Mannheim. Herr Brümmer, Mannheim sieht sich gerne als kleines Startup-Mekka im Südwesten - in Rankings landete der Standort zuletzt aber nur im Mittelfeld. Wo hakt es?
Oliver Brümmer: Solche Rankings muss man sehr genau anschauen: Wie wurden sie erstellt? Welche Daten liegen zugrunde? Und wie können wir als Startup-Szene in Mannheim - die überproportional groß ist für eine Stadt wie unsere - die Bereitschaft erhöhen, an Umfragen für solche Rankings teilzunehmen?
Zur Person
- Oliver Brümmer hat 2018 in Mannheim das Start-up The Hackathon Company GmbH gegründet. Es organisiert regelmäßig verschiedene Hackathons, bei denen IT-Talente im spielerischen Wettbewerb Challenges von Unternehmen lösen.
- Vom 6. bis 8. September veranstaltet das Unternehmen im Mannheimer Rosengarten ein Hackfestival zum Thema Dekarbonisierung. Neben dem Hackathon gibt es am Samstag, 7. September, auch ein Rahmenprogramm für Bürgerinnen und Bürger mit Workshops und Vorträgen.
- Brümmer ist außerdem Landessprecher des Start-up-Verbands in Baden-Württemberg. tat
Das kann nämlich durchaus eine Rolle dabei spielen, wie der Standort am Ende abschneidet. Meine Wahrnehmung ist jedenfalls, dass wir in Mannheim sehr gut aufgestellt sind, was die Einrichtungen und das Support-Netzwerk der Stadt angeht.
Die Startup-Szene fühlt sich in Mannheim also gut unterstützt?
Brümmer: Ja, nach allem was ich höre, zum Beispiel bei unserem Startup-Stammtisch, ist das so. Gerade zugezogene Gründerinnen und Gründer sagen mir oft, dass sie das Angebot der Stadt für Startups super finden. Davon abgesehen hängt die Zufriedenheit sicher auch vom Geschäftsmodell ab.
Inwiefern?
Brümmer: Startups, die wie wir mit The Hackathon Company GmbH im Dienstleistungssektor unterwegs sind, haben es aktuell wegen der wirtschaftlichen Lage nicht leicht. Auf der anderen Seite gibt es Softwarespezialisten wie Osapiens, die gerade erfolgreich eine Finanzierungsrunde abgeschlossen haben.
Hackfestival mit Alexander Gerst
- Vom 6. bis 8. September veranstaltet The Hackathon Company GmbH im Mannheimer Rosengarten ein Hackfestival zum Thema Dekarbonisierung.
- Zur Eröffnung wird auch Astronaut Alexander Gerst kommen.
- Neben dem Hackathon gibt es am Samstag, 7. September, auch Workshops und Vorträge für Bürgerinnen und Bürger.
- Mehr Infos unter www.hackfestival.de
Davon profitiert auch der Gründungsstandort Mannheim: Wir brauchen hier die sogenannte Mafia, also Personen, die bei einem Leuchtturm wie Osapiens aussteigen und sagen, ich mache mein eigenes Ding, gründe selbst und zwar am besten in der gleichen Stadt. Das ist brillant für Mannheim, auch wenn wir hier nicht wie Heidelberg die große KI Bubble mit Aleph Alpha oder Paretos haben.
A propos Heidelberg: Dort ist die Gründungsszene deutlich lebhafter. Auf 100 000 Einwohner gab es zuletzt gut 11 Neugründungen, in Mannheim waren es nur 6,3.
Brümmer: Heidelberg hat eindeutig das Thema Künstliche Intelligenz in die Karten gespielt. Es gibt dort einige Lehrstühle an der Uni und an der SRH, die sich schon sehr lange mit KI befassen. Entsprechend gibt es Forschende, die den Transfer in die Wirtschaft machen. Dadurch ist ein Ökosystem entstanden, mit dem Heidelberg ein echtes Pfund in der Hand hat.
