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Maschen, Film & Popcorn: Ein Häkel-Selbstversuch beim ersten Ketscher Strickkino

Stricken oder Häkeln und dabei einen Film genießen, geht das? Ein Selbstversuch eines „blutigen“ Anfängers beim ersten Ketscher Strickkino im Central.

Von 
Henrik Feth
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Schon vor Filmbeginn wird beim Ketscher Strickkino gewerkelt. © Melanie Wernz

Ketsch. Sprichwörter wie „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“ oder „Aller Anfang ist schwer“ dürften wohl den meisten Menschen bekannt sein – und nachdem das erste Ketscher Strickkino jetzt erfolgreich über die Bühne gegangen ist, kann ich bestätigen: Ja, in diesen Phrasen liegt ein großes Stück Wahrheit.

Das neue Format im Central Kino bot die ideale Gelegenheit, um meine eigenen Fähigkeiten in den Handarbeitsdisziplinen Stricken und Häkeln auf die Probe zu stellen – Erfahrungsschatz: Häkelunterricht in der Grundschule vor gut 30 Jahren.

Doch man sollte sich ja bekanntlich nicht vor Herausforderungen scheuen und so setzte ich die Messlatte direkt hoch. Ein Mäntelchen für unseren Redaktionshund „Willy“ sollte es werden, ich war begeistert. Doch Kollegin Connie Lorenz, passionierte Wollwerkerin in frühen Jahren, nahm mir direkt den Wind aus den Segeln: viel zu anspruchsvoll.

Häkeln lernen in Ketsch: Inspiration bei Fußballspielerin Klara Bühl

Ich bin ihrem Ratschlag gefolgt, die Stricknadeln sein zu lassen und mich eher auf das Häkeln zu konzentrieren, was wohl wesentlich einfacher sein soll. Okay, dann eben so: Inspiriert von der deutschen Frauennationalmannschaft und Spielerin Klara Bühl, die zur Weltmeisterschaft in Australien einen Koala als Maskottchen gehäkelt hatte, war mein Ziel klar.

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„Willy“ sollte also kein gestricktes Mäntelchen mehr bekommen, sondern einen gehäkelten Doppelgänger. Das wird doch wunderbar funktionieren, dachte ich mir. Reibungslos lief der Kauf der nötigen Utensilien und die Vorbereitung konnte beginnen.

Anleitungsvideos auf Youtube und Schritt-für-Schritt-Tutorials für Häkelanfänger haben mich dann zurück in die Realität geholt. Als ausgemachter Grobmotoriker musste ich mir eingestehen, dass die Miniversion von „Willy“ ungefähr so wahrscheinlich ist wie ein Champions-League-Titel für Borussia Mönchengladbach.

Erste Häkelversuche gehen bei Redakteur Henrik Feth noch wenig erfolgreich aus. © Connie Lorenz

Eine Mentorin war gefragt: Gut, dass die Strick- und Häkelexpertin zufällig ihren Schreibtisch gegenüber hat und mir ganztägig Mut mit vielen aufmunternden Worten und zahllosen Vorführungen machte. Erschwerend kam allerdings hinzu, dass keine Zeit zum Üben war, sie Rechts- und ich Linkshänder bin und mein Talent vielleicht nicht weit genug über das richtige Halten der Häkelnadel hinausgeht.

Als dann der Tag des Strickkinos kam, hatte ich noch keine einzige Masche gehäkelt. Also war ein intensives Turbotraining nötig. Unterstützt von Volontärin Melanie Wernz, die mich am Abend begleiten sollte, verzweifelte ich fast an der Häkelkunst.

Häkeln für Anfänger Kurzanleitung

  • Start: Eine Anfangsschlinge legen und auf die Häkelnadel setzen. Etwa 20 Luftmaschen häkeln – das ist deine Basisreihe.
  • Feste Maschen: In die zweite Masche von der Nadel einstechen, Faden holen und durchziehen. Noch einmal Faden holen und durch beide Schlingen ziehen. So bis zum Reihenende weiterarbeiten.
  • Wenden: Am Ende eine Luftmasche häkeln, Arbeit drehen und in jede Masche der Vorreihe eine feste Masche setzen.
  • Abschluss: Wenn das Stück die gewünschte Größe hat, Faden abschneiden, durch die letzte Schlinge ziehen und Enden vernähen.

Zu verkrampft, falsche Handhaltung, Maschen viel zu eng, nichts funktioniert – das Frustlevel stieg kontinuierlich. Und dann die größte Frechheit: „Lass mich mal versuchen“, so die junge Kollegin, die ebenfalls seit der Grundschule keine Berührungspunkte mit Wolle und Häkelnadel hatte – erster Versuch, perfekte Luftmasche.

