Interview

„Der VfB und die TSG könnten unterschiedlicher kaum sein“

Andreas Beck hat im Dezember des vergangenen Jahres seine Fußball-Karriere beendet. Im Interview mit dieser Redaktion spricht er über seine beiden Herzensclubs Stuttgart und Hoffenheim sowie über sein Leben nach der Karriere

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Jörg Runde
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Andreas Beck ging fußballerisch beim VfB Stuttgart seine ersten Schritte als Profi. © Fabian Sommer/dpa

Vor Kurzem gab Andreas Beck sein Karriereende bekannt. Im Interview spricht der ehemalige Fußballprofi der TSG Hoffenheim und des VfB Stuttgart über das Duell seiner Ex-Clubs am 34. Bundesliga-Spieltag, die Unterschiede der beiden Vereine, die wichtigsten Persönlichkeiten während seiner Laufbahn und sein neues Leben in Ostbelgien.

Herr Beck, wenn Sie auf ihre 17 Jahre als Fußballprofi zurückschauen. Wie sieht ihr Fazit aus?

Andreas Beck: Zu Beginn meiner Karriere habe ich mir gesagt, wenn ich einmal zurückblicke, dann soll es eine geile Zeit gewesen sein. Und das kann ich definitiv sagen. Mir ging es nie darum, möglichst viel Geld zu verdienen, viele Länderspiele zu haben oder in irgendwelchen Statistiken vorne zu sein. Mir ging es um das wahre Leben und Erfahrungen. Und genau so ist es gekommen. Ich empfinde diese Zeit als riesige Bereicherung und großes Glück.

Die Streichung aus dem WM-Kader 2010 ist vergessen.

Beck: Ja klar. Natürlich war das damals eine riesige Enttäuschung. Rückblickend muss ich aber sagen, dass ich das auch realistisch einschätze. Ich war einfach noch ein junger Bursche, spielerisch noch nicht auf Top-Level. Und von der Persönlichkeit war ich noch gar kein richtiger Mann.

Haben Sie mit ihrem neuen Lebensmittelpunkt Ostbelgien ihren Laufbahnkreis perfekt geschlossen?

Beck: Das Leben hier erinnert mich wirklich ein bisschen an das Leben bei meinen Eltern auf der Schwäbischen Alb. Da fing ja alles an. Die Orte, an denen ich als Fußballer gelebt habe, sind ja ein Spiegelbild meiner Karriere.

Wie meinen Sie das?

Beck: Ich war immer sehr angezogen von Gegensätzen. Wenn ich das Stadtleben hatte wie zu Beginn in Stuttgart, ging es auf meiner nächsten Station mit Hoffenheim und dem Wohnort Heidelberg eher beschaulicher zu. Dann kam mit Istanbul wieder ein krasser Gegensatz. Und jetzt eben Ostbelgien. Wir fühlen uns hier einfach sehr wohl.

Was macht das Leben dort so attraktiv für Sie?

Beck: Es passt einfach zu unserer Lebensphilosophie. Wir sind hier in einem deutschsprachigen Gebiet aber doch im Ausland. Hier kommen verschiedene Kulturen zusammen, verschiedene Sprachen. Das gefällt uns. Meine Frau, meine drei Kinder und ich, wir sind alle in verschiedenen Ländern geboren. Die Region passt einfach zu uns. Dazu kommt die wunderschöne Natur mit einer herrlichen Ruhe.

Andreas Beck

  • Andreas Beck wurde am 13. März 1987 in Kemerowo in Sibirien geboren. 1990 kam er mit seinen Eltern nach Aalen-Wasseralfingen.
  • Dort begann er 1993 bei der DJK SSG mit dem Fußballspielen. Mit zwölf Jahren wechselte Beck zum VfB Stuttgart, für den er 2006 sein Bundesliga-Debüt und ein Jahr später den Meistertitel feierte.
  • 2008 schloss er sich der TSG Hoffenheim an, für die er 216 seiner 290 Bundesliga-Spiele absolvierte. In diese Zeit fielen auch Becks neun Länderspieleinsätze.
  • Die erfolgreichste Zeit seiner Karriere erlebte er bei Besiktas Istanbul, wo er zwischen 2015 und 2018 zwei Meistertitel feierte und sechs Mal in der Champions League auflief. Nach seiner letzten Station KAS Eupen beendete Beck im vergangenen Dezember seine Karriere.

