Dass die Nibelungen links und rechts des Rheins eine durchaus gewichtige Rolle gespielt haben (sollen), ist bekannt. Darüber hinaus aber gibt es in der Region zahlreiche weitere Sagengestalten mit lokalem Bezug. Manchen von ihnen wird sogar ein Denkmal errichtet. Genau darum geht es in der letzten Folge unseres Kulturrätsels.
Wir befinden uns im Jahr 1644 und mitten in dem, was man den Dreißigjährigen Krieg nennen wird. Truppen unterschiedlichster Nationalitäten ziehen durch die Lande, erobern, plündern, vergewaltigen, töten. Eine kleine Stadt im heutigen Südhessen ist damals zwar von einer hohen Mauer mit starken Toren und wehrhaften Türmen umgeben. Dennoch gelingt es am 20. November französischen und schwedischen Truppen, die Stadt zu besetzen. Auf dem Marktplatz richten sie ein Blutbad an – so grauenhaft, dass das Blut der Bürger den schrägen Platz heruntergeflossen sein soll.
Die Wende kommt ab dem 2. Dezember, als bayerischen Truppen das Einnehmen der Stadt gelingt – über einen Geheimweg. Wer aber den Bayern diesen gewiesen haben soll und wem deshalb später ein kleines Denkmal errichtet worden ist, das ist die heutige Rätselfrage.
So viel kann verraten werden: Es handelt sich um eine Person, die damals in der Vorstadt der Stadt lebt. Diese Person hat die Grausamkeiten, die Franzosen und Schweden begangen haben, miterlebt und dadurch Freunde und Bekannte verloren. Als Rache dafür beschließt sie, den Bayern einen geheimen Gang zu zeigen, der von hinten den Zugang zur Stadt erlaubt: Sie leuchtet den anrückenden Truppen mit einer Laterne den Weg und führt sie zu einer Stelle, an der ein Mühlgraben unter der Stadtmauer hindurchführt.
Heute erinnert ein Denkmal in der Stadt an die gesuchte Person. Es existiert auch eine Redewendung, die die Tatsache aufgreift, dass die bayerischen Truppen seinerzeit von hinten in die Stadt gelangt sind. Jedes Jahr bei großen Festen oder repräsentativen Gelegenheiten erwacht die gesuchte Person zudem zu neuem Leben: Eine Person aus der heutigen Stadt schlüpft dann – in passender Kleidung und mit Laterne ausgestattet – in die Rolle der damaligen Figur und erinnert damit an eine „sagenhafte“ Tat.
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