Keine Ausreden beim Häkel-Selbstversuch im Ketscher Strickkino

Meine Ausreden wie „das liegt an der Wolle“ oder „das ist die falsche Nadel“ waren damit passé – Häkeln und ich sollte wohl keine Erfolgsgeschichte werden. Doch Aufgeben war keine Option, schließlich habe ich mir für das tolle Event des Centralteams einiges vorgenommen – also ab nach Ketsch.

Schon eine halbe Stunde vor Filmbeginn, es wurde übrigens das Drama „22 Bahnen“ gezeigt, bildet sich eine lange Schlange vor dem Central, das Strickkino ist ausverkauft. Sobald ich es mir in meinem Kinosessel gemütlich gemacht habe, zeigt mir ein Blick durch die Reihen, wo schon fleißig an den unterschiedlichsten Mustern gestrickt wird, dass ich hier ein „blutiger“ Anfänger in Gesellschaft von jahrzehntelanger Erfahrung bin.

Redakteur Henrik Feth ist beim Häkel-Selbstversuch voll konzentriert bei der Sache. © Melanie Wernz

„Wette verloren?“, werde ich mehrmals gefragt. Aber es gibt auch aufmunternde Worte wie „Toll, dass auch ein Mann hier strickt“ – tatsächlich besteht das Publikum zu 95 Prozent aus Damen – die wenigen Herren sind nur, wie es meine Sitznachbarin mit Wortwitz ausdrückt, „Popcornhalter“.

Doris Steinbeißer vom Kinoverein begrüßt und erläutert kurz den besonderen Abend, während ihre Mitstreiter vom Central-Team wie Strickkino-Organisatorin Annette Schwab mit Besucherbetreuung und Verpflegung für ein perfektes Drumherum sorgen.

Ketscher Strickkino: Film beginnt, Nervosität steigt

Das Licht bleibt an, der Film beginnt und ich starte damit, die schon vorbereitete und wenige Zentimeter lange Reihe an Luftmaschen aus hellblauer Wolle weiter zu häkeln. Nervosität macht sich zunächst breit, man möchte nicht zu unbeholfen aussehen. Das führt dazu, dass zunächst das Wollknäuel mehrfach herunterfällt und ich schon leicht ins Schwitzen komme.

Währenddessen erreichen mich die ersten Töne von „22 Bahnen“, mein Blick ist ausschließlich auf mein „Werk“ fokussiert. Motiviert vom herrlichen Popcornduft und der gemütlichen Atmosphäre im Kinosaal setzt eine gewisse Lockerheit ein und plötzlich läuft es – die Maschen fliegen nur so über meine Häkelnadel.

Angela Köber (v. l.), Petra Maurer und Organisatorin Annette Schwab vom Centralteam freuen sich über den Zuspruch für das Strickkino. © Melanie Wernz

Schnell bin ich völlig im „Tunnel“ und bekomme nur wenig von meinem Umfeld, geschweige denn vom Film, mit. Einfädeln, Masche ziehen, nicht zu eng und das Ganze von vorne – die Luftmaschenreihe wird länger und länger, die Zeit vergeht im Flug und die gut 100 Minuten des Filmdramas sind schon vorbei.

Entgegen der Erwartung kann sich das Ergebnis sogar sehen lassen: Meine „Wollschlange“ ist von knapp zehn Zentimetern auf gut zwei Meter angewachsen und ich bekomme sogar Lob von einigen der Besucherinnen wie „Oh, sehr schön gehäkelt, nicht zu fest“.

Das Ergebnis: Eine gut zwei Meter lange Luftmaschenreihe, die zu einem Getränkeuntersetzer werden soll. © Melanie Wernz

Stolz blicke ich auf mein Werk, auch wenn letztendlich kein „Willy“ daraus geworden ist. Bei weiteren Unterhaltungen wird mir gezeigt, was beim ersten Ketscher Strickkino alles bearbeitet wurde – vom Schal bis zum Babyhemdchen.

„Stricken ist wie Yoga“, so die Aussage einer der Besucherinnen, kann ich jetzt zwar aus meiner ersten Erfahrung noch nicht bestätigen, aber klar ist: Die Idee des Strickkinos im Central war ein voller Erfolg und wird bestimmt fest ins Programm aufgenommen werden.

Eines der vielen Muster, an denen beim Strickkino gearbeitet wurde. © Melanie Wernz

Und was passiert mit meiner gehäkelten „Wollwurst“? Wer weiß, vielleicht wird es eher kein Kleidungsstück für unseren Redaktionshund, aber ein schöner hellblauer Getränkeuntersetzer ist im realistischen Bereich. Fazit dieses Selbstversuchs: Einfach Dinge ausprobieren, auch bei anfänglicher Skepsis.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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