Brühl. „Manchmal geht ein Werkstoff eigenständig seinen Weg“, schildert Bernd Gerstner, dass der Entstehungsprozess seiner zwei- und dreidimensionalen Kunstwerke einem kreativen Dialog zwischen Künstler und Material entspricht, der sich in diverse Richtungen entwickeln darf. Die aktuelle Ausstellung „Kontraste“ in der Villa Meixner umfasst mehr als 80 Exponate, für die sich Zeit zu nehmen lohnt, unter anderem diese Entwicklung zu studieren.
Die Ausstellung
„Kontraste“, die Ausstellung mit Werken von Bernd Gerstner in der Brühler Villa Meixner, ist noch bis Sonntag, 7. April, zu sehen: jeweils Samstag von 14.30 bis 17.30 Uhr, Sonntag von 14 bis 17.30 Uhr sowie an Feiertagen und nach Vereinbarung.
Führungen werden am Samstag, 16. März, bis 16.30 Uhr, Sonntag, 24. März, Samstag, 30. März und Sonntag, 7. April zur Finissage angeboten. zesa
Bei einigen seiner von feiner Empathie geprägten Bilder und Skulpturen habe er selbst im Erschaffen manchmal innehalten müssen, denn: „Es treiben einen viele Gedanken um.“ Gerstner setzt sich intensiv mit Vergangenheit und Gegenwart, den Kriegen, dem Holocaust, Dichtern, Denkern, Künstlern, der Menschheit mit teils sehr konkretem Bezug zur Erde auseinander. Die Erde ist entsprechend aufbereitet zudem sein favorisiertes Material in der Malerei. Für seine Skulpturen sind Fundstücke – auch von ehemaligen Kriegsschauplätzen des Ersten Weltkriegs – die Basis.
Brachiale Härte von Äxten
Eindrucksvoll verbindet er das eher weiche, formbare Material Wachs mit der brachialen Härte von Äxten, Kreuz- oder Spitzhacken, wie sie in den kriegerischen Auseinandersetzungen, aber auch zum Roden, Einebnen und Graben genutzt wurden und werden, denen er entlang der Hiebfläche ein Gesicht verleiht. Setzt man das Wachs mit der Welt, der Erde, den Menschen gleich, die verletzlich, form-, aber auch zerstörbar sind, ergibt sich, dass die Werkzeuge eben die Transformation, Zerstörung symbolisieren.
„Auch Soldaten, die scheinbar unversehrt aus Kriegen zurückkehren, sind verletzt“, erklärt Gerstner seine Gedanken, die unter anderem in der Serie „Verletzte Seelen“ erlebbar gemacht werden. Hier verfüllt er Risse im Holz, verbindet das Entstandene mit Blei, das scheinbar einen schützenden Einfluss hat. Stark interpretationsfähig ist die künstlerische Ausdrucksweise Gerstners und somit für jeden Betrachter anders in der Wahrnehmung. Genau das macht diese Ausstellung, durch die es Führungen gibt, so abwechslungsreich. Startend im Erdgeschoss wird bereits die Vielfalt sichtbar: Schematisch dargestellte Figuren betrachten ebenso reduzierte Kunst oder bewegen sich eine Treppe hinauf, was laut Laudator Treiber „den evolutionären Aufstieg des Menschen vom Geschöpf zum Homo technicus“ abbildet.
Ein Bild für jeden Tag des Jahres
Hier erfährt man eine erste Begegnung mit dem Werkstoff Wachs. Im großen Raum im Obergeschoss der Jugendstilvilla findet man eine Reihe mit Bildern und Zitaten aus Goethes Faust, davor im Gang scheinbar mit wenigen Strichen gemalte, Ton-in-Ton der Erdfarben aufnehmende Künstlerporträts. Im Vitrinenzimmer zentriert sich der Blick auf ein Kreuz, gefertigt aus geleerten Farbtuben, Pinseln sowie auf die Objekte hinter Glas, etwa das Leporello mit 365 Bildern, eines an jedem Tag im Jahr 2021 entstanden, dem Jahr der Pandemie. „Die Pandemiezeit war eine sehr kreative für mich“, sprach Gerstner.
Bei der Vernissage zur Schau überraschte Gerstner seinen langjährigen Freund, den Künstler und Kunsthistoriker Karlheinz Treiber, mit einem Porträt Treibers, selbstverständlich in seiner unverkennbaren Handschrift aus den von ihm handangerührten Erdfarben. Damit hatte Karlheinz Treiber offensichtlich nicht gerechnet und freute sich sichtlich.
Umrahmt wurde die feierliche Ausstellungseröffnung durch Bürgermeister Dr. Ralf Göck sowie der Sängerin Alina Senger, Gesangsschülerin an der Klangfabrik Mannheim/Brühl, am Klavier begleitet von Tim Landwehr. Außergewöhnlich intonierend verlieh sie Klassikern wie „Dancing Queen“ (ABBA) und „Beds are Burning“ (Midnight Oil) eine interessante Individualnote, die bei den zahlreichen Gästen sehr gut resonierte und für stark begeisterten Applaus sorgte.
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