Alles hat seine Zeit

Katja Bauroth über Schnelllebigkeit, die gebremst gehört

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Katja Bauroth
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Es gibt eine Regel in unserem Haushalt, die ich einhalte wie sie meine Oma zuvor und meine Mutter noch heute pflegen: Erst nach dem Totensonntag wird die Weihnachtsdekoration aus dem Keller geholt! Umso glücklicher bin ich dieses Jahr, dass der Schwetzinger Weihnachtsmarkt nicht wie im Vorjahr schon am Totensonntag eingerichtet ist, auch wenn er im vergangenen Jahr an diesem Tag nicht geöffnet hatte. Denn der Trend, die Adventszeit immer früher einzuläuten, wie in einigen Städten Deutschlands zu sehen, ärgert mich. Werfen wir denn nur all unsere Traditionen und Werte über Bord wegen Kommerz oder weil es einfach kaum noch einen zu interessieren scheint?

Ehrlich: Manchmal denke ich mir das schon. Für mich ist der Totensonntag ein stiller Gedenktag. Er dient als Moment der Besinnung, des Nachdenkens über Verlust und Vergänglichkeit. Es ist ein Tag, der Respekt und Zurückhaltung erfordert.

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Katja Bauroth
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Die vorgezogene Weihnachtsfreude, die zunehmend bereits Anfang November in vollem Glanz erstrahlt, unterläuft diese besondere Zeit. Sie lässt kaum Raum für die angemessene Würdigung eines Gedenktags, der nicht nur für Gläubige, sondern für die Gesellschaft meines Erachtens relevant ist.

Natürlich verstehen viele Händler und Veranstalter die Vorverlegung des Weihnachtsgeschäfts als wirtschaftliche Notwendigkeit. Doch der Preis dafür ist hoch: die schleichende Verdrängung einer traditionellen, emotional bedeutsamen Zeit. Die Frage ist, ob sich der wirtschaftliche Erfolg tatsächlich lohnt, wenn dafür die Sensibilität für kulturelle und spirituelle Werte geopfert wird.

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Jammern wir nicht oft genug, wie schnelllebig diese Zeit doch ist? Und sind wir letztlich nicht selbst daran auch schuld? Wir sind vermeintlich immer erreichbar durch Smartphone, Teams und überhaupt. Für alle. Für den Chef, für die Familie, die Freunde. Wo bleibt da das Ich? Mehr Geduld täte uns allen gut. Und der Zauber der Weihnachtszeit lebt doch gerade von ihrer Begrenztheit, von der Vorfreude, die sich erst nach und nach entfaltet. Würde man den Totensonntag als eine „Grenze“ respektieren, könnten beide Seiten gewinnen: eine stille Zeit der Besinnung und eine Weihnachtszeit, die sich wieder deutlicher von der Alltäglichkeit abhebt.

Es bleibt zu hoffen, dass Veranstalter und Konsumenten gemeinsam innehalten und erkennen, dass es manchmal wertvoll ist, dem Lauf der Dinge seinen natürlichen Rhythmus zu ermöglichen. Weihnachten hat seine Zeit – aber nicht vor dem Totensonntag.

Von daher freue ich mich auf den 28. November. Mit Start des Kurfürstlichen Weihnachtsmarktes in Schwetzingen beginnt für mich die heimelige Adventszeit. Und – das möchte ich auch an dieser Stelle mal sagen – für mich gibt es keinen besseren als das schöne Treiben in Schwetzingen.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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