Mannheim. Die Bauzinsen sinken wieder. Ist da noch Luft nach unten? Soll man also warten oder sich den Traum vom Eigenheim gleich erfüllen? Wie die Banken in Mannheim und die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die Lage einschätzen.
Wie sieht es bei den Bauzinsen gegenwärtig aus?
„Seit dem Zwölfjahreszinshoch im Oktober 2023 sind die Bauzinsen bei uns um über ein halbes Prozent gefallen“, sagt Borislav Blagojevic, der bei der Sparkasse Rhein Neckar Nord das Firmenkundengeschäft leitet. Die Konditionen bewegen sich demnach bei einer Zinsbindung von zehn Jahren zwischen drei und vier Prozent. „Das ist marktgerecht“, sagt Sprecher Rico Fischer. Entsprechende Anfragen bestätigen dies.
Die Angebote der Deutschen Bank, der VR Bank Rhein-Neckar oder der Commerzbank in Mannheim liegen ebenfalls in diesem Korridor. Im Internet gibt es nach Angaben des Vergleichsportals Check24 für Immobilienkäufer mit sehr guter Kreditwürdigkeit bereits die ersten Darlehen unter drei Prozent.
Warum ist die Zinsspanne denn bei den Banken so groß?
„Der Zinssatz hängt im erheblichen Maße von individuellen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Laufzeit der Baufinanzierung, der Zinsbindung, der Beschaffenheit des Objekts inklusive Lage und dem Eigenkapitaleinsatz“, sagt Fischer. Bei der Deutschen Bank steigt etwa der Zinssatz bei einem ausgewählten Beispiel von 3,54 auf 4,47 Prozent je nachdem, ob die Zinsbindung nur fünf oder 30 Jahre beträgt. „Eine Beratung ist deshalb absolut sinnvoll“, sagt Fischer von der Sparkasse Rhein Neckar Nord.
Wie gut ist denn die Beratung bei den Banken?
„Wir wollen den Kunden so lange begleiten, bis der Kredit abgezahlt ist. Das kann ja bis zu 30 Jahre dauern. Da muss man schon von vornherein einen möglichen Zinsschock beim Ende der Zinsbindung einkalkulieren“, sagt Blagojevic. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht die Rolle der Banken dagegen eher kritisch. „In der Regel sind die Angebote nicht bedarfsgerecht. Mal passt die Darlehenssumme nicht, mal ist die Rate zu hoch oder zu niedrig“, sagt er.
Außerdem würde fast jede Bank einen Bausparvertrag in die Finanzierung einbauen. „Das ist unflexibel und teuer. In der Regel braucht man keinen Bausparvertrag“, sagt Nauhauser. Die Verbraucherzentrale bietet Interessenten übrigens für 160 Euro ein zweistündiges Beratungsgespräch an, bei dem die künftigen Hauseigentümer ihr Darlehensangebot mitbringen sollen. „Wir erläutern dann, was wir von diesem halten“, sagt Nauhauser.
Wie viel Geld spart der Immobilienkäufer, weil die Zinsen wieder gefallen sind?
Das hängt natürlich immer vom Einzelfall ab. Bei dem Check24-Beispiel - Bestzinssatz 2,93 statt wie im Dezember noch 3,29 Prozent - sinken die Kosten um 12 673 Euro in zehn Jahren. Außerdem fällt die Monatsrate des Immobilienkäufers von 1643 auf 1523 Euro. Insgesamt belaufen sich die reinen Zinskosten - also ohne Tilgung - bis zur Ende der Zinsbindung auf 104 569 Euro. Das ist eine Menge Geld. „Wer eine Immobilie kaufen will, sollte deshalb immer gleich mehrere Darlehensangebote einholen“, rät Nauhauser. Wer sich Arbeit sparen will, kann nach seiner Ansicht auch einen Online-Darlehensmakler wie zum Beispiel Dr. Klein beauftragen.
Wie werden sich die Bauzinsen in nächster Zeit entwickeln?
