Mannheim. Sie fehlen insgesamt und sie fehlen ganz besonders in sozialen Brennpunkten: Kinderärztinnen und Kinderärzte in Mannheim. Eltern müssen zum Teil lange Wartezeiten für einen Termin oder weitere Wege in Kauf nehmen – was viele von ihnen einfach schlicht unterlassen und auf die Vorsorgeuntersuchung oder eine Impfung verzichten. Weil es möglicherweise an einem Auto fehlt, das Geld für Bus und Bahn nicht vorhanden ist oder es an Gesundheitswissen mangelt.
Der Beginn einer fatalen Abwärtsspirale: Werden beispielsweise Entwicklungsverzögerungen zu spät oder überhaupt nicht erkannt, kann auch keine geeignete Förderung erfolgen. Damit fallen Kinder, die möglicherweise durchaus über ein gutes Entwicklungspotenzial verfügen, schon von klein auf durchs Raster. Anstatt den für sie bestmöglichen Schulabschluss machen zu können, droht die Förderschule. Was in Zeiten des Fachkräftemangels geradezu paradox erscheint.
Sprachbarrieren, eine erhöhte Fallzahl belasteter Familien und oft auch ein wenig ausgeprägtes Netz an unterstützenden Hilfsangeboten machen die Arbeit zeitintensiv und damit wirtschaftlich unattraktiv
Die Beweggründe von Kinderärztinnen und -ärzten, sich lieber nicht in einem sozialstrukturell auffälligen Stadtteil niederzulassen, sind durchaus nachvollziehbar. Liegt die Arbeitsbelastung in der Kindermedizin sowieso schon höher als in anderen Fachrichtungen, weil die Betreuung der Kleinsten mit einem besonderen Maß an Zuwendung und oft auch mit einer gründlichen Beratung der Eltern einhergeht, so sind die Problemlagen in sozialen Brennpunkten noch einmal ganz andere: Sprachbarrieren, eine erhöhte Fallzahl belasteter Familien und oft auch ein wenig ausgeprägtes Netz an unterstützenden Hilfsangeboten machen die Arbeit zeitintensiv und damit wirtschaftlich unattraktiv. Privatpatienten gibt es nicht, und Geld für sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen ist nicht vorhanden.
Umso anerkennenswerter ist es, wie eine Mannheimer Kinderärztin aller bürokratischen Hürden zum Trotz dafür kämpft, die Kinder und Familien auf der Hochstätt mitversorgen zu können – einem der kinderreichsten Mannheimer Stadtteile, der bislang allerdings komplett ohne kinderärztliche Versorgung ist.
Für jeden Stadtteil mindestens einen Kinderarzt – das sollte das große Ziel sein. Kassenärztliche Vereinigung, Kommune, Land und Bund zeigen dabei allerdings mit dem Finger aufeinander und verweisen auf fehlende Steuerinstrumente, die ärztliche Freiberuflichkeit und die freie Wahl des Praxisstandortes. So wird der große Wurf zugunsten der Kleinen nie gelingen. Es bedarf endlich einer grundlegenden Reform, um die medizinische Versorgung aller Kinder in Deutschland zu gewährleisten.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Für jeden Mannheimer Stadtteil mindestens einen Kinderarzt!
Simone Kiß fordert eine ausgewogenere Verteilung der kindermedizinischen Versorgung im Stadtgebiet. Dafür bedarf es endlich einer grundlegenden Reform.