Hockenheim. Bei der Mitgliederversammlung der Bürgerinitiative Stille Schiene Hockenheim (BISS-Hockenheim) im Stadthallenrestaurant „Rondeau“ gab es zu Beginn einen nachdenklichen Moment: Die Versammlung gedachte des verstorbenen Gründungsmitglieds der Bürgerinitiative Horst Waldmann.
Im Rahmen seines Rechenschaftsberichts für das Geschäftsjahr 2022 ging der BISS-Vorstandsvorsitzende Lothar Gotthardt zunächst nochmals auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs von Mai 2022 ein. Dessen Umsetzung habe bisher kaum Fortschritte gemacht, da der Bahn für die durch das Gericht auferlegte Neuanfertigung eines Lärmgutachtens relevante Betriebszahlen aus den 1980er Jahren fehlen.
Ein Vertreter der Stadtverwaltung Hockenheim ist bei der Versammlung vor Ort
Im späteren Verlauf der Versammlung gab der als Gast und Vertreter der Hockenheimer Stadtverwaltung anwesende Leiter des Fachbereichs Bauen und Wohnen Christian Engel einen konkreteren Überblick über den Stand des Verfahrens. Das Urteil des VGH Mannheim hat das Eisenbahnbundesamt (EBA) verpflichtet, die Lärmschutzgarantie aus dem Planfeststellungsverfahren 1981 zu erfüllen, dabei die Zahlen und Werte von 1987 zugrunde zu legen und bestand auf der kumulierten Betrachtung des Gesamtlärms von Bahn und Straße (B 36). Der Bahn fehlten jedoch sowohl die für das Gutachten wichtigen Zugzahlen als auch die Pkw- und Lkw-Verkehrszahlen aus dem Jahr 1987.
In einem Abstimmungstreffen zwischen Vertretern des EBA sowie der Stadtverwaltung und der BISS habe man sich deshalb darauf geeinigt, dass die bei der Bahn vorhandenen Zahlen aus dem Jahr 2006 für die Erstellung des Gutachtens verwendet werden sollen. Ein weiteres Problem bestehe darin, dass das neue Gutachten auf Wunsch der Bahn auf Basis des Berechnungsverfahrens erstellt werden soll, welches im Jahr 1987 gültig gewesen sei. Sowohl die Bahn als auch die Hockenheimer Stadtverwaltung müssten nun dafür Gutachter ausfindig machen, die mit dem heute nicht mehr verwendeten Berechnungsverfahren einschlägige Erfahrungen nachweisen können. Aufgrund der Komplexität der Problemstellung kann mit der Vorlage des neuen Gutachtens demnach frühestens im Jahr 2024 gerechnet werden. Im Rechenschaftsbericht ging Lothar Gotthardt auch auf die umfassenden weiteren Tätigkeiten des BISS-Vorstands ein. Er wies darauf hin, dass allein die Teilnahme an diversen Dialogforen und Workshops einen hohen zeitlichen Aufwand mit sich brachte. Bei den Dialogforen ging es um die Öffentlichkeitsbeteiligung, die Vorstellung von Planungsprämissen und Verkehrskonzeptionen (wie etwa die Einbindung des Rangierbahnhofs Mannheim und des Güterbahnhofs Karlsruhe), um die Einschätzung sogenannter Raumwiderstände sowie um Umweltaspekte. Im Ergebnis gibt es nun erste grobe Beurteilungen möglicher Linienführungen von immer noch 13 möglichen Varianten, die für den Bau von zwei zusätzlichen Gleisen zwischen Mannheim und Karlsruhe infrage kommen. Hockenheim selbst wäre von zwei Linienführungen direkt betroffen.
Dabei geht es zum einen um eine Linie, die die Gleise von der A 67 kommend im Norden Hockenheims an die A 6 und von dort in Richtung Walldorfer Kreuz führen würde. Zum anderen wird eine Linienführung untersucht, die ebenfalls von der A 67 kommend parallel zur Rheintalstrecke führen würde. Bei dieser Lösung müssten die zusätzlichen Gleise mit erheblichem Aufwand hinter dem Hockenheimer Bahnhof in die sich dort bereits befindenden sechs Parallelgleise integriert werden.
Auch im Hinblick auf dieses Projekt der Bahn können in 2023 keine relevanten Entscheidungen mehr erwartet werden, da die erforderlichen Planungszahlen des Bundesverkehrsministeriums erst 2024 mit der langfristigen „Verkehrsprognose 2040“ zur Verfügung stehen werden.
Den Rechenschaftsbericht beschloss Gotthardt mit Kritik: „Die Forderungen der Bürgerinitiativen und der Verwaltungen zum Lärmschutz werden bei der Bahn nicht prioritär behandelt. Immer wieder erfolgt von dort der Hinweis auf die Kosten-Nutzen-Relation, die durch Lärmschutz-Maßnahmen aus Sicht der Bahn gestört werden. Es sind deshalb harte Verhandlungen in Zukunft zu erwarten. Wir können und dürfen jetzt nicht locker lassen, die Anstrengungen müssen weitergehen!“
Die Vorstandschaft
Vorstandsvorsitzender: Lothar Gotthardt; Stellvertreter: Dr. Werner Aufsattler und Konrad Sommer; Kassenwart: Eberhardt Balonier
Kassenprüfer: Dietrich Tilch und Werner Zimmermann; Beisitzer: Barbara Itschner und Christian Kramberg. zg/kso
An den Rechenschaftsbericht des Vorstands schloss sich eine rege Diskussion an. Konrad Sommer hob als einer der Stellvertreter des BISS-Vorstands hervor: „Das ganze Verfahren ist enorm komplex, da viele Gutachten an verschiedensten Stellen zu unterschiedlichen Themen zu erstellen sind.“ Sowohl Sommer als auch Engel bestätigen ein vernünftiges und schlüssiges Vorgehen der Bahngutachter. „Eine aggressive Öffentlichkeitsarbeit gegen die Bahn, wie sie derzeit in anderen, möglicherweise betroffenen Gemeinden verfolgt wird, ist derzeit nicht angebracht. Die Energie benötigen wir noch, wenn es wirklich um was geht.“
Nach dem Bericht des Kassenwarts wurde der BISS-Vorstand entlastet. Bei den Neuwahlen unter Leitung von Stadtrat Markus Fuchs wurde der bisherige Vorstand im Wesentlichen bestätigt (siehe Infokasten). zg/kso
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