Hausbesitzer

Warum bei der Grundsteuer das große Chaos herrscht

36 Millionen Eigentümer müssen in Deutschland bis Ende Oktober ihre Grundsteuererklärung abgeben. Und zwar in der Regel digital. Warum es dagegen Widerstand gibt

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Walter Serif
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Drei Länder, drei Grundsteuer-Modelle: Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz gehen eigene Wege. © dpa

Wer eine Immobilie kauft, bekommt automatisch Post vom Finanzamt. Im Umschlag steckt der Grundsteuerbescheid. Der Häuslebesitzer muss nur zahlen. Doch jetzt dreht der Fiskus den Spieß um: Seit Juli müssen die Besitzer ihre Grundsteuererklärung selbst beim Finanzamt abgeben, wie ihnen per Brief mitgeteilt wurde. Und zwar in der Regel digital. Das ist bemerkenswert, weil in den Finanzämtern noch Faxgeräte herumstehen. Die Abgabefrist läuft Ende Oktober ab. 36 Millionen Eigentümer von Grundstücken, Häusern und Wohnungen sollen bis dahin die Daten an die Finanzämter liefern. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum muss jeder Eigentümer eine Grundsteuererklärung beim Finanzamt abgeben?

Ab 2025 gilt in Deutschland eine neu berechnete Grundsteuer, die ungefähr zehn Prozent der kommunalen Steuereinnahmen abdeckt. Bisher berechneten Bundesländer und Kommunen sie mithilfe von Grundstückswerten aus den Jahren 1964 (Westdeutschland) und 1935 (Ostdeutschland). Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Einheitswerte aber 2018 für „völlig“ überholt und mahnte eine Neuregelung an. Die nicht mehr angepassten Einheitswerte würden zu „gravierenden Ungleichbehandlungen“ der Immobilienbesitzer führen. Auf Basis der Daten stellt das Finanzamt einen Grundsteuerwertbescheid und Grundsteuermessbescheid aus. Diese dienen den Kommunen als Basis bei der Feststellung der neuen Grundsteuer. Die Grundsteuer muss nicht nur der Eigentümer zahlen. Ist die Immobilie vermietet, kann dieser sie auf seine Mieter umlegen.

Wie hoch wird die neue Grundsteuer ausfallen?

Das hängt davon ab, wie hoch die Hebesätze 2025 sind. Diese dürfen die Kommunen selbst festlegen. Im Grundsteuer-Reformgesetz ist zwar von der Aufkommenneutralität die Rede, doch in Zeiten leerer Kassen dürften die Kommunen leicht der Versuchung erliegen, sich zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Der Eigentümerverband Haus & Grund Mannheim weist in einer Mitteilung darauf hin, dass „schon jetzt“ die ersten Kommunen „mit zum Teil deutlichen Erhöhungen der Hebesätze“ beginnen würden und spricht mit Blick auf die Aufkommenneutralität von einem „Taschenspielertrick“. Auch bei Johannes Hurst, Präsident der Steuerberaterkammer Nordbaden, schlagen zwei Herzen in der Brust: „Ich selbst habe ein großes privates Grundstück mit Haus und würde zu den Gewinnern gehören, da ich nach jetzigem Hebesatz ein Viertel weniger Grundsteuer zahlen müsste. Das wird aber so nicht kommen, davon bin ich selbst als Gemeinderat überzeugt, der über den Hebesatz entscheiden muss.“

Wird die Grundsteuer künftig einheitlich ermittelt?

Nein. Elf Länder – darunter auch Rheinland-Pfalz – wenden das eher komplizierte Bundesmodell an. Baden-Württemberg und Hessen haben andere Modelle, die weniger schwierig sind.

Welches Modell ist denn das einfachste?

„Am einfachsten ist das Modell im Südwesten“, sagt Evelyn Strunck, Vorsitzende des Gutachterausschusses Schwetzingen, der für zehn Gemeinden die Bodenrichtwerte ermittelt hat. „In Baden-Württemberg wird die Grundsteuer ab 2025 nur aus dem Grundstückswert abgeleitet, die Bebauung spielt keine Rolle“, erklärt Strunck. Nach ihren Angaben muss der Steuerpflichtige dem Finanzamt nur die Grundstücksgröße und den Bodenrichtwert mitteilen.

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Und wie halten es im Vergleich dazu die Hessen?

