Rhein-Neckar. Von der Stimmung her sind es für den Einzelhandel keine guten Zeiten. Bei minus 19,9 lag der GfK-Konsumklimaindex im Mai. „Das Konsumklima ist auf einem sehr schlechten Niveau“, sagt Manfred Schnabel, der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar. Erstmals sei die Lage schlechter als die Stimmung.
Für den Einzelhandel im Kammerbezirk sind die Aussichten dennoch nicht so negativ, wie die am Dienstag vorgestellte Kaufkraftanalyse zeigt. Sie prognostiziert in der Region für 2025 einen Zuwachs der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft um 4,0 Prozent. Sie steigt damit stärker als die allgemeine Kaufkraft, für die ein Plus von 2,4 Prozent erwartet wird. Doch die Kaufkraft drückt ja nur das Potenzial für Ausgaben der Konsumenten aus und kommt nicht zwangsläufig in den Kassen der Einzelhändler an. Das zeigt denn auch die Prognose zum Einzelhandelsumsatz: Sie geht von einem Anstieg von 2,3 Prozent aus.
Allerdings gibt es in der Region große Unterschiede. Im Bezirk der IHK Rhein-Neckar liegt der Umsatz im stationären Einzelhandel bei 8,2 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte davon erwirtschaften die Oberzentren Mannheim und Heidelberg, allein auf die Mannheimer Innenstadt (Postleitzahlenbezirk 68161) entfallen fast zehn Prozent.
Die Kaufkraftbindungsquote im IHK-Bezirk liegt mit 88 Prozent etwas über dem Landes- und Bundesschnitt. Werte unter 100 bedeuten einen Abfluss an Kaufkraft, über 100 einen Zufluss aus dem Umland.
Wie sich das Oberzentrum Mannheim entwickelt hat
Mannheim kommt immer noch auf eine hohe Kaufkraftbindungsquote von 119 Prozent. Das entspricht aber einem Rückgang von zwei Prozentpunkten, und auch von den 131 Prozent aus dem Jahr 2019 ist die Stadt weit entfernt. Doch Mannheim liegt damit im Bundestrend und ist laut IHK im Vergleich mit allen 39 deutschen Städten über 200.000 Einwohner auf Platz eins.
Von einer „dramatischen Entwicklung“ spricht Schnabel beim Blick auf die Innenstadt. Während im IHK-Bezirk der Einzelhandelsumsatz seit 2019 um 6,3 Prozent gestiegen ist, verzeichnet die City im gleichen Zeitraum einen Rückgang von fast 16 Prozent. Die Kaufkraftbindungsquote ist ebenfalls wieder rückläufig. Immerhin: Der Postleitzahlbezirk 68161 ist noch unter den zwölf besten deutschen Standorten.
Trotzdem hat Mannheim nach Aussage Schnabels „viel zu verlieren“. Denn wenn die Leitbranchen Einzelhandel und Gastronomie unter Druck gerieten, würden sich auch andere City-Betriebe wie Ärzte oder Kanzleien Gedanken um einen Verbleib in der Innenstadt machen und nach alternativen, günstigeren Standorten umsehen. „Die Leitbranchen sind extrem wichtig für andere Branchen, um hier tätig zu bleiben“, so Schnabel.
Auch Heidelberg verzeichnet einen Rückgang beim Einzelhandelsumsatz (2,1 Prozent seit 2019) und bei der Kaufkraftbindungsquote. In der Altstadt fällt der Rückgang ähnlich deutlich aus wie in der Mannheimer City: fast 20 Prozent Umsatzverlust und 71 Prozentpunkte weniger Kaufkraftbindung zu 2019.
Wer in der Rhein-Neckar-Region die Schwergewichte sind
Erneut weisen Schwetzingen (171 Prozent) und Walldorf (156 Prozent) die mit Abstand höchsten Kaufkraftbindungsquoten in der Region auf. In Schwetzingen ziehen etwa der Sporthändler Decathlon und das Möbelhaus Höffner viele Kunden und Kaufkraft aus dem Umland an, in Walldorf ist Ikea ein Magnet. Beide Kommunen liegen in der Region auch an der Spitze beim Pro-Kopf-Umsatz. Schwetzingen kommt auf 14.382, Walldorf auf 13.853 Euro. „Der Rhein-Neckar-Kreis profitiert von vielen starken Mittelzentren und Fachmärkten. Vergleichbares gibt es nur im Stuttgarter Raum“, erklärt IHK-Handelsexperte Mario Klein. In Schwetzingen sei der Mix entscheidend - aus einer attraktiven Innenstadt, starken Fachmärkten und einer guten Erreichbarkeit mit allen Verkehrsmitteln.
IHK-Präsident Schnabel spricht von einer „soliden Entwicklung“ im Einzelhandel, angesichts der konjunkturellen Lage und struktureller Herausforderungen wie dem Onlinehandel. „Der Einzelhandel ist sehr vital und entwickelt sich positiv“, lautet sein Fazit. Seit 2009 sei bundesweit der Umsatz brutto - also nicht inflationsbereinigt - stetig gestiegen, um mehr als 60 Prozent. Der Onlinehandel verharrt auf einem niedrigen Prozentsatz, der zwischen 13 und 14 Prozent beträgt und nur einmalig, während der Corona-Beschränkungen 2021, etwas höher lag.
Wo die Gefahren für die Innenstädte liegen
Für Innenstädte gibt es trotzdem Anlass zur Beunruhigung, wenn man nämlich auf die Onlineanteile der Branchen am Gesamtmarkt blickt. Der Bereich Fashion und Accessoires, der besonders häufig in Innenstädten verbreitet ist, kommt auf einen Onlineanteil von 42,5 Prozent. Die Uhren- und Schmuckbranche, ebenfalls ein wichtiger Faktor im City-Handel, erzielt 23,2 Prozent ihrer Umsätze online.
Andererseits belegen Umfragen, dass Shopping und Gastronomie weiter am häufigsten als Gründe genannt werden, warum Menschen Innenstädte besuchen. Für Schnabel sind gute Standortbedingungen daher umso wichtiger: „Gute Rahmenbedingungen zahlen sich aus, dort entwickelt sich der Einzelhandel prächtig.“ Deshalb fordert er: „Keine weiteren Belastungen wie Abgaben, Betten- oder Verpackungssteuer.“
Gute Erreichbarkeit, die Höhe der Parkgebühren, Sauberkeit und Sicherheit seien wichtige Faktoren für Kunden aus dem Umland. Zuletzt seien aus Mannheim viele negative Botschaften gekommen. Schnabel nennt das Messerattentat auf dem Marktplatz oder Palästina-Demonstrationen mit Bildern, die abschreckend wirkten. „Das ergibt ein Gesamtbild und führt dazu, dass etwa von der Weinstraße weniger Menschen nach Mannheim kommen.“
Der Besatz in der Mannheimer City könne aber nur mit viel Umsatz aus dem Umland erhalten werden. Der Rückgang der Kaufkraftbindungsquote signalisiere den Expansionsmanagern der Unternehmen, hier nicht mehr zu expandieren - mit Folgen:. „Leerstände kommen immer mit Zeitverzug. Wenn Leerstand sichtbar wird, ist es zu spät.“
Erstmals hat Manfred Schnabel die Ergebnisse der Kaufkraftanalyse am Dienstag auch im Mannheimer Gemeinderat vorgestellt. „Das zeigt, dass die Zeichen der Zeit erkannt wurden“, sagt der IHK-Präsident.
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