Berlin. Mit dem Strom der eigenen Photovoltaikanlage heizen oder das Auto günstig aufladen – viele Verbraucher setzen erneuerbare Energien bereits im Alltag ein. Aber kann es gelingen, den Alltag komplett mit erneuerbaren Energien zu bestreiten? „Energiewendetechniken sind zwar häufig ein bisschen teurer in der Anschaffung, jedoch insgesamt deutlich günstiger, wenn man es über die gesamte Laufzeit betrachtet“, sagt Jasmin Schwarz, Referentin für Politik beim Ökostromanbieter Ocotpus Energy. Was aber heißt das konkret? Fünf Anwendungsfälle im Check:
Photovoltaikanlage
Die Anschaffungskosten für eine Photovoltaikanlage variieren je nach Größe und Anlagenleistung. Klassischerweise ist auf dem Einfamilienhaus eine Anlage zwischen 5 und 10 kWp installiert – die mittleren Kosten liegen hier laut Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zwischen 14.130 und 16.680 Euro.
Für Mieterinnen und Mieter bieten Balkonkraftwerke preisgünstige Alternativen. Mittlerweile sind die Anmeldungen für Anlagen mit bis zu 800 Watt beim Netzbetreiber stark vereinfacht; Vermieter brauchen triftige Gründe, um ein Veto einlegen zu können. Balkonkraftwerke, auch Stecker-Solargeräte genannt, kosten meist zwischen 300 und 1200 Euro. Die Verbraucherzentralen taxieren eine Amortisierung der Kosten auf einen Zeitraum von drei bis zehn Jahren. Eine Einspeisevergütung wird bei Balkonkraftwerken nicht gezahlt, entsprechend brauche man keinen separaten Stromzähler, sondern nur einen Wechselrichter, erläutert Sebastian Breer, der sich für den WWF mit der Energiewende im Gebäudesektor befasst.
Wärmepumpe
Die Anschaffung einer Wärmepumpe wird üppig gefördert. Bis zu 70 Prozent der Anschaffungskosten sind bis zu einem Investitionswert von 30.000 Euro unter gewissen Voraussetzungen förderfähig. Im Durchschnitt würde die Förderung bei 55 Prozent liegen, sagt Octopus-Expertin Schwarz. Allerdings steht die Subvention auf der Kippe. Die schwarz-rote Bundesregierung sucht Geld, um ihre Haushaltslöcher zu stopfen – und die Union hat die Wärmepumpe ins Visier genommen. Unter anderem hatten Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder und Unions-Fraktionsvorsitzender Jens Spahn (CDU) die Förderung angezählt.
„Es ergibt schon Sinn, eher heute als morgen umzusteigen, weil wir wahrscheinlich jetzt die besten Förderkonditionen haben“, zieht Schwarz daraus die Konsequenz. Wer auf eine Wärmepumpe umsteigen wolle, aber nicht die rund 15.000 Euro auf der hohen Kante habe, die selbst mit Förderung für die Anschaffung im Schnitt fällig werden würden, könne über die Förderbank KfW einen zinsgünstigen Kredit nutzen. „Fragen Sie bei Ihrer Hausbank nach“, rät Breer.
Langfristig würden sich die Anschaffungskosten amortisieren. Die RWTH Aachen habe nachgewiesen, dass sich eine Wärmepumpe ohne Fußbodenheizung und mit Radiatoren nach spätestens 13 Jahren rentiere, so Schwarz. Bei einer Fußbodenheizung sei das bereits nach fünf bis sieben Jahren der Fall.
Elektromobilität
Ähnlich wie bei der Wärmepumpe sei auch beim E-Auto die Anschaffung oft teuer. „Die Kosten pro Kilometer sind dann aber deutlich günstiger als beim Verbrenner“, sagt Schwarz. Doch der Frust der Verbraucher bei dem Thema tief sitzt. Wie kann es sein, dass der Hausstrom 35 Cent pro Kilowattstunde kostet, der Ladesäulenstrom aber bis zu 49 Cent pro Kilowattstunde, lautet eine typische Frage. Oder: Warum braucht man eigentlich so viele verschiedene Bezahlkarten und kann nicht einheitlich per Giro- oder Kreditkarte bezahlen? „Beim Thema Ladestrom liegt einiges im Argen in Deutschland, da braucht es politische Anpassungen“, stellt auch Schwarz fest.
