Gewerbegebiet Süd - Unternehmensleitung erklärt Hintergründe zur Aufgabe des Zentrums / Sozialplan mit Betriebsrat unterschrieben / Nachnutzung noch unklar

Aldi organisiert den Abschied vom Standort in Ketsch

Von 
Benjamin Jungbluth
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Das Verwaltungsgebäude der Regionalgesellschaft Ketsch in der Karlsruher Straße wird Mitte 2022 geräumt. © Jungbluth

Ketsch. Die Nachricht sorgte zum Jahresanfang für Aufregung in der Enderlegemeinde: Nach mehr als 50 Jahren löst der Discounter Aldi Süd seine Regionalgesellschaft Ketsch auf. 180 Arbeitsplätze werden bis Mitte 2022 in der Logistik und der Verwaltung verlorengehen, wovon wegen vieler Teilzeitstellen rund 275 Mitarbeiter betroffen sein werden.

Zwei Monate nach Verkündung der Hiobsbotschaft nimmt die Umstrukturierung nun langsam konkrete Züge an, wie die Geschäftsführung der Regionalgesellschaft im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt: Für die Mitarbeiter und für das große Betriebsgelände im Gewerbegebiet Süd tun sich erste Perspektiven auf. Doch in etwas über einem Jahr wird das Kapitel Ketsch für Aldi fast endgültig Geschichte sein – nur die Verkaufsfiliale und die ausgegliederte Kaffeerösterei werden übrig bleiben.

Chronik der Regionalgesellschaft von Aldi Süd

1964: Aldi Süd nimmt seine erste süddeutsche Regionalgesellschaft in einer 6000 Quadratmeter großen Halle in Brühl in Betrieb.

1968: Umzug nach Ketsch an den heutigen Standort, Vergrößerung auf etwa 12 000 Quadratmeter.

1973: Erweiterung des Logistikbereichs für Lebensmittel und Errichtung der Kaffeerösterei.

1998: Anbau eines Bereichs für Tiefkühlwaren.

2003: Letzte Erweiterung der Halle auf rund 40 000 Quadratmeter. Neuordnung des gesamten Anlieferverkehrs über den Heuweg statt über die Karlsruher Straße sowie Errichtung von Lärmschutzwällen in Richtung Wohngebiet.

2004: Abbruch und Neubau des Verwaltungsgebäudes an derselben Stelle.

2017: Ausgliederung der beiden Kaffeeröstereien von Aldi Süd in Mülheim an der Ruhr und Ketsch als eigenständiges Tochterunternehmen unter dem Namen „NewCoffee“. Sie sind von der Aufgabe der Regionalgesellschaft Ketsch nicht betroffen. beju

„Die Region um Schwetzingen war für Aldi Süd seit jeher sehr wichtig: 1964 haben wir in Brühl nahe des Luftschiffrings unsere erste süddeutsche Regionalgesellschaft gegründet. Zuvor gab es Aldi nur im Ruhrgebiet und im Rheinland, doch mit dem Erfolg unseres damals revolutionären Discount-Prinzips wollten wir uns weiter ausdehnen“, umreißt Jens Daniel, Geschäftsführer der Ketscher Regionalgesellschaft, die damalige Entwicklung. Bald schon wurde die rund 6000 Quadratmeter große Halle in der Hufeisengemeinde zu klein. 1968 lockte schließlich der damalige Bürgermeister Ferdinand Schmid das Unternehmen nach Ketsch, wo die Regionalgesellschaft eine doppelt so große Halle am heutigen Standort beziehen konnte. Nach mehreren Umbauten hat sie heute eine Fläche von 40 000 Quadratmetern.

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Dennoch entspricht die Logistikhalle nicht mehr den aktuellen Anforderungen von Aldi. Denn die Grundstruktur konnte über die Jahrzehnte nicht verändert werden. „Die Deckenhöhe liegt bei nur 5,40 Metern und die Traglast der Böden ist recht gering. Deshalb können wir dort keine Hochregale einbauen“, erklärt Martin Pfeifle, Leiter der Logistik.

Diese seien aber notwendig, um mit der Zeit zu gehen und die immer komplexere Logistik weiterhin abwickeln zu können. „Wir haben inzwischen mehr als viermal so viele Artikel im Angebot als 1968, da muss man irgendwann die Lagerhaltung anpassen. In Ketsch wäre dafür ein kompletter Neubau notwendig“, sagt Martin Pfeifle, der bereits seit 1986 am Standort tätig ist. Ein weiteres Problem seien die begrenzten Ausdehnungsmöglichkeiten denn die Wohngebiet, die Starkstromtrasse und die benachbarten Betriebe lassen langfristig kein Wachstum mehr zu.