In Hessen wird’s leichter und komplizierter zugleich. Den Bodenrichtwert ermittelt das Finanzamt selbst, der Eigentümer muss aber beim Flächen-Faktor-Verfahren neben der Grundstücksgröße auch noch die Wohnfläche nennen. Und da gibt es einen ärgerlichen Haken. „Bei Neubauten steht die Wohn- oder Nutzfläche im Kaufvertrag, bei gebrauchten Immobilien ist das selten der Fall. Wer da auf Nummer sicher gehen will, sollte die Fläche von einem Fachmann ermitteln lassen. Das kann aber durchaus 500 Euro oder mehr kosten“, sagt Strunck. Hurst warnt: „Da drohen aus meiner Sicht Rechtsstreitigkeiten.“ Der Grund: Bei falscher Angabe der Wohnfläche – da muss nicht einmal böse Absicht dahinter stecken – kann daraus leicht der Verdacht der Steuerhinterziehung entstehen. Ein Bonbon gibt es für die Baden-Württemberger und Hessen: Für überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke erfolgt im Südwesten ein Abschlag von 30 Prozent bei der Steuermesszahl, in Hessen fließen nur 70 Prozent der Wohnfläche ein – die Grundsteuer fällt niedriger aus.

Welches Modell ist besonders kompliziert?

„Das Modell in Rheinland-Pfalz ist definitiv das komplizierteste“, sagt Steuerberater Philipp Flößer von der Weinheimer Kanzlei Flößer & Kollegen. Der Grund: Die Eigentümer müssen unter anderem Grundstückslage, Grundstücksfläche, Bodenrichtwert, Gebäudeart und Wohnfläche angeben.

Wie wirken sich die verschiedenen Modelle auf die Höhe der Grundsteuer aus?

Die Gutachterin verweist darauf, dass es im Südwesten zu einer starken Spreizung bei der Grundsteuer kommen könnte. „Wer dort in einer Toplage wohnt, zahlt künftig viel mehr, das kann durchaus das Vierfache sein, wenn die Hebesätze gleichbleiben. Wir haben in der Region sehr hohe Bodenrichtwerte. Dagegen würde die Grundsteuer in den einfachen Lagen und in den Gewerbegebieten sinken. Vor allem in den Toplagen würde der Druck auf die Kommunen wachsen, die Hebesätze zu senken“, erklärt sie.

„In Rheinland-Pfalz wird zusätzlich das Gebäude im Einheitswert berücksichtigt, was eigentlich im Vergleich zu Baden-Württemberg gerechter ist. Der Preis dafür ist aber ein erheblich höherer Aufwand für die Steuerzahler und die Finanzämter“, sagt Strunck. Im gesamten Bundesland Hessen werden dagegen die Wohn- und Grundstücksflächen mit demselben Betrag bewertet. „Das heißt, ein Einfamilienhaus in Frankfurt hat denselben Wert wie ein vergleichbares auf dem Dorf.“ Dieser Wert wird dann – so die Gutachterin – mit einem speziellen Faktor multipliziert. Der Faktor ermittelt sich demnach aus dem Verhältnis des Bodenrichtwerts der Wohnlage zum durchschnittlichen Bodenrichtwert der Gemeinde. „Somit ist für eine Villa im Speckgürtel von Frankfurt der Faktor womöglich kleiner als für ein Einfamilienhaus auf dem Dorf.“

Warum ermittelt das Finanzamt die Daten nicht wie früher selber?

„Ich vermute, dass da auch der Datenschutz eine Rolle spielt. Die Bodenrichtwerte werden in Baden-Württemberg jedem Steuerbürger digital über Boris-BW zur Verfügung gestellt. Warum keine Schnittstelle geschaffen wurde und die Daten digital eingelesen werden können, entzieht sich meiner Kenntnis“, sagt Hurst von der Steuerberaterkammer. Gutachterin Strunck betont, dass die Finanzämter die Bodenrichtwerte hätten, das System könne aber nicht immer die richtige Auswahl treffen. „Ich glaube, dass man sich da für das Vieraugenprinzip entschieden hat. Und der Steuerzahler hat die Chance zu überprüfen, ob die Daten stimmen“, meint sie. Steuerberater Flößer fragt sich, warum die Finanzämter das nicht selber machen. „Die haben doch alle Daten. Ich vermute, die wollen ihre Zahlen abgleichen.“

Was sagen denn die Finanzämter dazu?

