Brühl. Es war das Jahr 1993 und es herrschte Aufbruchsstimmung. Die USA und Russland unterschrieben den Start-Vertrag, mit dem alle landgestützten Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen deaktiviert wurden, in Washington setzten sich der PLO-Führer Jassir Arafat und der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin an einen Tisch und lancierten gemeinsam einen ersten Friedensprozess zwischen Palästinensern und Israelis, Bill Clinton wurde US-Präsident, in Russland fanden die ersten freien Wahlen statt und in Brühl gründeten ein paar Streiter um Oskar Dietz und Herbert Semsch die Freien Wähler.
Für die Hufeisengemeinde, so die heutige Vorsitzende Eva Wilhelmi-Stauffer während einer kleinen Jubiläumsfeier zum 30. Geburtstag, eine wegweisende Entscheidung. In Sachen Verortung der Kommunalpolitik bei den Menschen seien die Freien Wähler unverzichtbar.
Die Anfänge der Freien Wähler in Brühl
Ziel sei es gewesen, dem politisch ungebundenen Bürger ein Forum zur Meinungsäußerung zu bieten. Und in dieser Hinsicht konnte die Vereinsvorsitzende hier in der Villa Meixner doch auf einige Erfolge verweisen.
Es müsse einen Grund dafür geben, dass die Fraktion der FWV im Gemeinderat von anfänglich zwei auf nun sechs Ratsmitglieder anwuchs. Immerhin seien die Freien Wähler damit die zweitstärkste Fraktion im Brühler Rathaus.
Erster Anlauf scheitert
Genau betrachtet würde die Geschichte der Freien Wähler noch länger zurückreichen, denn schon im Oktober 1973 gründeten ein paar Brühler und Rohrhofer Bürger die Freien Wähler. Letzten Endes scheiterte die Truppe jedoch. Es kam jedenfalls zu keiner Beteiligung an den Gemeinderatswahlen im Jahr 1975. 20 Jahre später allerdings schon.
Seitdem gelte der Spruch „Sie kamen, um zu bleiben.“ Und das mit einem einfachen, aber erfolgversprechenden Rezept: Die Freien Wähler, so Wilhelmi-Stauffer, zeichneten sich durch politische Neutralität und strikte Sachorientierung aus. Und mit am wichtigsten sei die Ausrichtung auf die Kommunalpolitik. „Unser Thema ist nicht die große Politik in der Republik oder gar Europa.“ Der Fokus läge klar bei den Gemeinden und ihren Menschen.
Lokale Politik und Sachorientierung als Leitprinzip bei den Freien Wählern in Brühl
Zum Ausdruck käme diese Ausrichtung auch in ihrer rechtlichen Form. Die Freien Wähler sind keine Partei, sondern ein Verein. Damit verknüpfe sich eine Art Beinfreiheit, die andere politische Akteure so nicht hätten. Auf übergeordnete politische Gegebenheiten müssten Freie Wähler keine Rücksicht nehmen. Die einzige Richtschnur seien die Belange vor Ort.
Wilhelmi-Stauffer bringt es auf die Formel, an der Sache orientiert den besten Weg für die Menschen hier finden. Und an dieser Stelle konstatierte sie der Kommune eine insgesamt gute Position. Zwar habe die neue „Grüne Mitte“, Sportpark Süd und Neubaugebiet Schrankenbuckel, der Gemeinde in finanzieller Hinsicht doch ziemlich zugesetzt, aber unterm Strich sei doch vieles hier auf den richtigen Bahnen.
Wachsender Einfluss und Bedeutung in der Gemeindepolitik bei den Freien Wählern in Brühl
Eine Einschätzung, die der erste Grußredner, Bürgermeister Dr. Ralf Göck, gerne hörte. In Richtung der Freien Wähler erklärte der Verwaltungschef, dass sie zu einem stetig wachsenden Bestandteil der Gemeinde geworden seien und dies bedeutete für Brühl einen Unterschied. Sie sähen dabei keine schwarzen, roten oder grünen Kanaldeckel, sondern nur welche, die in Ordnung oder eben kaputt seien. Letztere müssten dann repariert werden.
Es sei wohl das Kernanliegen der Freien Wähler, nicht die politische Richtung, sondern die Sache vor Ort. Und in Brühl ist das in den Augen des Bürgermeisters allgemein gelebte Praxis. Was nicht heiße, dass es nicht hin und wieder zu Spannungen käme. Den Widerspruch zwischen den Menschen, die dringend eine Wohnung suchten, und denen, die in ihrer Nachbarschaft möglichst wenig Bebauung wünschten, sei auch für die Freien Wähler nicht wirklich aufzulösen. Aber unter dem Strich gelte, die Freien Wähler seien für die Gemeinde und ihre Menschen eine Bereicherung.
Freie Wähler Brühl wünschen sich frischen Wind
Bevor Monika Springer, Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Baden-Württemberg der Freien Wähler, Jürgen Schmitt, Vorsitzender der Freien Wähler Rhein-Neckar-Kreis, und der Vorsitzende der Interessensgemeinschaft der Vereine, Wolfram Gothe, zu Wort kamen, übernahm die Sängerin Magdalena Lammes die Regie auf der kleinen Bühne in der Villa Meixner. Mit Liedern wie „The Power of Love“, „Creep“ und „Golden“ begeisterte sie ihr Publikum und erfüllte nebenbei auch noch den FW-Anspruch vom frischen, jugendlichen Wind, der in die Rathäuser einziehen sollte. Ein Anspruch, dem die Freien Wähler, so Springer und Schmitt, gerecht würden.
Die Möglichkeit der Willensbildung jenseits parteipolitischer Zwänge sei unverzichtbar. Eine Sicht, die Gothe teilte. „Sie sind ein ganz wichtiger Teil unserer Vereinsfamilie.“ Und Schmitt ergänzte, dass die Freien Wähler mit dazu beitrügen, dass die Kommunalpolitik, die Keimzelle der Demokratie, funktioniere und Anschluss schaffe. Letzteres ist der Fraktionsvorsitzenden Heidi Sennwitz besonders wichtig. Gerade für die im Jahr 2024 kommende Gemeinderatswahl sei es wichtig, möglichst viele Menschen mit an Bord zu nehmen. „Je mehr Menschen mitmachen, desto besser die Entscheidungen, die am Ende ja wiederum alle betreffen.“
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