Mannheim. Es lief schon die zweite Minute der Nachspielzeit, als die Rückkehr von Bernhard Trares ins Carl-Benz-Stadion noch den perfekten Schlussmoment bereithalten sollte. Nach einem Eckball traf Lukas Klünter aus 16 Metern nur den Pfosten, doch Terrence Boyd setzte den Abpraller wuchtig zum 3:2 (1:1)-Siegtreffer des SV Waldhof gegen den VfL Osnabrück ins Netz. Direkt vor der Otto-Siffling-Tribüne, wo der harte Kern der SVW-Fans förmlich ausrastete. Der erste Saisonsieg unter dem neuen Trainer wirkte wie ein emotionaler Befreiungsschlag, eine Erlösung. In der Tabelle sprangen die Mannheimer mit dem ersten Sieg vor den verbleibenden Partien des Spieltags mit nun fünf Punkten vom letzten auf den 16. Platz.
Sieg gegen Osnabrück: Comeback von SV-Waldhof-Coach Trares nichts für schwache Nerven
„Die Erleichterung ist riesig. Das war wieder ein Wechselbad der Gefühle. Es war einfach so wichtig, dieses Spiel zu gewinnen. Man hat gemerkt, dass wir am Ende mehr Energie hatten. Der Sieg geht in Ordnung, weil es eine Willensleistung von uns war“, sagte Matchwinner Boyd. Das Comeback von Aufstiegstrainer Trares auf der SVW-Bank war nichts für schwache Nerven. Die Mannheimer 1:0-Führung durch Felix Lohkemper (22.) drehte Osnabrück mit Toren von Joel Zwarts (25.) und Lars Kehl (55.). Maximilian Thalhammer glich wieder aus (76.), bevor Boyds 3:2 in der Nachspielzeit das Carl-Benz-Stadion beben ließ. Die komplette Waldhof-Bank stürmte nach dem 3:2 in Richtung des Torschützen – gemeinsam feierte das Team die Erlösung nach schweren Wochen.
Das Spiel in der Übersicht
SV Waldhof: Bartels - Klünter, Seegert, Matriciani, Voelcke (46. Sechelmann) – Benatelli (46. Thalhammer), Rieckmann – Lohkemper (81. Arase), Kobylanski, Shipnoski (70. Abifade) – Okpala (46. Boyd).
VfL Osnabrück: Richter - Niehoff, Beermann, Karademir, Conus (84. Gyamfi) - Gnaase, Wiemann, Kehl (77. Beyer) – Zwarts (77. Tesche), Engelhardt, J. Wulff (84. Müller).
Tore: 1:0 Lohkemper (22.) 1:1 Zwarts (25.) 1:2 Kehl (55.) 2:2 Thalhammer (76.) 3:2 Boyd (90.+2).
Beste Spieler: Lohkemper, Abifade/Gnaase, Engelhardt.
Gelbe Karten: Matriciani/Kehl, Gyamfi.
Schiedsrichter: Robin Braun (Wuppertal).
Zuschauer: 9926.
Nächstes Spiel: Alemannia Aachen – SV Waldhof, Mittwoch, 19 Uhr.
„Für diese Momente macht man das“, sagte Trares nach seinem Traum-Einstand. Allerdings sah der neue Coach, der am Mittwoch als Nachfolger von Marco Antwerpen nach Mannheim zurückgekehrt war, auch noch viel Verbesserungspotenzial. „In der ersten Halbzeit sind wir gar nicht ins Spiel gekommen, da hat Osnabrück uns hergespielt. Man sieht schon, dass die Mannschaft noch verunsichert ist, dass der Glaube und die Selbstsicherheit noch nicht da ist“, meinte Trares. Doch in der zweiten Halbzeit habe sein Team dann leicht „die Nase vorne und am Ende auch das nötige Spielglück gehabt“.
Torjäger Boyd zunächst nur auf der Bank
Trares‘ erste Startelf-Nominierung beim SVW seit dem Juli 2022 wartete mit einer Überraschung auf: Torjäger Boyd saß zunächst nur auf der Bank, für ihn begann Kenndy Okpala in der Sturmspitze. Im Vergleich zum 1:1 in Rostock, dem letzten Spiel unter Marco Antwerpen, rutschte außerdem Nicklas Shipnoski (für Samuel Abifade) in die erste Elf. Ansonsten verzichtete Trares auf großflächigere personelle Umbaumaßnahmen. „Terrence ist ein wahnsinnig wichtiger Spieler für uns, der schon viele wichtige Tore gemacht hat. Unser Gefühl war aber, dass wir heute eine wahnsinnige Energie im Anlaufen brauchen. Deshalb spielt der junge Kenny“, begründete Trares seine Personalrochade. Boyd wurde zur zweiten Halbzeit eingewechselt.
Der alte und neue Waldhof-Coach hatte bereits gemahnt, dass er keinen „Zauberstab“ besitze – es werde dauern, bis die fußballerischen Probleme dieser Mannschaft gelöst seien. Die erste Halbzeit bestätigte diese Aussage.
