Brühl. Dass Deutschland in puncto Digitalisierung im internationalen Vergleich weit hinterherhinkt, ist weithin bekannt. Doch zumindest für das Land Baden-Württemberg gab es zuletzt erfreuliche Nachrichten. Im Digital-Ranking belegt das Bundesland Rang vier. Das zeigt der kürzlich veröffentlichte Länderindex des Branchenverbands Bitkom. Nur Bayern und die beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg auf den Spitzenplätzen schneiden dabei besser ab. Wie Digitalisierung den Arbeitsalltag erleichtern kann, zeigt im Kleinen der Bauhof der Gemeinde Brühl. Dort werden die gemeindeeigenen Bäume seit diesem Jahr über einen digitalisierten Gießplan gepflegt.
3776 Bäume stehen Stand April in Brühl auf Gemeindegrundstücken. Sie alle sind digital in einem sogenannten Baumkataster digital erfasst worden. Befüllt hat das Verzeichnis zur Verwaltung von Bäumen Bauhofmitarbeiter Dominik Grundler. Der Landschaftsgärtner hat sich kürzlich zum Baumkontrolleur weiterbilden lassen und jede einzelne Birke, Esche und Linde der Gemeinde kartografiert. „Er ist an jeden Baum gefahren, hat ihn kontrolliert und auf dem Tablet angelegt“, erklärt Bauhofleiter Marcus Schütterle das Vorgehen.
„Patientenakte“ mit Onlinedaten für die Bäume in Brühl
Über das Baumkataster erhält jeder Baum der Gemeinde nicht nur eine Nummer und GPS-Daten, sondern gleich eine ganze digitale Akte. Darin enthalten sind etwa die Art und der Stammdurchmesser, aber auch Infos zum Wachstumsverlauf und Krankheiten. Scheint die Markierung des Baumes im System gelb auf, hat er eine Krankheit – und muss besonders gepflegt werden. Rund vier Monate lang hat Baumkontrolleur Dominik Grundler die Software befüllt.
„Das Schöne daran ist: Er macht es am Tablet und ich bekomme es just in time auf dem Rechner im Bauhof zu sehen“, nennt Leiter Schütterle einen der Vorzüge. Grundsätzlich habe er mit der webbasierten Software einen viel besseren Überblick als zuvor. Wurden früher Bäume gepflanzt, schildert Schütterle, „hat man das auf einen Handzettel geschrieben und denjenigen in die Hand gedrückt, die gegossen haben. Diese Zettelwirtschaft war ein Chaos.“
Jetzt wird jeder neu gepflanzte Baum sofort erfasst. 276 Bäume mit erhöhtem Pflegeaufwand sind aktuell in Brühl und Rohrhof registriert. Sie sind zwischen einem und sechs Jahren alt und müssen regelmäßig durch den Bauhof gegossen werden. Was früher auf Zettelwirtschaft und Vertrauensbasis beruhte, findet heute datenbasiert und digital statt.
Schütterle kann seinen Kollegen anhand der Software einen exakten Gießplan erstellen, der neben den bedürftigen Bäumen auch die jeweiligen Wassermengen und einen optimierten Routenplan enthält.
Noch erhält das Personal eine ausgedruckte Excel-Liste. Das soll sich ändern, sobald der Bauhof das ersehnte neue Gießfahrzeug erhält. Darin fest verbaut werden soll ein Tablet, auf dem der digitalisierte Gießplan abgerufen werden kann. Aktuell ist das Multifunktionsfahrzeug, das als Wechsellader im Winter auch zum Schneeräumen umgebaut werden kann, angemietet. Über den Kauf muss der Brühler Gemeinderat noch entscheiden.
Bewässert wird in Brühl mit der Lanze
Im Vergleich zum aktuellen, in die Jahre gekommenen Fahrzeug verfügt das angemietete über eine Gießlanze, die per Joystick aus der Fahrerkabine gesteuert werden kann. Damit können Menge und Druck des Wassers punktgenau eingestellt werden. Den Bedarf verrät der digitale Gießplan auf dem Tablet.
Für den Bauhof birgt die Kombination aus modernem Fahrzeug und digitalem Gießplan noch weitere Vorteile. So braucht es zukünftig womöglich kein Fachpersonal mehr für die Gießfahrten. „Ich kann theoretisch jeden in das Fahrzeug setzen, der einen Führerschein hat“, sagt Bauhofleiter Schütterle im Hinblick auf potenzielle neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Route und Wassermenge soll der Fahrer zukünftig schließlich über das Tablet ablesen können.
Zusätzlich kann etwa für den Fall, dass ein Baum gefällt werden muss, der komplette Schriftverkehr – der zwischen Gutachter, Umweltschutzbehörde und Regierungspräsidium sehr umfangreich sein kann – digital dokumentiert werden. Auch bei etwaigen Schadensfällen kann der Bauhof nun digital nachweisen, wann welche Bäume kontrolliert und in welchem Umfang gegossen wurden.
Im nächsten Schritt sollen die 3776 Brühler Bäume um Pflanzenbeete und Grünflächen, etwa an Kreisverkehren oder Straßenrändern, in der Gemeinde ergänzt werden. Rund 5000 Euro hat die Gemeinde laut Schütterle für Soft- und Hardware sowie Schulungen in die Hand genommen – dem Bauhofleiter zufolge eine lohnende Investition.
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