Schwetzingen.. Nachdem die OB-Kandidatin Dr. Rebecca Ziegler in einer Schwetzinger Facebook-Gruppe die Schwetzinger Zeitung als „nicht neutral“ bezeichnet hat und Besucherinnen und Besucher des Wahlforums am kommenden Montag, 9. September, im Lutherhaus explizit dazu aufgerufen hat, sich entgegen den Regeln zu verhalten und „einfach aufzustehen und öffentlich Fragen zu stellen“, sehen wir uns als Veranstalter gezwungen, das OB-Wahlforum abzusagen. Gleichzeitig wollen wir unsere Leserinnen und Leser im Gespräch mit Chefredakteur Jürgen Gruler über die Hintergründe dieser Absage informieren, der das Forum vorbereitet und organisiert hatte.
Warum sagen Sie das Forum im Lutherhaus jetzt ab?
Jürgen Gruler: Mir tut das am meisten leid. Aber wir können nach dem Post von Rebecca Ziegler in Facebook keine geordnete Veranstaltung mehr garantieren. Wenn, wie sie es von den Besuchern fordert, einzelne Personen während der Diskussion auf der Bühne aufstehen und ihre Fragen hineinrufen, dann würde das alle jene Bürger benachteiligen, die sich an die Regeln halten und uns ihre Fragen per E-Mail übermittelt haben und wir hätten plötzlich eine Veranstaltung, wie sie Rebecca Ziegler wollte. Sie hatte von uns gefordert, nur eine „längere persönliche Vorstellung und dann Zuschauerfragen zuzulassen“, aber eben nicht Themen auf der Bühne zu diskutieren. Wir könnten dann von unserem Hausrecht Gebrauch machen und Leute, die ihrer Aufforderung folgen, aus dem Saal bringen lassen. Dazu müssten wir eine Security engagieren, es könnte zu tumultartigen Szenen kommen. Das ist nicht die Art von Veranstaltung, die wir als Zeitung unseren Lesern bieten wollen. Da haben wir nach ausgiebiger Beratung lieber am Freitag die Reißleine gezogen und das Wahlforum abgesagt. Uns tut das sehr leid, weil wir wissen, dass sich sehr viele Menschen auf den Abend gefreut haben, um die beiden Kandidaten in einer öffentlichen Runde vergleichen zu können.
Wie sind denn solche Wahlforen sonst abgelaufen, hat sich das Prozedere dieses Mal verändert?
Gruler: Nein. Ich moderiere seit 25 Jahren solche Foren. Bei den letzten drei OB-Wahlen in Schwetzingen lief das ganz genau so ab. Auch in der Hockenheimer Stadthalle, in der Plankstadter Mehrzweckhalle und in Reilingen haben wir schon solche Foren veranstaltet. Sie unterscheiden sich ganz bewusst von öffentlichen Kandidatenvorstellungen der Kommunen. Für die braucht es auch keinen Moderator, der sich auskennt, sondern lediglich den Wahlleiter, der das Rederecht erteilt und die Zeit stoppt. Die Menschen sollen sich im Forum unserer Zeitung ein umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Kandidaten machen können. Wie er sich selbst sieht in der persönlichen Vorstellung, die oft vom Manuskript abgelesen wird. In der Diskussion, in der wir den Kandidaten die Themen vorher sagen, in der der Moderator aber dann kritische Fragen stellt und den Gesprächsverlauf aufnimmt und mit etwaigen Vorwürfen auch die Gegenkandidaten wieder konfrontiert. Das soll den Leuten zeigen, wie schlagfertig jemand ist und wie gut er sich in der Kommune auskennt, in der er das Rathaus künftig leiten will. Und dann gibt es noch die Besucherfragen.
Warum werden die Fragen vorher per E-Mail gesammelt?
Gruler: Erinnern Sie sich an die öffentlichen Kandidatenvorstellungen der letzten Jahre. Da sind dann nur diejenigen aufgestanden, die sich getraut haben. Sie haben oft ihre eigenen politischen Vorstellungen in den Vordergrund gestellt. Fragen waren dann teils mit einem Kandidaten abgesprochen und wurden an diesen gerichtet, um ihn besonders gut aussehen zu lassen. Oder an den Gegenkandidaten, um den besonders schlecht aussehen zu lassen. Manchmal wurden zehn Minuten lange Monologe gehalten. Es gab Besucher, die „aufhören“ riefen oder die den Saal verlassen haben. Auch wurden oft Fragen gestellt, die zuvor in der Diskussion bereits beantwortet worden waren – manchmal doppelt und dreifach. Das sorgt am Ende nur für langweilige und zeitlich ausufernde Veranstaltungen.
Auf Facebook gibt es ja auch Vorwürfe, die Zeitung sei nicht neutral gewesen, Rebecca Ziegler fühlt sich offensichtlich benachteiligt?