SV Waldhof muss sich in die Partie arbeiten
Der SVW wirkte nach dem Antwerpen-Aus nicht befreit, sondern musste sich in die Partie arbeiten. Bei den Mannheimern blieb vieles Stückwerk, der Trares-Effekt war noch nicht zu sehen. Das Bemühen um spielerische Lösungen und aggressives Pressing war unübersehbar – nur klappte halt nicht besonders viel. Da Osnabrück zwar die reifere Spielanlage zeigte, aber weitgehend harmlos blieb, entwickelte sich eine Partie auf überschaubarem Niveau ohne große Höhepunkte.
Bis in die 22. Minute. Da steckte Julian Rieckmann am linken Flügel auf Sascha Voelcke durch, dessen punktgenaue flache Hereingabe Felix Lohkemper nur noch aus kurzer Distanz mit der Innenseite über die Linie bugsieren musste. Die Waldhof-Führung hatte sich wahrlich nicht angekündigt, war aber schön herausgespielt. Mit dem emotionalen Verstärker durch das 1:0 im Rücken war das Publikum voll da – und das Momentum auf Mannheimer Seite.
Doch die Freude währte nur kurz. Der bis dahin formverbesserte Henning Matriciani ließ Niklas Niemann flanken, in der Mitte schoss Joel Zwarts zum schnellen Ausgleich ein (25.). Ein Gegentor, mit dem der SVW zu kämpfen hatte.
Verkorkster Saisonstart hinterlässt Spuren beim SV Waldhof
Nach einem Fehler in der Osnabrücker Hintermannschaft tauchte Shipnoski noch einmal in aussichtsreicher Position vor dem VfL-Tor auf, wurde aber effektiv bedrängt (39.). Ansonsten merkte man den Kurpfälzern an, dass der völlig verkorkste Saisonstart Spuren beim Tabellenletzten hinterlassen hatte. „Man sieht, die Jungs haben noch ein bisschen die Verunsicherung drin, auch das Tor hat nicht richtig geholfen. Es ist ein Prozess, das geht nicht in zwei, drei Tagen. Aber trotzdem brauchen wir mehr Mut“, sagte Sportchef Anthony Loviso in der Pause bei „MagentaSport“.
Schon direkt nach dem Abpfiff der ersten Halbzeit beorderte Trares Boyd, Maximilian Thalhammer und Tim Sechelmann zu sich – nach der Pause kam es zu einem Dreifachwechsel. Okpala, Voelcke und Rico Benatelli mussten runter. Boyd hatte – auf Zuspiel von Shipnoski – gleich eine gute Abschlussgelegenheit, verzog mit links aber knapp (49.).
Doch dann verlor der eingewechselte Ex-Osnabrücker Thalhammer fahrlässig den Ball an Lars Kehl, Matriciani und Seegert ließen den Osnabrücker gewähren – und der setzte aus 16 Metern einfach mal einen Schuss ab. Bartels war chancenlos, es stand 1:2 (55.). Zwischenzeitlich wich die kleine Trares-Euphorie auf den Rängen schon wieder Unruhe.
„Der erste Sieg, endlich!" SV Waldhof Mannheim mit 3:2 gegen VfL Osnabrück
Boyd und Kobylanski kombinierten sich einmal zu einer passablen Gelegenheit, VfL-Keeper David Richter riss die Fäuste hoch (64.). Richtig Druck aufzubauen, schafften die Mannheimer aber nicht. Der mittlerweile eingewechselte Samuel Abifade flankte einmal lang auf Boyd, dessen Direktübernahme drüber ging (72.). Der starke Abifade belebte den linken Flügel – seinen abgefälschten Ball bekam Richter zu packen (74.). Zwei Minuten später verpasste Lohkemper Abifades scharfe Hereingabe. Die folgende Ecke stellte der starke Joker wieder scharf, in der Mitte stand Thalhammer frei – und machte seinen Fehler vor dem 1:2 mit dem Ausgleichstreffer wieder gut (76.).
Doch im Gegensatz zu den bisherigen Partien in dieser Saison hatten die Mannheimer noch etwas entgegenzusetzen. Eigener Eckball Kobylanski, Klünter, Pfosten, Boyd, pure Glückseligkeit. „Der erste Sieg, endlich! Die Jungs haben sich in der zweiten Halbzeit belohnt. Ich bin einfach nur glücklich. Es war keine einfache Zeit. Aber die Jungs haben gezeigt, dass sie Charakter haben, was phasenweise mal angezweifelt worden ist“, sagte Sportchef Loviso.
Nach dem Abpfiff nahm Rückkehrer Trares den jungen Manager in den Arm, bevor vor der Otto-Siffling-Tribüne der erste Heimsieg seit Mai euphorisch gefeiert wurde. Die Mannheimer fahren mit Rückenwind zum Spiel bei Aufsteiger Alemannia Aachen am Mittwoch (19 Uhr).
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