Smart Meter
Die intelligenten Stromzähler, Smart Meter genannt, sind ein weiteres Sorgenkind. Unter zwei Prozent der Haushalte hätten bereits ein Smart Meter installiert, sagt Schwarz. Frankreich, Italien oder Spanien seien bereits viel weiter. „Smart Meter sind das Herzstück für die Energiewende bei sich zu Hause“, betont die Octopus-Expertin. Mit Smart Metern lässt sich der Verbrauch optimiert steuern. Scheint die Sonne und die Photovoltaikanlage produziert viel Strom, ist die Nutzung elektronischer Geräte in der Zeit „quasi gratis“, fügt Breer an.
Die Kosten für die Smart Meter variieren je nachdem, ob der Einbau verpflichtend ist oder nicht, erläutert Schwarz. Bei Pflichteinbauten, etwa wenn man eine Photovoltaikanlage mit über 7 kWp installiert oder mehr als 6.000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbraucht, würden rund 50 Euro im Jahr für das Smart Meter und weitere 50 Euro für die Steuerbox fällig. Beim optionalen Einbau komme man in Summe meist schon mit rund 60 Euro weg, so Schwarz.
Man könne beim Netzanbieter anrufen und den Austausch verlangen, bekräftigt Schwarz: „Bei einem Pflichteinbau-Fall sollten sie es umsetzen, es kann aber aktuell zu längeren Wartezeiten kommen.“ Zudem gebe es die Möglichkeit, sich an einen wettbewerblichen Messstellenbetreiber zu wenden.
Die Sorge vor Sicherheitslücken bei Smart Meter hält Schwarz für unbegründet: „Die Sicherheitsstandards wurden in Deutschland sehr, sehr hoch gefasst.“ Die Anbieter müssten aufwendige und zeitintensive Zertifizierungsprogramme durchlaufen, alles sei End-zu-End-verschlüsselt. „Ich denke, wir haben hier in Deutschland eines der sichersten Systeme weltweit.“
Flexible Stromtarife
Je mehr die Umstellung auf elektronisch betriebene Geräte und Fahrzeuge zunimmt, desto höher fallen die Strompreisspitzen aus, etwa wenn am Abend alle ihre E-Autos laden wollen. Abhilfe können flexible Stromtarife schaffen. Octopus-Expertin Schwarz nennt drei Möglichkeiten: Bei einem volldynamischen Tarif werde der Börsenstrompreis direkt weitergeleitet. Hier locken Schnäppchen, etwa in der Nacht, wenn Strom wenig nachgefragt wird. Aber: „Man hat das Risiko, dass man Preisschocks ausgesetzt ist, wenn es zu diesen kommt. Hier muss man Chancen und Risiken gut abwägen“, sagt Schwarz.
Bei zeitfensterbasierten Tarifen sei dieses Risiko nicht gegeben, trotzdem profitiere man von günstigen Strompreisen in nachfrageschwachen Zeiträumen. „Der Preis beträgt in den Niedrigpreisfenstern um die 24 Cent pro Kilowattstunde“, sagte Schwarz.
Als drittes Modell nennt sie den smarten Ladeservice. Der Service sei für Kunden bequem. Sie könnten ihre Wünsche per App einstellen, etwa dass das E-Auto morgens früh um 8 Uhr zu 80 Prozent geladen sei, und der Anbieter übernehme die Steuerung des Zeitpunkts des Aufladens selbst. „Da es einen Maximalpreis gibt, hat man kein Risiko, wenig Aufwand und profitiert trotzdem von den variablen Kosten“, sagt Schwarz.
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