Dazu kommt, dass sich die universitären Zentren dort sehr stark um Gründungen und Startups kümmern. Letztlich sprechen auch einfach über zwei ganz unterschiedliche Städte: in Heidelberg ist das Bildungsbürgertum stark vertreten, es gibt sehr viele Akademiker...
...dafür hat Mannheim viel Industrie - ist das nicht auch ein attraktives Umfeld für Startups?
Brümmer: Absolut. Aber da sind wir bei der Frage: Wie gut läuft das Verweben zwischen Startups und etablierten Konzernen wie Fuchs, John Deere oder der BASF im benachbarten Ludwigshafen? Das ist eine wahnsinnig schwere Aufgabe. In der aktuellen wirtschaftlichen Situation, wo solche Unternehmen eher vom Gaspedal gehen, sind die ersten Themen, die hinten runterfallen Wachstumsfantasien, Innovation und neue digitale Geschäftsfelder.
Das ist beim Thema KI anders: Wenn SAP-Vorstand Christian Klein sagt, wir müssen unsere Organisation auf KI drehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, und dann losgeht und nach Kooperationsmöglichkeiten schaut, dann hat das einen anderen Schlag.
Wo würden Sie sich in Mannheim mehr Unterstützung wünschen?
Brümmer: Die Unterstützung durch die Stadt und auch der Austausch mit ihr sind super. Wo es hakt, das gilt aber deutschlandweit, ist das Thema Kapital. Da wäre es auf jeden Fall wünschenswert, wenn man die vermögenden Investoren und Familien der Region noch stärker nutzen könnte. Und damit meine ich nicht nur deren Kapital, sondern vor allem auch ihre Expertise und ihr Netzwerk. Erfahrene Sparringspartner, die Tipps geben oder auch mal kritisches Feedback, sind Gold wert für jede Startup-Community.
Zumindest beim Thema Wagniskapital für Startups gab es zuletzt wieder positivere Nachrichten....
Brümmer: Ja, die Finanzierungsvolumen steigen wieder im Wagniskapitalbereich. Das gilt aber nicht für alle Sektoren. Im E-Commerce zum Beispiel, der stark von der Konsumlaune der Verbraucher abhängig ist, drängen die Investoren im Moment eher auf Profitabilität und Effizienz. Da geht es gerade nicht darum, große Geldmengen reinzubuttern.
Anders sieht es bei Technologielösungen für den B2B-Bereich aus, die skalierbar sind, wie sie beispielsweise Osapiens mit seiner Lieferkettensoftware anbietet: Da steigt die Bereitschaft für Investments. Das gleiche gilt für die Bereiche KI und Nachhaltigkeit.
Stichwort Nachhaltigkeit: Sie veranstalten Anfang September in Mannheim ein Hackfestival mit mehr als 1000 Teilnehmenden zum Thema Dekarbonisierung. Ist Technologie der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel?
Brümmer: Ich bin überzeugt, dass es da mehrere Wege gibt. Klar ist: Wir spüren die Erderwärmung am eigenen Leib zu intensiv, um nicht alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die wir haben. Technologie ist dabei eine Komponente - und genau an der Schnittstelle spielen wir beim Hackfestival: Inwieweit kann Technologie einen signifikanten Beitrag leisten, den Klimawandel zu bekämpfen?
Ganz wichtig ist uns dabei ein ehrlicher Diskurs: KI zum Beispiel kann sicher einen wichtigen Beitrag leisten. Gleichzeitig braucht es dafür Rechenzentren, die wiederum sehr viel Energie benötigen...
An welchen Challenges werden die Teilnehmenden beim Hackfestival arbeiten?
Brümmer: Die Challenges kommen von unterschiedlichen Organisationen: Dabei sind SAP, Roche, Kion, die Lidl-Schwarz-Gruppe, die Stadt Mannheim und die Metropolregion. Die Challenges sind breit gefächert: Das reicht von einer digitalen Lösung gegen Lebensmittelverschwendung über ein Tool, das Beschäftigten helfen soll, ihren CO2-Fußabdruck am Arbeitsplatz zu senken, bis hin zu einer Anwendung, die die Kreislaufwirtschaft in der Region voranbringen soll.
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