Wiesloch. Mit einer Glockengießerei in Frankenthal beginnt 1850 eine Unternehmensgeschichte, deren 175. Geburtstag in dieser Woche ausgiebig gefeiert wird. Damals gründet Andreas Hamm mit drei Kompagnons die Glockengießerei und Maschinenfabrik Hemmer, Hamm & Co., die auch Druckmaschinen produziert. Daraus wird in den folgenden Jahrzehnten eines der führenden Unternehmen für Maschinen im Verpackungs- und Digitaldruck.
Seit Montag feiert Heidelberger Druckmaschinen sein Jubiläum mit vielen internationalen Gästen am Standort in Wiesloch-Walldorf. Und zum Auftakt überrascht das Unternehmen mit der Mitteilung, wieder in das Geschäft mit Bogenoffsetdruckmaschinen für das Großformat einzusteigen. Hintergrund ist das weltweit starke Wachstum im Verpackungsbereich und speziell für Faltschachteln in höheren Auflagen etwa für Lebensmittel oder Konsumgüter.
Dafür kooperiert Heideldruck mit einem Wettbewerber: Denn die Druckmaschine mit dem Namen Cartonmaster CX 145 basiert auf einer Anlage von Manroland, wird aber an das Design von Heidelberg angepasst und in die Systeme integriert. Damit sei man nun Vollsortimenter für den Bereich Faltschachteldruck, sagt David Schmedding, Vorstand für Technologie und Vertrieb.
Warum der Einstieg ins Großformat bei Heidelberger Druckmaschinen eine Kehrtwende ist
Heideldruck nimmt ab sofort Bestellungen für das neue Produkt an, für das kommende Jahr ist die erste Installation bei Kunden geplant. Die Maschine soll weltweit vertrieben werden, die größte Nachfrage erwartet Heidelberg in Nordamerika, Europa und China. „Aufgrund unserer sehr guten Position im Segment für Faltschachteln erwarten wir auch für das neue Angebot einen hohen Kundenzuspruch und steigende Umsätze“, so Heideldruck-Vorstandschef Jürgen Otto.
Der Schritt stellt eine Kehrtwende dar, denn erst vor fünf Jahren hatte Heideldruck sich aus dem Großformat zurückgezogen. „Vor fünf Jahren gab es für dieses Format keinen Markt“, begründet Schmedding die damalige Entscheidung. „Das Geschäft war nicht profitabel.“ Vorstandschef Otto verweist darauf, dass nun der Entschluss auch auf Wunsch der Kunden getroffen wurde. Im vergangenen Jahr hatte Heideldruck auf der Branchenleitmesse drupa bereits eine Kooperation mit dem japanischen Unternehmen Canon im Inkjet-Bogendruck bekanntgegeben.
Was die Druckmaschinen alles können, zeigt das Unternehmen seinen Kunden im neugestalteten Erlebniscenter „Home of Print“ in Wiesloch, das vor rund 600 geladenen Gästen eröffnet wurde. Auf 9.000 Quadratmetern sind verschiedene Druckstraßen aufgebaut, an denen Kunden mit ihren eigenen Druckjobs die Maschinen auf ihre konkreten Anforderungen testen können. Herzstück ist die „Boardmaster“-Flexodruckmaschine, die bis zu 600 Meter pro Minute bedruckt und ohne Stillstand zwischen Aufträgen wechseln kann. Auf diese Weise lassen sich binnen zwölf Stunden eine Million Pizzakartons bedrucken.
„175 Jahre sind der gelebte Ausdruck von Kontinuität durch Wandel“, beglückwünscht Bertram Kawlath, Präsident des Maschinenbauverbands VDMA. Heideldruck sei nicht nur ein Unternehmen, sondern ein Stück deutsche Industriegeschichte. Es habe Kriege, Krisen und gesellschaftliche Umbrüche überstanden. „Heidelberg hat immer neue Standards gesetzt, durch Forschung und Entwicklung, Mut und Kontinuität.“
Mehr als 20 Millionen Euro hat Heidelberger Druckmaschinen laut Vorstandschef Otto in das „Home of Print“ investiert. Es ist nach eigenen Angaben das weltgrößte Vorführdruckzentrum der Welt - und passt damit ganz zum Anspruch, den das Unternehmen hat: „Wir spielen immer Champions League, wir wollen die besten der Welt sein“, so Otto.
In das neue Geschäftsjahr ist Heidelberger Druckmaschinen unterdessen mit Rückenwind aus China gestartet: Dort stand Mitte Mai in Peking die große Branchenmesse China Print an, bei der das Unternehmen nach eigenen Angaben ordentlich Aufträge eingesammelt hat. „Das führt zu einer hohen Auslastung unserer lokalen Produktionsstätte in Quingpu bei Shanghai“, sagte Otto am Donnerstag bei der Vorlage der Jahresbilanz.
Die gut gefüllten Auftragsbücher lassen Heidelberger Druckmaschinen zuversichtlich auf das neue Geschäftsjahr blicken: Insgesamt erwartet Otto, dass der Umsatz 2025/26 um gut drei Prozent auf 2,35 Milliarden Euro steigt. Die EBITDA-Marge, die das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen ins Verhältnis zum Umsatz setzt, soll von zuletzt 7,1 auf bis zu 8 Prozent steigen.
Der geplante Stellenabbau im Stammwerk von Heidelberger Druckmaschinen in Wiesloch kommt voran
Der Vorstandschef war im Juli 2024 mit dem klaren Ziel angetreten, das Unternehmen schnell profitabler zu machen und dafür vor allem auch die Personalkosten deutlich zu senken. Vor einigen Monaten hatten sich Management und Betriebsrat dafür auf ein Paket geeinigt, das unter anderem den sozialverträglichen Abbau von rund 450 Stellen am Stammsitz Wiesloch vorsieht. Dieses Ziel werde man auf jeden Fall erreichen, bekräftigte Otto bei der Bilanzpressekonferenz, die Erfüllungsquote liege aktuell bereits bei mehr als 80 Prozent.
Insgesamt sollen sich die Sparmaßnahmen im neuen Geschäftsjahr bereits deutlich auszahlen. Gleichzeitig will Otto den Umsatz des Maschinenbauers mittelfristig steigern und sieht dafür ein zusätzliches Potenzial von mehr als 300 Millionen Euro. So will Heidelberger Druckmaschinen im Verpackungsdruck davon profitieren, dass viele Hersteller zunehmend von Plastik- auf papier- und faserbasierte Verpackungen umstellen. „Das passiert auch in aufsteigenden Märkten wie Indien“, sagt Otto. Auf die wachsende Nachfrage in diesem Bereich werde das Unternehmen mit entsprechenden Drucklösungen reagieren.
Maschinenbau-Know-how soll bei Heidelberger Druckmaschinen Basis für neues zweites Standbein werden
Doch auch außerhalb des Druck-Kosmos wittert der Vorstandschef Umsatzchancen für die Wieslocher. Die Idee: Das tiefgreifende Maschinenbau-Know-how, das Heidelberger Druckmaschinen über Jahrzehnte aufgebaut habe, soll auch in anderen Industrien zum Einsatz kommen. Aktuell führe man dazu Gespräche mit Unternehmen aus anderen Industrien. Konkrete Details könne man noch nicht nennen, potenziell gebe es aber viele Anwendungsfelder, beispielsweise im Bereich Green Tech, in der Agrarindustrie oder in der Verteidigungsbranche. Mittelfristig könne so ein echtes zweites Standbein für Heidelberger Druckmaschinen entstehen.
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