Wiesloch. Eigentlich war der Abschluss des Besuchs von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ganz anders geplant: Im Wieslocher Kongress- und Kulturzentrum „Palatin“ sollte der Landesvater beim Bürgerdialog auf viele Menschen treffen, schließlich passen bis 1200 hinein. Corona sorgte dafür, dass nur 50 in den Staufersaal durften. „Ein Ministerpräsident nicht zum Anfassen, aber zum Zuhören“, meinte Moderator Gerhard Mandel augenzwinkernd.
Die Besucher erlebten einen gut aufgelegten und wortwitzigen Winfried Kretschmann. Dem 72-Jährigen waren die Strapazen eines langen Tages im Rhein-Neckar-Kreis (wir berichteten) kaum anzumerken. Auch vom Phlegma, das ihm manchmal nachgesagt wird, keine Spur. Der „MP“, wie er sich selbst nennt, kam authentisch, klar und pragmatisch rüber, versuchte, alle Fragen zu beantworten. Das konnte er nicht immer so, wie es sich mancher Fragesteller vielleicht gewünscht hätte.
So hatte Heinz Eppel, Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet den Entenpfuhl“ wissen wollen, wie Kretschmann darüber denkt, dass dort 42 Hektar Wald abgeholzt werden sollen, die dem Land gehören. Die auf Schwetzinger Gemarkung nahe Ketsch liegende Fläche soll ja möglicherweise für Sand- und Kiesabbau verwendet werden. „Ich bin nicht der König von Württemberg, der das entscheidet. Dafür gibt es Verfahren“, verwies der Grünen-Politiker auf das Prozedere, unabhängig, ob er das persönlich gut finde oder nicht. Aber eins sei auch klar: „Wenn man einen Wald an einer Stelle abholzt, dann muss er an einer anderen Stelle wieder aufgebaut werden.“ Und wenn das Holz von diesem Wald auch noch verbaut werde, dann habe das noch einen positiven Effet für den Klimawandel. Das sagte er später auch zu einer Fragestellerin im Saal, die gegen eine größere Abholzung von Bäumen im Hardtwald zugunsten einer Vergrößerung der Vereinsanlage des Fußball-Zweitligisten SV Sandhausen ist. Heinz Eppel gehörte zu denjenigen Bürgern, die die Möglichkeit genutzt hatten, im Vorfeld, Fragen an den Ministerpräsidenten einzureichen.
Auf lokaler Ebene handeln
Klimawandel- und Umweltthemen waren ein Schwerpunkt des Abends, die Corona-Krise der andere. Zu diesem Thema kam auch gleich die erste Frage aus dem Publikum – vom Oftersheimer Gemeinderat Patrick Alberti. Grundsätzlich, so Kretschmann, sei er zufrieden, wie man in Baden-Württemberg mit der Pandemie umgehe. Kritisch sah er jedoch „feuchtfröhliche Veranstaltungen“, die sich teilweise als größere Infektionsherde entpuppten.
Auch wenn bei jüngeren Menschen die Verläufe bei Covid-19 größtenteils nicht so schwer verliefen, appellierte der Ministerpräsident: „Auch bei dieser Gruppe gibt es keine Entwarnung. Bleiben auch Sie vorsichtig.“ Grundkonzept bei der Bekämpfung sei es, auf lokaler Ebene zu handeln und dort Infektionsketten möglichst schnell zu identifizieren und vor Ort über die Maßnahmen zu entscheiden. „Deshalb haben wir die Gesundheitsämter auch besser ausgestattet.“ Aber grundsätzlich wolle er allgemeine scharfe Maßnahmen im ganzen Land vermeiden.
Zum Klimawandel gab der Ministerpräsident interessante Einblicke in seine Denkweise. Tatsache sei, dass man der Menschheit das Fliegen nicht mehr abgewöhnen werde – also müsse man viel stärker auf Kraftstoffe aus regenerativen Energien setzen. Und dabei besäßen nicht zuletzt Länder, die wirtschaftlich gut dastehen, eine Vorbildfunktion. „Nur wenn das Ökologische auch ökonomisch erfolgreich ist, werden wir global die Klimakrise in den Griff bekommen“, sagte Winfried Kretschmann.
Eine Frage drehte sich um den Hockenheimring und warum das Land diesen überhaupt fördere. „Wir unterstützen ihn nicht“, stellte der „MP“ klar und machte nicht den Eindruck, dass er daran etwas ändern wollte. Irgendwann würden auf dieser Strecke auch E-Fahrzeuge um die Wette fahren, hofft er.
Ganz energisch brach er dann noch im Rückblick auf die Randale eine Lanze für die Polizei: „Das dürfen wir uns nicht bieten lassen. Ich auch wissen, wer das war. Die Polizei von Baden-Württemberg hat unser Vertrauen verdient.“
Lob für den Kreis
Zum Abschluss seines Besuchs im Rhein-Neckar-Kreis überschüttete er die Region quasi mit Komplimenten: “Ich konnte mir einen vielfältigen Eindruck über die Themen verschaffen, die die Menschen hier bewegen. Ich durfte erleben, mit welchem Engagement die Bürger die Zukunft ihres Kreises mitgestalten und sich etwa den aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen oder im öffentlichen Personennahverkehr mit tollen Ideen und großem Engagement stellen. Dieser Einsatz und das Interesse der Bürger an der Entwicklung ihres Kreises hat mich – auch beim abschließenden Bürgerdialog – sehr beeindruckt. Ich bin sehr gerne hier bei Ihnen zu Gast gewesen.“
Für alle die, beim Bürgerdialog nicht dabei sein konnten, gibt‘s die Veranstaltung übrigens auf dem Youtube-Kanal des Rhein-Neckar-Kreises zum Nachsehen.
Info: Weitere Bilder vom Abend in Wiesloch finden Sie unter www.schwetzinger-zeitung.de
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