Mannheim. Die Kommandobrücke der Mannheimer MVV Energie hat Georg Müller mit „zwei lachenden Augen und einer Träne im Knopfloch“ verlassen. Bei seiner großen Abschiedsfeier vergangene Woche in der Alten Schildkrötfabrik garnierte Vizeaufsichtsratsvorsitzende Heike Kamradt-Weidner ihre Lobeshymne auf ihn mit vielen maritimen Sprachbildern. Müllers Nachfolger Gabriël Clemens übernimmt jedenfalls ein flottes Schiff. Und in den Adern des gebürtigen Niederländers dürfte genügend Seemannsblut fließen, damit der neue Kapitän die MVV sicher durch Untiefen manövrieren kann.
Wie positioniert sich Clemens beim Gas-Ausstieg?
Offensichtlich findet sich der promovierte Diplomingenieur auch ohne Kompass auf dem Land zurecht. Das Wesen der Mannheimer Quadrate in der Innenstadt, das er bei der Wohnungssuche ergründete, hat er jedenfalls verstanden. Man kann ihm da kein A für ein U vormachen.
Die Preisfrage mit Blick auf die MVV lautet natürlich: Wird der verheiratete Familienvater - er hat zwei erwachsene Kinder - strikt auf Kurs bleiben oder auch gewisse Korrekturen vornehmen? Der Vorstandsvorsitzende, der sein Amt an diesem Dienstag antritt, verweist darauf, dass er die MVV bisher nur von außen verfolgen konnte. Deshalb will er erst das Unternehmen genauer und von innen kennenlernen, bevor er sich zur Strategie äußern mag.
Wohl auch deshalb druckte die Presseabteilung in ihrer Mitteilung ein Statement des 53-Jährigen ab, das identisch mit jenem vom 4. Dezember 2024 ist - damals vermeldete die MVV den Nachfolger für Müller: „MVV ist eines der führenden Energieunternehmen in Deutschland, das sich durch seine auf Klimaschutz ausgerichtete Strategie und sein breit aufgestelltes Portfolio ein Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb geschaffen hat. Ich freue mich darauf, die hervorragende Marktposition von MVV gemeinsam mit den Mitarbeitenden weiterzuentwickeln und so auch zukünftig zu einem nachhaltigen und profitablen Wachstum der Unternehmensgruppe beizutragen.“
Auch Georg Müller hat sich vergangene Woche bei seinem letzten Interview als MVV-Chef recht bedeckt gehalten und auf die Frage, wie Clemens zum geplanten Gas-Ausstieg der MVV steht, nur eine diplomatische Antwort gegeben: „Ich kenne natürlich seine Position, aber da müssen Sie ihn schon selber fragen.“ Keine Sorge, machen wir noch.
Dass der neue CEO beim Gas-Ausstieg wahrscheinlich ähnlich wie Müller tickt, lässt sich zumindest aus einer älteren Interviewpassage herauslesen. Vier Monate vor Müllers Ausstiegsankündigung sagte Clemens - damals noch als CEO Green Gas bei Eon Hydrogen -, was er von Wasserstoffheizungen in Wohnhäusern hält: „Ich kann mir vorstellen, dass Wasserstoffheizungen dort zum Zuge kommen können, wo es in der Nähe ein Gewerbegebiet gibt, das sowieso mit einer Wasserstoffleitung versorgt wird. Heizen mit Wasserstoff, wenn es in der Nähe keine andere Anwendung für den Wasserstoff gibt, halte ich für fraglich. Er wäre wirklich sehr teuer“, sagte er im Januar 2024.
Clemens ist bei der MVV auch für die Finanzen zuständig
Das passt zur Doppelstrategie der MVV, die nach den bisherigen Plänen bis 2035 das Gasnetz für Privathaushalte stilllegen will, bei Industrieunternehmen allerdings im Wasserstoff eine Option sieht.
Wie sich Clemens im Detail positionieren wird, dürfte spannend werden. Klar ist jedenfalls, dass der Manager - wie der ausgeschiedene MVV-Chef bei seinem Abschied erzählte - nicht nur Fragen stellen wird, die auch Müller gestellt hat, sondern auch welche stellen wird, die dieser nicht gestellt hat.
Clemens, der von Müller auch das Kaufmännische Ressort übernommen hat, verfügt auch über eine gewisse Portion Humor. Dass er manchmal auf seinen in der Darts-Szene prominenten Namensvetter Gabriel Clemens angesprochen wird, nervt ihn jedenfalls nicht. Clemens interessiert sich allerdings eher weniger für diesen speziellen Sport und outet sich deshalb auch nicht als Fan des „German Giant“, der 2022 immerhin ins Halbfinale einer Weltmeisterschaft eingezogen ist. Der Manager legt aber schon Wert auf den Unterschied bei der Schreibweise: das Trema in seinem Vornamen Gabriël. Es markiert im Niederländischen eine neue Silbe.
Der Spitzenmanager hat zwei Pässe
Geburtsort des 53-Jährigen ist übrigens Maastricht, jener historische Ort, in dem 1992 der Grundstein für den Euro gelegt wurde. Clemens wuchs im Dreiländereck Niederlande, Belgien und Deutschland auf. Seit seinem Studium der Elektrotechnik lebt er überwiegend in Deutschland. Weil ihn mit beiden Ländern viel verbindet, hat er auch zwei Staatsbürgerschaften.
Dass Clemens kein Fußball-Fanatiker ist, könnte für ihn auch von Vorteil sein. Da gab es ja in der Vergangenheit einige denkwürdige Spiele zwischen Deutschland und den Niederlanden, die für Zündstoff und manches böse Blut sorgten. Gerade für Menschen, in denen quasi zwei Herzen schlagen, kann das unangenehm werden.
Aus Lokalpatriotismus ist Clemens allerdings seit seiner Kindheit bekennender Fan vom Maastrichtse Voetbal Vereniging, also dem Maastrichter Fußball Verein. Kurz MVV. Und inzwischen ist Gabriël Clemens auch Anhänger der MVV in Mannheim.
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