Hin und wieder gibt es Niederlagen, die viel mehr kosten als zwei Punkte. Weil sie die Zweifel an der Qualität eines Kaders bestätigen und einen deswegen skeptisch in die Zukunft blicken lassen. Die Rhein-Neckar Löwen kassierten am Sonntag in Lemgo solch eine Niederlage. Und zwar nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Was den Eindruck verstärkt, dass da gerade etwas grundsätzlich schiefläuft beim Pokalsieger. Der war vor dieser Saison mit dem Ziel angetreten, den Rückstand auf die Topclubs zu verkürzen. Mittlerweile befinden sich die Badener nicht einmal mehr auf Augenhöhe mit Lemgo, wie das 25:33 zeigte.
Der bedenkliche Auftritt im Lipperland glich einem Offenbarungseid, der nun den Club vor eine harte Probe und eine Grundsatzfrage stellt: Befindet sich der Handball-Bundesligist tatsächlich auf dem richtigen Weg, um 2027 wieder zur nationalen Spitze zu zählen. Nichts anderes ist das Ziel. Und an nichts anderem werden die Verantwortlichen gemessen. Oder versinken die Mannheimer für Jahre im Mittelmaß?
Richtig ist: Nach dem rasanten Absturz zuvor verlief der Neustart in der vergangenen Saison mit Platz fünf und dem Pokalsieg besser als erwartet. Von einer Annäherung an die Topclubs kann seitdem aber keine Rede sein. Chancenlos gegen Kiel, chancenlos in Berlin, chancenlos in Flensburg, chancenlos in Melsungen und chancenlos in Magdeburg. Die Badener haben sich von der Spitze entfernt, sogar ihren Status als Nummer fünf in Deutschland an die Melsunger verloren. Was angesichts der Verletzungsmisere noch halbwegs akzeptabel wäre.
Unabhängig von Personalfragen kann und darf es aber nicht sein, dass hilflose Löwen zweimal gegen Aufsteiger Eisenach verlieren und beim Abstiegskandidaten Stuttgart nach einem Sechs-Tore-Vorsprung unterliegen. Es ist ebenso unerklärlich, dass gegen Lemgo im Hinspiel eine Sieben-Tore-Führung nicht für den Sieg reicht und das Rückspiel nach zwischenzeitlichem Fünf-Tore-Vorsprung mit einem Debakel endet.
Die Krise ist keine Phase
Aussetzer in dieser Häufigkeit sind inakzeptabel, die Gründe dafür aber leicht zu finden. Nur zwei Teams leisten sich mehr technische Fehler als die Löwen, bei der Abschlussquote stehen sie auf Platz zwölf. Es sind Zahlen, die viel aussagen. Vor allem über fehlende Qualität. Was bei den Badenern besonders mit Blick auf die Kaderbreite gilt. Bislang ist kein Neuzugang eine Verstärkung. Und dennoch wäre es falsch, alles an ihnen festzumachen.
Denn Fakt ist: Die aktuelle Krise ist keine Phase, der Trend geht schon längere Zeit klar in die falsche Richtung: 26:38 Punkte in der Liga seit Mitte März sagen viel aus. Es ist die Bilanz eines Durchschnittsteams, als das sich die Löwen allerdings nicht sehen.
Nun müssen sie dann aber auch zeigen, dass sie besser sind. Es geht um die Wende. Dabei muss in dieser Saison nicht mehr eine Europapokal-Qualifikation herausspringen, aber eben doch eine Entwicklung erkennbar sein - ehe ab Sommer ohnehin keine Ausreden mehr gelten.
Mit namhaften Transfers starten die Löwen im Juli in die dritte Saison des 2022 formulierten Fünfjahresplans. Und ab dann wird sich abzeichnen, ob der eingeschlagene Weg einer mit Perspektive ist. Oder ob dem Absturz nach den Meisterjahren nun das Scheitern der groß angekündigten Auferstehung folgt.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Erste Zweifel am Löwen-Weg
Die Rhein-Neckar Löwen hinken ihren eigenen Ansprüchen hinterher. Schafft es der Handball-Bundesligist bis 2027 zurück in die Spitze? Zweifel sind angebracht. Und ab diesem Sommer gelten ohnehin keine Ausreden mehr, meint Marc Stevermüer