Mannheim. Streitigkeiten um Entgeltfortzahlungen beschäftigen das Arbeitsgericht Mannheim, das ebenfalls für Heidelberg und die Kreise Rhein-Neckar und Neckar-Odenwald zuständig ist, inzwischen vermehrt – insbesondere, wenn Kündigung und Krankmeldung zusammenfallen. Und just dazu gibt es ein Urteil der obersten Instanz. Beim Rückblick auf das vergangene Jahr ist außerdem Thema: Gegenüber 2023 sind die eingegangenen Verfahren noch einmal gestiegen – um sechs Prozent.
Die legendären „gelben Scheine“, inzwischen elektronisch übermittelt, gelten als ärztlich ausgestelltes und anerkanntes Dokument bei Arbeitsunfähigkeit. Allerdings können diese in Zweifel gezogen werden: Wenn beispielsweise einer Kündigung – ob vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer – eine Krankmeldung folgt, die zeitlich identisch die noch verbleibende Job-Dauer abdeckt. In solch einem Fall entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13. Dezember 2023 wegweisend, unter welchen Bedingungen der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „erschüttert“ werden kann.
Die Entgeltfortzahlung darf verweigert werden
Salopp ausgedrückt gilt: Wird ein Mann oder eine Frau passgenau während der noch verbleibenden Frist nach einer Kündigung krankgeschrieben und tritt am Tag nach Ablauf der bestätigten Arbeitsunfähigkeit anderswo eine neue Stelle an, so ist dies nicht nur verdächtig, es darf auch die Entgeltfortzahlung verweigert werden. Allerdings gibt das BAG vor, jeden Streitfall zu prüfen.
Mehr Verfahren
- 4865 Verfahren, darunter 218 Mahnverfahren, gingen im Jahr 2024 insgesamt beim erstinstanzlichen Arbeitsgericht Mannheim ein. Bei den Urteilsverfahren handelte es sich überwiegend um Klagen gegen Arbeitgeber in Zusammenhang mit Kündigungen oder auch Lohnstreitigkeiten . Bei Beschlussverfahren dominierten Konflikte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber.
- Von den 15 Kammern, die derzeit mit neun Richterinnen und sechs Richtern besetzt sind, haben zehn ihren Sitz in Mannheim (E7,21) und fünf in Heidelberg, einer der dortigen Vorsitzenden ist mit geteilter Stelle auch für Mannheim zuständig. Außerdem gibt es regelmäßige Gerichtstage in Mosbach, betreut von zwei Kammern am Stammsitz Mannheim .
- Trotz einer Verfahrenssteigerung von sechs Prozent und im Jahr davor (von 2022 auf 2023) um 18 Prozent gelang es, die Bestandszahlen von Altfällen weiter „auf niedrigem Niveau“ zu halten.
- Auch 2024 mündeten zwei Drittel aller Verfahren in einen Vergleich , meist schon beim Gütetermin, aber spätestens während der Kammerverhandlung, was zu einer „frühen Rechtssicherheit“ führte, wie das Arbeitsgericht im Geschäftsbericht betont. wam
Und was bedeutet dies bei juristischen Auseinandersetzungen? „Bei solchen Konflikten laden wir jetzt deutlich häufiger als früher Ärzte, um diese konkret zu befragen“, erklärt Theodor Thewes, Präsident des Arbeitsgerichts. Die Zunahme von Klagen habe freilich nicht allein mit Streit rund um besondere Konstellationen bei Krankschreibungen zu tun. Die Gründe seien „querbeet“, erklärt Ralf Büschler, seit letztjährigem November Vizepräsident. Er nennt betriebsbedingte Entlassungen, die immer dann verstärkt bei Arbeitsgerichten landen, wenn die Konjunktur nachlässt.
Acht Kündigungsschutzklagen nach Tegut-Schließung
Dass insbesondere Firmenschließungen Kündigungsschutzklagen auslösen, belegt ein aktueller Fall: Nachdem in Mannheim der Tegut-Supermarkt Ende Februar 2025 nach gerade mal etwas mehr als einem Jahr im Quadrat B1 dichtgemacht hat, gingen beim Arbeitsgericht acht solcher Verfahren ein. Inzwischen sind alle mit einem Vergleich beendet worden.
Auch wenn arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen eher selten Neugierige anziehen – wie das bei Prozessen rund um Mord und Totschlag der Fall ist – sorgen gleichwohl manche Verfahren für Schlagzeilen, wie Richterin und Pressesprecherin Sima Faggin weiß. Beispielsweise fanden Zahlungsklagen, die Vorruheständler der SAP gegen den Walldorfer Softwarekonzern führten, mediale Aufmerksamkeit. Bei einer der in Mannheim angesiedelten Außenkammern des Landesarbeitsgerichtes einigten sich die Parteien auf einen Vergleichsvorschlag der Vorsitzenden Richterin – nämlich auf eine pauschale Sonderzahlung von 750 Euro für alle 1500 Beschäftigten aus dem Vorruhestandsprogramms 2019. In erster Instanz waren die Klagen mit höheren Forderungen gescheitert.
Assistenzarzt scheitert mit Mobbingklage und Forderung nach Schmerzensgeld
Auch kommunalpolitisch Wellen schlug der Kündigungsprozess einer Reinigungskraft gegen die GBG-Tochter Facility Management Dienstleistungen: Die 63-Jährige wollte unbedingt in „ihrer“ Schule bis zur Rente weiter putzen. Die nach dem Wechsel des Dienstleisters zunächst übernommene Vorarbeiterin hatte allerdings ihre langjährige Betriebszugehörigkeit und den daran gekoppelten Kündigungsschutz verloren, weshalb die noch während der Probezeit ausgesprochene Entlassung nicht angreifbar war.
In einem Verfahren, das ein ehemaliger Assistenzarzt der Hautklinik des Heidelberger Universitätsklinikums angestrengt hatte, ging es zunächst um Mobbingvorwürfe, die sich gegen eine dortige Oberärztin richteten, und danach um Schmerzensgeld. Der Mediziner verlor in beiden Instanzen. Allerdings sollte der Rechtsstreit noch einmal aufflammen, weil das Uniklinikum dem ehemals beschäftigten Arzt versehentlich 8462 Euro überwiesen hatte und auf Rückzahlung pochte, als der Fehler auffiel. Dies verweigerte der Mediziner beziehungsweise knüpfte die Herausgabe des Geldes an die Bedingung, dieses für Schulungen von klinischem Führungspersonal rund um Mobbing zu verwenden. Den Rückforderungsanspruch des Uniklinikums bestätigte das Arbeitsgericht allerdings vollumfänglich.
Wenn sich Parteien nicht nur in der Sache streiten, sondern Gefühle überborden oder nicht mehr miteinander geredet wird, dann bietet sich ein abgekoppeltes freiwilliges Güterichterverfahren an. Theodor Thewes hat beim Begleiten von knapp hundert solcher Konfliktlösungsverfahren die Erfahrung gemacht: „Es bewegt sich immer etwas, wenn alle Beteiligte an einen Tisch geholt werden.“ Bei mehr als zwei von drei solcher Güterichterfälle gelinge es, gemeinsam eine Einigung zu finden und den ruhenden Prozess zu beenden. Vizepräsident Ralf Büschler absolviert gerade eine Schulung in Mediation, um das Team der auf Schlichtung spezialisierten Richterinnen und Richter zu verstärken.
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