Zum Brief „Das sind frauenfeindliche Fundamentalisten“ (SZ-Ausgabe vom 3. Juni) wird uns geschrieben:
Mit großer Verwunderung las ich den Leserbrief. Das Bild, das der Verfasser aufgezeigt hat, ist mir, als Mitglied der Frauenorganisation Lajna Imaillah, vollkommen fremd. Die Frauenorganisation setzt sich seit ihrer Gründung für die Teilhabe und Bildung ihrer Mitglieder ein. Ich selbst konnte innerhalb der Organisation viele Fähigkeiten und Kompetenzen durch ehrenamtliche Arbeit erlernen. Neben vielen anderen Veranstaltungen und Kampagnen zur Aufklärung gegen Muslimfeindlichkeit hat sich die Frauenorganisation bundesweit proaktiv mit der Frage „Ich bin eine Muslima, haben Sie Fragen“ auf die Straße gestellt. Dafür haben sie den hessischen Integrationspreis 2019 erhalten. Meines Erachtens ist es ziemlich mutig, sich nicht zu isolieren, sondern auf die Straße zu gehen und den Dialog zu suchen – vor allem in Anbetracht steigender Rechtsradikalität und Hass gegen Muslime und Musliminnen.
Abseits von ihrer Beschreibung des Kopftuchs geht es in der Frauenorganisation nicht darum, dass das Kopftuch aufgezwungen wird. Es wird einem nahegelegt, dass ich als Frau bestimmen darf, was ich tragen möchte. Und genau das ist auch das Ziel der Frauen im Iran. Nicht das Kopftuch steht im Mittelpunkt, es geht um die Entscheidungsfreiheit. Das Recht auf ein freies Leben.
Auch ich spreche mich entschieden gegen ein Regime aus, das die Religion missbraucht, um Repressalien gegen Frauen durchzusetzen. Genauso weiß ich aber auch, dass wir in Deutschland für Diversität stehen. Sie sagen selbst, dass es eines ihrer politischen Ziele ist, dass „zukünftige Generationen gerne in Eppelheim leben“. Diese Verantwortung sollte auch Ahmadi-Muslime und Musliminnen miteinschließen.
Noch ein paar Worte zu meiner Person: Ich bin 27 Jahre alt und habe Politikwissenschaften und Soziologie im Bachelor studiert. Ich habe als freie Mitarbeiterin für die regionale Zeitung Schwarzwälder Bote geschrieben und bin zurzeit ehrenamtlich in der kommunalen Integrationskommission aktiv. Ich bin Bildungsreferentin für die Bildungs- und Sozialgesellschaft Indimaj.
Rameza Monir, Fritzlar
Das Motto spricht für sich
Ja, es stimmt, dass die Ahmadiyya Muslim Jamaat von anderen muslimischen Gruppierungen nicht anerkannt wird. Aber genau das hat der Gründer des Islam, der Prophet Muhammad (saw) vor 1500 Jahren prophezeit, dass diese eine, von den anderen abgetrennte Gemeinde seiner Lehre folgen wird und die Menschen zum Frieden aufruft. Genau wie der Koran es an verschiedenen Stellen verlangt. Zum Beispiel in Surah 2, Vers 225: „Stiftet Frieden unter den Menschen.“
Die Ahmadiyya Muslim Jamaat lehnt jegliche Art von Terrorismus und radikales Verhalten ab. Der Ehrenmord von 2015 war eine häusliche und private Angelegenheit. Die Ahmadiyya Gemeinde hat dieses Verhalten aufs Schärfste verurteilt und die Täter von der Gemeinde ausgeschlossen.
Was das „100-Moscheen-Projekt“ betrifft, so ist das für uns ein Zeichen der Integration. Wenn jemand sich in seiner neuen Heimat wohlfühlt, so baut er dort ein Haus. Und wenn man seine neue Heimat über alles liebt, so baut man gleich 100 Häuser, sodass man sich überall im Land ansässig fühlt.
Die von Ahmadiyya-Frauen eigenständig organisierte Veranstaltung im Josefshaus in Schwetzingen beweist an sich schon ihre Emanzipation. Der Islam und die Ahmadiyya Gemeinde erlauben keineswegs ein aufgezwungenes Kopftuch. Aber andererseits ist es auch nicht in Ordnung, einer Frau, die sich mit ihrem Kopftuch frei fühlt und darin ihre Identität sieht, zu diffamieren und ihre Identität anzugreifen.
Der Koran sagt eindeutig: „In Glaubensdingen darf es keinen Zwang geben.“ (Surah 2, Vers 257) Diese Lehre und das Motto „Liebe für alle, Hass für keinen“ lehren wir nicht nur, sondern wir leben es auch.
Naweel Shad, Eppelheim
Paradoxer Vorwurf
Da in diesem Leserbrief schwerwiegende Vorwürfe der Frauenorganisation Lajna Imaillah gegenüber zu entnehmen sind, möchte ich gerne als Mitglied der Frauenorganisation die Möglichkeit haben, auch selbst Stellung hierzu zu beziehen.
Im Leserbrief wird unsere Gemeinde als frauenfeindlich bezeichnet, was alleine durch die Existenz einer unabhängigen und selbstständigen Frauenorganisation als paradox zu sehen ist. Die Lajna Imaillah stärkt die Rechte der Frauen und ist vielmehr als Förderer von Frauen zu betiteln. Unser Motto, „Keine Nation kann Fortschritte machen, ohne ihre Frauen zu bilden“, spricht doch für sich.
Von dem schrecklichen Vorfall in Darmstadt haben wir uns mehrfach distanziert und tun dies hiermit wieder. Diese Tat steht absolut konträr zu den islamischen Lehren und muss verurteilt werden. Diese Tat mit der gesamten Gemeinde in Verbindung zu bringen, ist sehr anmaßend.
Die Vorwürfe, unsere Gemeinde würde den Koran wortwörtlich verstehen, ist auch zu dementieren. Die Ahmadiyya Muslim Gemeinde hat Bücher, die sich intensiv mit der Interpretation und Auslegung des Korans beschäftigen. Die Existenz dieser Bücher kann jederzeit geprüft werden. Somit ist auch dieser Vorwurf nicht haltbar.
Tatsächlich wird die Gemeinde unter den muslimischen Gemeinden nicht anerkannt, was allerdings auf theologische Differenzen zurückzuführen ist. Wir sind eine progressive Gemeinde, die sich für die Wiederbelebung der ursprünglichen Lehren des Islam einsetzt, sprich, Frieden und Ruhe in der Gesellschaft zu etablieren und die Liebe zu Gott in den Fokus zu setzen. Wir möchten uns von der „radikal fundamentalistischen“ Bezeichnung distanzieren und nicht damit in Assoziation gebracht werden.
Warum wir mit dem hessischen Integrationspreis ausgezeichnet wurden: Weil wir proaktiv etwas dafür getan haben und Handlungen sprechen bekanntlich für sich.
Ich möchte darum bitten, sich ausgiebig mit den Quellen auseinanderzusetzen, bevor schwerwiegende Vorwürfe in den Raum geworfen werden. Die Türen der Ahmadiyya Muslim Gemeinde stehen jederzeit offen für einen Dialog und einen Austausch, wofür wir international bekannt sind.
Anna Alvi, Hockenheim