Gruler: Wir haben mit beiden Kandidaten ein Wortinterview geführt, als sie ihre Kandidatur bekannt gegeben haben. Beide haben es vorher zur Autorisierung zugeschickt bekommen und haben nur Kleinigkeiten verändert. Trotzdem hat Dr. Ziegler behauptet, sie habe beim Interview, bei dem sie von Zetteln abgelesen hat, ganz andere Sachen gesagt. Schon bei diesem ersten Termin von Rebecca Ziegler in der Redaktion habe ich sie auf unser Wahlforum aufmerksam gemacht. Ich habe ihr da auch schon den Ablauf skizziert und ihr zugesichert, dass sie 14 Tage vorher die Themen und das genaue Prozedere mitgeteilt bekommt. Beide Kandidaten haben das zur gleichen Zeit bekommen, es gab keinerlei andere Absprachen. Zudem habe ich die Kandidatin mehrfach per E-Mail und im persönlichen Gespräch darauf hingewiesen, dass sie uns Termine mitteilen kann und dass sie uns jederzeit zu bestimmten Themen oder Vorgängen in der Stadt Pressemitteilungen zuschicken kann. Wir haben von ihr während des ganzen Wahlkampfes keine einzige Presseerklärung bekommen. Wir haben dann noch bei jedem der beiden Kandidaten eine öffentliche Versammlung besucht. Und wir berichteten über die Veranstaltung der SPD mit beiden Kandidaten. Dr. Ziegler fühlte sich jedesmal falsch zitiert. Nach der SPD-Veranstaltung warf sie in einer E-Mail dem dortigen Moderator und Stadtrat Robin Pitsch vor, die Fragen mit Matthias Steffan zuvor abgesprochen zu haben, was beide auf Nachfrage der Zeitung dementieren.
Kritisiert wurde auch die Ticketvergabe durch die Zeitung?
Gruler: Uns war schnell klar, dass ein großes Interesse an der Veranstaltung bestehen würde. Damit dann nicht 800 Leute vor dem Saal stehen, in den nur 450 reindürfen, haben wir Gratis-tickets ausgegeben in unserem zentral am Schlossplatz liegenden Kundenforum. Jeder konnte zwei Tickets holen – auch für den verreisten Nachbarn. Wenn jemand partout nicht während der Öffnungszeiten kommen konnte und sich an uns gewandt hat, haben wir die Tickets auch zu einem anderen Zeitpunkt überreicht. Einer Frau, die auswärts arbeitet, habe ich zwei Tickets in den Briefkasten geworfen. Zudem wollten wir ja erstmals so ein Forum streamen, sodass jeder – auch wenn er im Ausland im Urlaub ist – auf seinem Handy oder Laptop live dabei hätte sein können. Mehr kann man nun wirklich nicht anbieten. Die Kosten der Veranstaltung hätte inklusive einer Flasche Wasser für jeden unsere Zeitung getragen.
Wie geht es jetzt weiter?
Gruler: Wir werden alle Fragen, die innerhalb der gesetzten Frist per E-Mail an uns gegangen sind, an die beiden Kandidaten schicken und ihnen die Möglichkeit geben, die Fragen schriftlich zu beantworten. Die Fragen und Antworten werden wir dann noch vor der Wahl in der Schwetzinger Zeitung veröffentlichen. Es ist schon sehr schade, dass wir diesen Weg gehen müssen. Aber wir wollten nicht Teil einer angeblichen Benachteiligungslegende werden.
Hinweis zum Alternativangebot am Montag, 9. September
Nachdem die Schwetzinger Zeitung ihr OB-Wahlforum abgesagt hat, hat sich Oberbürgermeister Dr. René Pöltl, der ja offizieller Wahlleiter bei der OB-Wahl ist, dazu entschlossen, den interessierten Bürgern wenigstens eine kleine Vorstellungsrunde der beiden Kandidaten anzubieten. Und dies obgleich er im Facebook-Post von Dr. Rebecca Ziegler ebenfalls der Parteilichkeit beschuldigt wird. Er sagt, alle städtischen Bediensteten seien vor einer Wahl der Neutralität verpflichtet und darauf habe er sie bereits vor drei Monaten aufmerksam gemacht.
Am Montag, 9. September, um 18 Uhr werden also die beiden Kandidaten Dr. Rebecca Ziegler und Matthias Steffan die Möglichkeit haben, sich persönlich im Lutherhaus in Schwetzingen vorzustellen. Anschließend können sie dann an ihren Stehtischen im persönlichen Gespräch befragt werden. Die ausgegebenen Tickets behalten dafür ihre Gültigkeit. Diese Vorstellungsrunde wird auf den Youtube-Kanal der Stadt Schwetzingen übertragen.
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