise teure Transferflops wie Daniel Keita-Ruel sowie Berkan Taz zu verantworten, und hat vor dieser Saison viel zu viele Mitläufer und Kaderfüller geholt. Wenn sich die sportliche Situation weiter zuspitzen sollte, steht der Sportgeschäftsführer dafür in der Verantwortung.
Gibt es auch abseits des Rasens Probleme beim SVW?
Einige. Mäzen Beetz hat sich in der Stadionfrage verrannt. Sein Versuch, die legitime Forderung nach einem Neubau als eine Drohkulisse indirekt mit den von ihm bereitgestellten finanziellen Mitteln im Tagesgeschäft zu verknüpfen, droht zu einem Bumerang zu werden. In der Regionalliga braucht der Waldhof sicher kein neues Stadion. Beetz muss im Winter unbedingt neues Geld für Verstärkungen in die Hand nehmen, um das Schlimmste zu verhindern.
Und dass der Präsident weiter in Nibelungentreue zum umstrittenen Geschäftsführer Markus Kompp hält, der es in sieben Jahren Amtszeit nicht einmal ansatzweise geschafft hat, den SVW wirtschaftlich auf eigene Beine zu stellen, versteht im Umfeld des Vereins kaum noch jemand. Auch die gravierenden Defizite an der Spitze der hochverschuldeten Spielbetriebs-GmbH erschweren erfolgreiche sportliche Aufbauarbeit.
Was macht Hoffnung auf kurzfristige Besserung?
Gegenfrage: Vielleicht der nächste Gegner? Die SpVgg Unterhaching ist nach einem guten Saisonstart zuletzt ebenfalls in eine Negativspirale geraten. Aus den vergangenen acht Partien holte der Aufsteiger nur noch einen Sieg und sieben Punkte. In der Münchner Vorstadt kommt es am Freitag (19 Uhr) zum Duell der Verunsicherten. Trainer Rehm bewegte sich nach dem Dortmund-Waterloo schon leicht im Bereich der Durchhalteparolen. „Nächste Woche in Unterhaching gilt es, alles daran zu setzen, diesen ominösen Bock umzustoßen und wieder in die Spur zu kommen. Wir haben nicht die absolute Superkrise, sind aber in einer kritischen Situation“, sagte er.
Baxter Bahn könnte als potenzieller Stabilisator nach Rückenproblemen in die Startelf zurückkehren, Fridolin Wagner fällt mit seiner Knieverletzung weiter aus. Ansonsten müssen es die richten, die es auch verbockt haben. Erste Aufgabe wird in den kommenden Wochen sein, eine gewisse Kompaktheit in die zuletzt vogelwilde Defensive zu bekommen und über die Grundtugenden wie Leidenschaft und Mentalität wieder in die Nähe von Punktgewinnen zu gelangen. Mehr ist zeitnah wohl nicht drin. Nach Haching geht es gegen Duisburg und Essen. Drei Konkurrenten auf Augenhöhe, gegen die Punkte Pflicht sind.
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