Filialen werden aufgeteilt

Davon unabhängig organisiere sich Aldi Süd derzeit um. Mit seinem stark dezentralen Ansatz von derzeit noch 28 Regionalgesellschaften sei man immer gut gefahren, aber jetzt sei eine Anpassung der Strukturen notwendig. „Und da trifft es dann im Zweifelsfall eben eher einen etwas in die Jahre gekommenen als einen ganz modernen Standort“, sagt Geschäftsführer Jens Daniel, der seit 2004 die Abläufe in der Enderlegemeinde verantwortet.

Neben Ketsch seien von diesen Umstrukturierungen auch die Regionalgesellschaften Wittlich, Altenstadt und Montabaur betroffen. Ihre Filialen werden allesamt auf umliegende Gesellschaften aufgeteilt. Für die bisherige Region Ketsch, die aktuell 75 Filialen umfasst, werden in Zukunft die Regionalgesellschaften in Mörfelden zwischen Darmstadt und Frankfurt, Murr zwischen Heilbronn und Stuttgart, Rastatt und Kirchheim an der Weinstraße zuständig sein.

Ob einzelne Mitarbeiter aus Ketsch in eine der vier Gesellschaften wechseln können, wird laut Geschäftsführer Jens Daniel im Einzelfall geprüft. „Wir sind aber auch noch sehr früh dran, denn unsere Logistik arbeitet ja noch bis Ende April 2022, die Verwaltung sogar bis Ende Juni 2022. Viele Mitarbeiter warten deshalb noch mit der Jobsuche“, so Jens Daniel.

„Gewisse Perspektive“

Dennoch seien mit dem Betriebsrat bereits der Interessenausgleich und der Sozialplan unterzeichnet worden, es gebe für die Mitarbeiter also schon jetzt eine gewisse Perspektive und Planungssicherheit. „Unsere Abfindungen, die sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richten, liegen im oberen Bereich“, versichert Geschäftsführer Jens Daniel. In den kommenden Monaten werde es Infoveranstaltungen geben, sodass die Mitarbeiter mit vereinfachten Bewerbungsverfahren mit zukünftigen Arbeitgebern in der Region in Kontakt kommen könnten.

Gerade im Bereich der Logistik, die etwa zwei Drittel der Stellen ausmacht, könnte sich vielleicht sogar nur einen Steinwurf entfernt eine Perspektive auftun: Bis Mitte kommenden Jahres, also fast parallel zur Aufgabe von Aldi, will der Logistikspezialist LGI Logistics Group International den Betrieb im ehemaligen Logistikzentrum der 21sportsgroup hochfahren und sich dort auf die hochwertigen Bereiche Healthcare, also Medizintechnik, In-vitro-Diagnostik und Elektronik fokussieren (wir berichteten exklusiv).

Langfristig plant das Unternehmen aus der Nähe von Stuttgart mit 200 bis 250 Arbeitsplätzen. „Wir haben natürlich auch zu LGI Kontakt aufgenommen“, bestätigt Geschäftsführer Jens Daniel.

Und er weist auf einen weiteren möglichen Arbeitgeber hin: Den späteren Nachnutzer des Betriebsgeländes von Aldi Süd. „Es gibt bereits mehrere Interessenten, aber noch sind wir da in einem frühen Stadium. Sowohl ein Verkauf als auch eine Vermietung sind denkbar. Auch eine räumliche Trennung wäre möglich, also unterschiedliche Nutzungen von Logistikhalle und Bürogebäude, oder gar eine Aufteilung auf mehrere Unternehmen. Das Gelände hat in jedem Fall Potenzial“, erklärt Geschäftsführer Daniel im Gespräch.

Für Vorschläge offen

Dass für Aldi die Gebäudestruktur nicht mehr passe, sei indes kein Problem: Viele Logistiker würden weiterhin ohne Hochregale auskommen und könnten den Bestand ohne große Umbauten weiternutzen. „Gerne kann sich da auch die Gemeinde, mit der wir mehr als ein halbes Jahrhundert lang eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet haben, einbringen: Wir sind für Vorschläge und Ideen jederzeit offen“, betont Daniel. „Deshalb sind wir zuversichtlich, dass es für den Standort und viele Mitarbeiter eine gute Lösung geben wird.“

Info: Weitere Bilder gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de

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Freier Autor Freier Journalist für die Region Heidelberg, Mannheim und Rhein-Neckar. Zuvor Redakteur bei der Schwetzinger Zeitung, davor Volontariat beim Mannheimer Morgen. Neben dem Studium freie Mitarbeit und Praktika u.a. beim Mannheimer Morgen, der Süddeutschen Zeitung, dem SWR und der Heidelberger Studentenzeitung ruprecht.

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