Bundesliga-Serie

Beim VfB Stuttgart bleibt der große Ausverkauf aus

Die Stuttgarter Ausnahmesaison wird nicht ohne Folgen bleiben, hatten Skeptiker schon geunkt. Doch das Erfolgsteam des VfB ist mit drei Ausnahmen zusammengeblieben und wurde sinnvoll verstärkt. Das könnte erneut für oben reichen

Von 
Max Ott
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Publikumsliebling Deniz Undav wollte nur beim VfB bleiben und will nun an die Sensationssaison anknüpfen. © Bernd Thissen/dpa

Stuttgart. Wären in der vergangenen Spielzeit nicht die unbesiegbaren Double-Sieger aus Leverkusen gewesen, hätte es wohl keine zwei Meinungen gewesen, welche Mannschaft das Überraschungsteam schlechthin in der Bundesliga war. Der VfB Stuttgart kam am Ende als Zweiter und damit als Vizemeister über die Ziellinie – mit der besten Punkteausbeute der Vereinsgeschichte. Und das obwohl die Schwaben in der Bundesliga 1984, 1992 und 2007 auch schon Deutscher Meister waren.

Wenn ein deutlich schwächer eingeschätztes Team dermaßen überperformt, greift eigentlich ein Fußball-Gesetz. Und zwar, dass die größeren Fische im Bundesliga-Becken über die Leistungsträger der Überraschungsmannschaft herfallen und sie wegkaufen. Das war beim VfB in der Sommerpause nicht anders – und doch sind auch einige Topspieler geblieben.

Wo ist denn nun der große Ausverkauf geblieben?

Man sucht ihn bis heute. Was wurde nicht alles darüber gesprochen, welche Spieler den Vizemeister in diesem Sommer verlassen werden. Von einem XXL-Ausverkauf war die Rede. Und was ist passiert? Weniger als befürchtet. Hiroki Ito (Bayern München), Waldemar Anton und Serhou Guirassy (beide Borussia Dortmund) haben zwar das Weite gesucht. Doch alle anderen Erfolgsgaranten wie etwa Angelo Stiller, Chris Führich oder Enzo Millot haben erkannt, dass das Gras andernorts auch nicht grüner ist, und tragen deshalb auch künftig das Trikot mit dem roten Brustring. Zudem konnten auch Keeper Alexander Nübel und Nationalspieler Deniz Undav gehalten werden. Ein starkes Zeichen.

Was bedeutet die Rückkehr von Deniz Undav?

Dass der Publikumsliebling und Leistungsträger bleibt, ist ein Meilenstein in der Kaderplanung. Bemerkenswert wie Undav, der nach ewigem Hin und Her schließlich für rund 27 Millionen Euro plus Bonuszahlungen fest nach Bad Cannstatt wechselte, öffentlich immer wieder betonte, dass er nur nach Stuttgart wolle, weil dort alles perfekt für ihn sei. Was ist das für eine großartige Liebesbeziehung zwischen ihm und dem VfB geworden? Das führt dazu, dass die Fans den nie um einen frechen Spruch verlegenen Norddeutschen auch künftig vergöttern werden.

Davon bekam man bei der Generalprobe gegen Athletic Bilbao bereits mehr als einen leichten Vorgeschmack. Das war Gänsehaut pur. Sportlich ist der 28-Jährige nach seinen Leistungen aus der Vorsaison – mit der Bilanz von 19 Toren und zehn Vorlagen – sowieso unantastbar. Das künftige Sturmduo mit ihm und dem wuchtigen und dribbelstarken Ermedin Demirovic, der für 21 Millionen Euro aus Augsburg kam, verspricht viel Dynamik, eine große Abschlussstärke und vor allem unbändige Spielfreude.

Wie ist der Kader insgesamt einzuschätzen?

Tatsächlich noch besser als in der vergangenen Saison. Zumindest in der Breite. Nahezu auf jeder Position ist das Team von Erfolgscoach Sebastian Hoeneß doppelt aufgestellt. Gekommen sind vor allem junge und talentierte Spieler mit reichlich Entwicklungspotenzial. Dazu zählen allen voran Nick Woltemade, der alle Anlagen für einen überdurchschnittlich guten Bundesliga-Angreifer mitbringt, und der vom 1. FC Köln ablösefrei verpflichtete Flügelspieler Justin Diehl – einer der talentiertesten deutschen Kicker des Jahrgangs 2004. Oder Frans Krätzig. Die 21 Jahre alte Leihgabe von Bayern München soll links hinten dafür sorgen, dass sich Nationalspieler Maximilian Mittelstädt nicht auf der letztjährigen Erfolgssaison ausruht und sich täglich einem harten Konkurrenzkampf stellen muss. Bei all seinen Sommertransfers hat VfB-Sportvorstand Fabian Wohlgemuth enorme Weitsicht bewiesen.

Welche Spieler könnten überraschen?

Hätte man vor der vergangenen Saison darauf gewettet, dass der VfB Stuttgart gleich vier deutsche EM-Teilnehmer stellt, könnte man sich langsam aber sicher über einen Halbtagsjob inklusive ausgiebiger Freizeitgestaltung Gedanken machen. Anton, Mittelstädt, Führich und Undav – diese Akteure haben so ziemlich jeden überrascht. Wer könnte auf dieses Überraschungsquartett in diesem Jahr folgen? Gute Chancen hat Innenverteidiger Julian Chabot, der wie Diehl aus Köln gekommen ist und der trotz des Abstiegs eine starke Saison auf den Rasen gebracht hat. Der 26-Jährige könnte sich schnell zum neuen Abwehrboss mausern.

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Ebenfalls spannend ist Fabian Rieder. Der Schweizer Nationalspieler wurde im Sommer 2023 von zahlreichen ambitionierten europäischen Clubs umgarnt, konnte sich jedoch nach seinem Wechsel von den Young Boys Bern zu Stade Rennes in Frankreich nicht nachhaltig durchsetzen. Doch der 22-Jährige scheint mit seiner Spielstärke ideal für das Positionsspiel von Hoeneß zu sein. Zudem ist Rieder ein ausgewiesener Standardspezialist.

Aber vielleicht kommt es auch ganz anders und ein Spieler wie Silas bewegt sich nach seiner sehr starken Vorbereitung künftig konstant über eine ganze Saison in Sphären, an die man zuvor noch nicht denken konnte. Das ist ja das Schöne am Fußball: Man weiß nie, wie es kommt. Doch fest steht: Um den VfB muss man sich erst einmal keine Sorgen machen.

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