„Das ist natürlich schwer zu sagen. Ich sehe eine eher fallende Tendenz, aber in einem eher geringen Ausmaß“, sagt Blagojevic. Einiges hängt da von der Europäischen Zentralbank (EZB) ab, die den Leitzins in zehn Schritten auf 4,5 Prozent erhöht hat. Der ehemalige Bundesbank-Chef Axel Weber hat am Mittwoch in Mannheim beim Kongress von Fonds professionell die Erwartungen der Analysten - sie rechnen mit Leitzinssenkungen - als unrealistisch bezeichnet. Nach seiner Ansicht ist die Inflation dafür noch immer zu hoch. Außerdem rechnet er in diesem Jahr mit weiteren Lohnsteigerungen. Sinken werden die Zinsen nach seiner Einschätzung erst, wenn die Wirtschaft eine harte Landung macht. Am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins jedenfalls erneut unverändert gelassen.
Lohnt sich der Hauskauf überhaupt, immerhin fallen gegenwärtig ja die Immobilienpreise?
„Ob die aktuellen Preiskorrekturen schon das Ende der Fahnenstange sind oder erst der Anfang, kann heute niemand wissen. Es gab auch in der Vergangenheit Phasen, in denen die Immobilienpreise auch nach zehn Jahren nicht gestiegen sind. Im Mittel der vergangenen 50 Jahre betrug der Preisanstieg real nicht mehr als ein Prozent pro Jahr“, warnt Nauhauser.
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Und wie sieht das Sparkassen-Experte Blagojevic? „Die vergangenen eineinhalb Jahre sind die Preise um rund 15 Prozent gefallen. Die Erfahrung zeigt, dass der Käufer einen Wertverlust über einen längeren Zeitraum wieder aufholen kann“, sagt er.
Wie ist denn die Nachfrage nach Baukrediten für Immobilien?
„Die Kunden scheinen sich wieder allmählich an die höheren Zinsen zu gewöhnen“, sagt Sprecherin Heike Ziegenbalg von der Commerzbank. Demnach ist das Neugeschäftsvolumen im dritten Quartal weiter gestiegen, das Bestandsvolumen hat sich nach ihren Angaben stabilisiert. „Auch durch die aktuell wieder günstigere Zinsen sehen wir ein weiter gestiegenes Kundeninteresse“, so Ziegenbalg weiter. Thomas Gleßner, Sprecher bei der VR Bank Rhein-Neckar, hebt auf einen anderen Punkt ab: „Sanierung- und Modernisierungsmaßnahmen werden durch die Energiewende - Stichwort Gebäudeenergiegesetz- ein immer größeres Thema. Das hat Einfluss auf Modernisierungsmaßnahmen für Bestandsimmobilien.“
Auch die Sparkasse sieht einen Trend zu mehr energetischer Sanierung. Der klassische Neubau, der im vergangenen Jahr eingebrochen ist, wird sich laut der Einschätzung von Blagojevic in den kommenden Jahren stabilisieren. „Und die potenziellen Käufer können wieder über den Preis verhandeln, da ist oft Luft nach unten“, sagt Blagojevic. Eine Sprecherin der Deutschen Bank verweist darauf, dass die Wohnkosten immer stärker steigen, bei Neuvermietungen weiterhin um etwa fünf Prozent. „Ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung dient dem Vermögensaufbau und stellt einen wichtigen Baustein für die Altersvorsorge dar, da sie mietfreies Wohnen im Alter ermöglicht“, so die Sprecherin weiter.
Eine Immobilie zum Vermögensaufbau und zur Altersvorsorge - geht diese Rechnung immer auf?
„Der Kauf einer eigenen Immobilie ist in finanzieller Hinsicht oft die weitreichendste Entscheidung im Leben. Man setzt ja im Prinzip alles auf eine Karte: Der Käufer investiert sein Erspartes und einen Großteil des künftigen Einkommens. Das kann durchaus rentabel sein, zumindest die letzten 15 Jahre stiegen die Preise deutlich“, sagt Nauhauser. Wenn es aber schiefgeht und bei einem Verkauf der Preis unter die Darlehenssumme rutscht, steht man im Extremfall mit null Kapital oder mit Schulden da, meint der Experte. „Ein Aktienfonds ist dagegen viel sicherer, denn den kauft man nicht auf Kredit. Deshalb kann man hier nicht den ganzen Einsatz verlieren, zumindest, wenn man breit streut. Seit 1970 war das höchste reale Minus bei Einmalanlagen in den MSCI World 25 Prozent nach zehn Jahren“, sagt Nauhauser. Und: „Dann bleiben vom Kapital 75 Prozent übrig, und der Investor hat keine Schulden.“
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