Ihre ehemaligen Bundesliga-Vereine Stuttgart und Hoffenheim verfolgen Sie auch noch intensiv?

Beck: Ja klar.

Am letzten Saisonspieltag treffen beide aufeinander. Und es könnte tatsächlich ein Abstiegsendspiel werden. Wem drücken Sie denn dann die Daumen?

Beck: Das ist eine fiese Frage. In beiden Vereinen habe ich viel erlebt, habe gelitten, gefeiert und habe viele wertvolle Erfahrungen gemacht. Ich habe beiden Vereinen wirklich viel zu verdanken, deshalb hoffe ich, dass mindestens einer schon gerettet ist und der andere mindestens in die Relegation kommt. Denn beiden traue ich es sportlich absolut zu, dort dann erfolgreich zu sein.

Zu welchem Verein habe Sie denn die stärkere emotionale Verbindung?

Beck: Das kann ich wirklich nicht sagen. Es ist natürlich so, dass ich beim VfB meine ersten Schritte im Fußball überhaupt gemacht habe. Da habe ich als Jugendlicher gekickt, bin über die Regionalliga-Mannschaft bei den Profis gelandet. Das ist natürlich eine prägende Zeit.

Und in Hoffenheim?

Beck: Da bin ich dann wirklich im Profifußball angekommen. Das war meine Blütezeit mit tollen Erfolgen wie der Herbstmeisterschaft in meiner ersten Saison, dem EM-Titel mit der U21 und vielen guten Spielen. Aber auch wenn es beide Seiten nicht gerne hören: Beide Clubs nehmen in meinen Herzen einen gleich großen Platz ein.

Was unterscheidet die Clubs denn?

Beck: Der VfB und die TSG könnten unterschiedlicher kaum sein. Hoffenheim ist ein sehr junger Profiverein. Das war gerade zu meiner Zeit echt extrem, weil alles neu und wild war. Der Verein war noch im Wachsen und auf vielen Ebenen unsicher. Anfangs haben wir uns immer gefragt, wie viele Besucher denn zu den Spielen kommen würden. Das war alles sehr professionell gemacht aber irgendwie auch fragil.

Und der VfB auf der anderen Seite?

Beck: Der VfB hat mit seiner Tradition natürlich eine ganz andere Wucht. Im Positiven wie im Negativen. Wenn so ein mächtiger Verein mit den Fans in der Cannstatter Kurve und dem riesigen Umfeld erst einmal ins Rollen kommt, ist er schwer aufzuhalten. Aber wenn es nicht läuft, wird es umso schwieriger. Dann reden plötzlich ganz viele Leute mit, es wird unruhig im Verein und es kann ein Negativlauf entstehen.

Nachhaltiges Arbeiten ist in so einem Umfeld ziemlich schwer.

Beck: In Traditionsvereinen wie dem VfB wird viel Politik gemacht. Wenn dort ein Trainer installiert wird, gibt es genug Personen im Umfeld, denen die Personalie nicht gefällt und die dann mit anderen Ideen um die Ecke kommen. Und wenn dann die Erfolge ausbleiben, wird es schnell wild und unruhig. Solche Entwicklungen gehen an einer Mannschaft auch nicht spurlos vorbei, sie drückt auf das Selbstbewusstsein vieler Spieler. Selbst Bayern München bekommt das ja aktuell zu spüren.

Was kann man gegen solche Entwicklungen tun?

Beck: Wichtig ist, dass die Mannschaft eine so hohe sportliche Qualität hat, dass sie auch an Tagen mit Normalform Bundesliga-Spiele gewinnen kann. Die Zuschauer kommen ja ins Stadion, um mit ihrer Mannschaft Siege feiern zu können. Wenn der Kader dann aber nicht besser ist, als die Hälfte der Liga, dann wird es sportlich hart. Dann reicht vielleicht auch schon mal ein Unentschieden gegen einen Club aus dem Tabellenmittelfeld aus, dass es ungemütlich wird. Vom Abstiegskampf ganz zu schweigen.

Aber genau das Problem hat der VfB ja in dieser Saison.

Beck: In dieser Situation muss es einfach als Erfolg gelten, nicht abzusteigen. Zu mehr ist man aktuell eben nicht in der Lage. Hat sich diese Erkenntnis einmal durchgesetzt, kann die Wucht des Clubs wieder eine große Hilfe sein. Das haben die VfB-Fans ja schon bewiesen. Ich durfte das auch erleben, auch wenn es 2019 am Ende nicht gereicht hat.