Die Finanzämter verweisen darauf, dass die Grundbücher oft inaktuell seien. Das mag sein. Doch warum muss der Steuerzahler die Grundstücksgröße nennen, die doch im Grundbuch steht? „Die Hauseigentümer sind jetzt die Erfüllungsgehilfen der Finanzämter und Gemeinden“, sagt Josef Piontek, Vorsitzender von Haus & Grund Mannheim.

Warum gebe die Finanzämter nur ungern Anträge auf Papier aus?

Die meisten Bundesländer wollen, dass die Eigentümer ihre Daten über das Elster-Portal an die Finanzämter schicken. Das ist für die Beamten bequem, nicht aber für die Grundstücks- und Immobilienbesitzer. Die Software ist sehr benutzerunfreundlich. „Immer wieder gibt es Fehlermeldungen“, klagt ein Leser aus Mannheim, der seinen Namen nicht in diesem Beitrag lesen will. Er ist 79 Jahre alt. Damit jetzt nicht Vorurteile aufploppen: Er hat es geschafft, sich bei Elster ein Benutzerkonto einzurichten. Das ist gar nicht einfach, wie der Verfasser dieser Zeilen aus eigener Erfahrung weiß. Der Benutzer braucht dazu ein Zertifikat, das per Post zugeschickt wird. Die Anmeldung geht nach dem Aufrufen der Homepage im Browser nur in Verbindung mit einer App, die die Eingabe von mehreren (!) TANS verlangt. Der Leser berichtet in einer Mail und am Telefon aus seinem Bekanntenkreis, der bunt gemischt ist – darunter auch ein IT-Fachmann, der selbst ein Elster-Konto hat. Wer in den sozialen Netzwerken surft, bekommt den Eindruck, dass viele an der Software und den Formularen verzweifeln, die trotz Ausfüllhilfen Rätsel aufgeben.

Ist das Zeitfenster für die Grundsteuererklärung groß genug?

Eher nicht. Die ersten Wochen waren chaotisch. Elster ging wegen der hohen Zugriffszahl mehrere Tage in die Knie. Inzwischen gibt es auch Finanzämter, die die Registrierung vor Ort ermöglichen, manche haben Sondersprechzeiten eingeführt. Obwohl die Beamten die Ausgabe der Papier-Vordrucke rigide – nämlich nur auf Antrag – handhaben wollten, müssen sie jetzt immer mehr ausgeben, weil gerade Ältere kaum abzuweisen sind. „Der Zeitraum bis Ende Oktober ist einfach zu kurz, das ist nicht machbar. Die Bundessteuerberaterkammer hat bereits einen Antrag auf Verlängerung gestellt“, sagt Hurst. Auch Piontek verlangt eine Fristverlängerung: „Der Gesetzgeber hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vier Jahre gebraucht, um sich auf die diversen Grundsteuermodelle zu einigen. Den Eigentümern lässt er nur vier Monate Zeit. Das ist ein Witz. Viele unserer Mitglieder tun sich mit der digitalen Erklärungsabgabe über Elster schwer. Wir übernehmen das dann für sie.“ Und viele nehmen sich auch einen Steuerberater.

Freuen sich jetzt die Steuerberater auf mehr Aufträge?

So leicht lässt sich das nicht beantworten. „Ich kenne Kollegen, die komplett darauf verzichten, wir in der eigenen Kanzlei haben einen Mitarbeiter zum Experten geschult, der die ganzen Fälle abarbeitet. Wir haben aber derzeit genug mit anderen Dingen zu tun. Die Überbrückungshilfe belastet uns sehr“, sagt Hurst. Steuerberater Flößer hat 200 bis 250 Anträge in der Warteschlange. Für die eher einfachen Grundsteuererklärungen in Baden-Württemberg nimmt er 250 Euro. Für Grundstücke und Immobilien, die in der Pfalz oder in Hessen stehen, geht es ab 400 Euro los. „Es gibt aber natürlich auch sehr zeitaufwendige Erklärungen. Ich habe eine Erbengemeinschaft mit 30 Eigentümern und im Ausland Lebende ohne Steuer-ID, da kann es dann auch schon deutlich mehr als 1000 Euro kosten“, sagt Hurst.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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