Mannheim. Der Begriff „Zeitenwende“ wurde in den vergangenen Monaten fast schon etwas überstrapaziert und ob ein Kapitänswechsel bei einem Fußball-Drittligisten dieser Dimension überhaupt entspricht, ist noch einmal eine ganz andere Frage. Doch wenn jemand wie Marcel Seegert beim SV Waldhof nicht mehr Kapitän ist, ist das zumindest eine Zäsur. 315 Spiele für die Blau-Schwarzen hat „Cello“ mittlerweile auf dem Profi-Buckel, seit der Saison 2020/21 führte der gebürtige Mannheimer sein Team als Kapitän aufs Feld. Doch wenn der Waldhof am Samstag (14 Uhr, Carl-Benz-Stadion) gegen den SC Verl in die neue Spielzeit startet, wird diese Rolle Lukas Klünter übernehmen.
Viele Fans des Drittligisten werden sich also umgewöhnen müssen. Wenn Seegert auf dem Feld stand, war die Kapitänsbinde in den vergangenen fünf Jahren praktisch das logische Accessoire des Innenverteidigers. Doch die Entscheidung pro Klünter kommt nicht unbedingt überraschend. In der vergangenen Saison hatte Seegert schon lange keine Stammplatz-Garantie mehr, zeitweise übernahmen deshalb Felix Lohkemper oder der ebenso erfahrene Klünter die Rolle des Mannschaftsführers. Klünter sogar 13 Mal, die Beförderung des ehemaligen Bundesliga-Profis und Abwehrstabilisators war der logische Schritt und Seegert steht nun keinesfalls im Abseits: Er gehört wie fünf weitere Profis dem Mannschaftsrat des SVW an und auch Trainer Dominik Glawogger betonte am Donnerstag nochmals den Stellenwert des 31-Jährigen.
„Marcel ist eine absolute Identifikationsfigur“
„Marcel ist eine absolute Identifikationsfigur und hat weiter eine Bedeutung für diese Mannschaft mit der Art und Weise, wie er jeden Tag das Trainingsgelände betritt, wie er im Training agiert, wie er sich mit seinen Gedanken einbringt und wie er mit Leistung vorangeht, wenn er gebraucht wird“, beschrieb Glawogger den Ur-Waldhöfer. Seegert teilt dabei ein bisschen das Schicksal von Terrence Boyd, dem Glawogger ebenfalls ein paar verbale Lorbeerkränze für die Verdienste in der Vergangenheit band. Doch was die Gegenwart betrifft, muss sich auch der 34-Jährige wie zuletzt bei der Generalprobe gegen den FC Emmen (2:2) wohl eher mit der Zuschauerrolle begnügen.
Coach Glawogger attestierte dem Stürmer allerdings eine professionelle Reaktion und schreibt den wuchtigen Stoß-Stürmer keinesfalls ab: „Er ist ein Top-Charakter mit speziellen Qualitäten, die für eine Mannschaft wichtig sind und ich würde mir wünschen, dass er weiter dranbleibt und wir im Lauf der Saison noch viele Momente sehen, wo er uns mit seiner Art und Weise zu spielen, noch helfen kann.“ Möglicherweise passiert das sogar schneller als gedacht, denn neben Maximilian Thalhammer steht für die Auftakt-Partie gegen den SC Verl auch hinter Angreifer Kennedy Okpala noch ein Fragezeichen.
Keine Verpflichtung von Keeper Kevin Broll
Die Startelf wird sich dabei an die Formation anlehnen, die in den abschließenden drei Tests auf dem Rasen stand, auch auf der Torwartposition wird es keine Überraschungen geben. Der SVW geht mit Lucien Hawryluk als Nummer eins und dem 21-jährigen Jan Niemann als Stellvertreter in die Saison. Und seit Donnerstag ist auch klar, dass dieses Trio nicht vom erfahrenen Ex-Waldhöfer Kevin Broll (29) verstärkt wird. Broll habe in der zurückliegenden Woche zwar einen guten Eindruck hinterlassen, man habe dem Keeper aber mitgeteilt, dass der SV Waldhof von einer Verpflichtung absehen wird. Um im Training weiter mit drei Schlussleuten agieren zu können, will sich der Profi-Kader vorerst aus der eigenen U 21 bedienen.
Nachdem Personalfragen dieser Art also vorerst an den Rand rücken, geht der Fokus bei den Blau-Schwarzen nun ganz auf den Start gegen Verl, der nach dem starken siebten Platz in der Vorsaison mal wieder einen großen Umbruch zu bewerkstelligen hat. Leistungsträger wie Lars Lokotsch und Marcel Benger hat es in die 2. Liga gezogen, dazu gehen die Ostwestfalen auch noch mit einem neuen Trainer (Tobias Strobl) und einem neuen Sportchef (Zlatko Janjic) an den Start. Die Art und Weise, wie beim SC Fußball gespielt wird, habe sich deshalb aber nicht verändert, beschreibt Waldhof-Trainer Glawogger seine Beobachtungen: „Es hat sich so gut wie gar nichts geändert – sowohl in der Grundordnung als auch im Auftreten. Vielleicht gibt es bei den Standards ein paar neue Muster, aber man merkt schon, dass der Verein hier jemanden ausgesucht hat, der den eingeschlagenen Weg fortführen soll.“
Generell möchte der Waldhof laut Glawogger aber zuerst auf sich selbst schauen und den Fans einen Fußball bieten, den diese sehen wollen. „Die wollen bedingungslosen Einsatz, die wollen ein Team, das auch in schwierigen Phasen zusammenhält“, beschrieb Glawogger die Erwartungshaltung auf den Rängen, der er auf jeden Fall gerecht werden will. „Ich habe auf jeden Fall Bock auf das Spiel“, sagte Glawogger, der sich wie gewohnt auf keine konkrete Zielsetzung festnageln ließ. Doch das scheint zumindest die Fans nicht zu beeindrucken, die wohl einfach auf bessere Zeiten hoffen und sich offensichtlich ebenfalls auf die neue Saison freuen: Mit 4200 verkauften Dauerkarten stellte der SV Waldhof einen clubinternen Rekord für die 3. Liga auf.
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