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Die TSG Hoffenheim vermittelt zumindest den Eindruck, dass mit kritischen Situationen deutlich entspannter umgegangen wird.

Beck: Die Selbstwahrnehmung ist einfach eine andere. Natürlich geht es auch in Hoffenheim um Erfolge, um Siege, gute Platzierungen. Aber es ist alles etwas unaufgeregter. Die Fan-Basis in jüngeren Vereinen wie Hoffenheim ist weniger hitzig. Außerdem gibt es weniger Ex-Spieler, die zu allem ihre Meinung äußern und damit für Unruhe sorgen. Diese Ruhe kam uns 2013, als wir uns in der Relegation gerettet haben, schon zugute.

Verglichen mit ihrer Station Besiktas Istanbul wirkt das VfB-Umfeld wie eine Oase der Ruhe.

Beck: Ein Verein wie Besiktas hat immer den Anspruch, türkischer Meister zu werden und Champions League zu spielen. Da ist der Druck wirklich brutal. Da ist die Dynamik, die von den Fans ausgeht, wirklich unfassbar groß. Das sind so viele Emotionen. Ich habe die Zeit als unheimlich bereichernd erlebt. Es waren die erfolgreichsten Jahre meiner Karriere. Wir haben zwei Meistertitel gewonnen und haben international gespielt. Und eines macht mich besonders stolz.

Das wäre?

Beck: Oft ist es in der Türkei ja so, du wirst mit Blumen empfangen und nicht ganz so nett verabschiedet, wenn die Leistung nicht stimmt oder die Fans das Gefühl haben, dass man sich nicht genug einsetzt oder identifiziert. Das war bei mir ja überhaupt nicht so. Ich bin mit positiven Gefühlen verabschiedet worden. Und menschlich hat mich die Zeit extrem weitergebracht. Dort bin ich zum Mann geworden.

Mario Gomez, Firmino, Tim Wiese und Vedad Ibisevic waren Ihre Teamkollegen. Welcher Spieler hat Sie als Mensch denn am meisten beeindruckt?

Beck: Mich haben immer Spieler besonders interessiert, die über den Dingen standen. Deren Launen nicht von den Ergebnissen und ihren Leistungen abhingen. Mit ihnen habe ich mich verbunden gefühlt.

Welche Spieler waren das?

Beck: Zwei Torhüter sind mir besonders in Erinnerung geblieben. Am Anfang meiner Karriere habe ich mit Dirk Heinen beim VfB zusammengespielt. Der hatte immer ein Lächeln auf den Lippen, auch wenn er nicht gespielt hat. Und natürlich Heurelho Gomes. Der kam mit großen Ambitionen aus England nach Hoffenheim, saß fast nur auf der Bank, strahlte aber dennoch immer eine große Zufriedenheit aus. Die beiden haben mir echt beeindruckt.

Haben Sie auch echte Freundschaften geknüpft?

Beck: Mit Mario Gomez habe ich schon in der Schulmannschaft zusammengespielt, bin mit ihm bei Besiktas Meister geworden und mit dem VfB abgestiegen. Das verbindet uns. Wir kennen uns gut und schätzen uns auch. Meine echten Freunde sind aber immer noch die Jungs aus meiner Schulzeit. Die mich auf allen meinen Fußball-Stationen besucht haben.

Begleiten diese Freunde Sie auch bei ihrer neuen Leidenschaft, dem Ultra-Trail?

Beck: Das ist eher familiär geprägt. Wir Becks sind alle gute Läufer und harte Arbeiter.

Beruflich werden wir Sie im Fußballgeschäft wiedersehen?

Beck: Ich bin schon mit Anfang 20 einen ungewöhnlichen Weg gegangen, als ich gemeinsam mit meinem Bruder gesagt habe, ich nehme geschäftliche Dinge selber in die Hand. Das hat mir schon einen guten Einblick in das Fußball-Business verschafft. Sponsorensuche, Vertragsverhandlungen, rechtliche Fragen, alles habe ich sehr intensiv mitbekommen und mitbestimmt. Es würde sich für mich seltsam anfühlen, wenn ich dem Fußball nicht verbunden bliebe.

Wohin soll es denn in diesem Bereich gehen?

Beck: Das weiß ich wirklich noch nicht. Ich will noch etwas flanieren, nenne es meine Wanderjahre, in denen ich in die verschiedenen Bereiche reinschnuppere.

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