Mannheim. Schwerer Schlag gegen die Organisierte Kriminalität. Wie die Europäische Staatsanwaltschaft erst jetzt auf ihrer Website mitteilte, haben am Dienstag rund 300 Beamte der Steuerfahndung und der Polizei bei einer internationalen Großrazzia ein Umsatzsteuerkarussell zerschlagen. Demnach durchsuchten die Ermittler rund 90 Objekte in Deutschland, Frankreich, Ungarn, Litauen und der Niederlande. Sie verhafteten vier Verdächtige, drei in Deutschland – darunter auch Mannheim – und einen in Frankreich.
Die Razzia – Codename „Supernova“ – wurde von den Büros der Europäischen Staatsanwaltschaft in Frankreich und Köln geleitet. Nach Informationen dieser Redaktion ist die Steuerfahndung Mannheim federführend bei dem Verfahren und aus polizeirechtlicher Sicht komplett verantwortlich. Von den rund 250 Steuerfahndern stammen die meisten aus Baden-Württemberg. In der Mannheimer Dienststelle war praktisch jeder im Einsatz, einige davon auch im Ausland. Beteiligt waren 50 Polizeibeamte, darunter auch Kräfte aus Mannheim.
Neben Durchsuchungsbeschlüssen und Haftbefehlen erließ das Gericht auch Vermögensarreste über 37 Millionen. Die Behörden beschlagnahmten daraufhin unter anderem Luxusfahrzeuge, teure Konsumgüter, Bankkonten, Bargeld sowie eine große Menge an elektronischen Geräten.
Der geschätzte Steuerschaden beläuft sich auf mehr als 100 Millionen Euro. Im Zentrum der Ermittlungen stehen Smartphones und andere elektronische Geräte, die über Scheinfirmen quer durch Europa gehandelt wurden – offenbar nur auf dem Papier. So fanden die Ermittler mehrere Kisten, die angeblich Smartphones enthalten sollten. Es waren aber nur Steine drin. Offenbar ein Trick, um Warentransporte vorzutäuschen und die Umsatzsteuerregeln zu umgehen.
Jährlicher Steuerschaden von rund 50 Milliarden Euro
Organisierte Verbrecherbanden nutzen den EU-Binnenmarkt, um im großen Stil Steuerbetrug zu begehen. Nach Schätzung der EU-Kommission beläuft sich der Schaden jährlich auf rund 50 Milliarden Euro. Anders als zum Beispiel bei der Einkommensteuerhinterziehung - hier entgehen dem Fiskus Steuereinnahmen - verliert der Staat beim Umsatzsteuerbetrug sein eigenes Geld. Der Grund: Die Betrüger lassen sich die Mehrwertsteuer erstatten, die sie nie bezahlt haben.
Das Geld der Steuerzahler fließt also an Kriminelle, die es in neue Verbrechen investieren. Seit der Einführung des europäischen Mehrwertsteuersystems 1993 rauben Betrüger mit Umsatzsteuerkarussellen die Staatskassen aus. Zwar kennen die Steuerbehörden die Masche, können diesem Betrug aber keinen Riegel vorschieben.
Und wie funktioniert der Umsatzsteuerbetrug? Wenn ein Unternehmen einem anderen eine Rechnung ausstellt, bekommt dieses die gezahlte Mehrwertsteuer vom Finanzamt erstattet. Wenn sich alle an die Regeln halten, funktioniert das Steuersystem. Wenn sich aber Unternehmen gegenseitig fingierte Rechnungen ausstellen und die Umsatzsteuer nicht abführen, zahlt das Finanzamt drauf. Noch besser geht das alles, wenn viele Betrüger auf das Karussell springen, am besten grenzüberschreitend. Dann werden die Smartphones nur auf dem Papier im Kreis bewegt, und die Kriminellen verschwinden mit dem Steuergeld über alle Berge. Leider werden die wenigsten erwischt.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-mannheimer-steuerfahnder-schlagen-bei-grossrazzia-zu-_arid,2308948.html