Brühl. „In Sachen Inklusion steht die Gemeinde Brühl insgesamt recht gut da – man kann sogar von einer Vorzeigesituation für die Region sprechen.“ Der Mann, der das sagt, muss es wissen – Rudi Bamberger ist nicht nur Behindertenbeauftragter der Kommune, sondern kann auch aus eigener Erfahrung berichten, weil er selbst seit Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Inzwischen ist sogar die „Aktion Mensch“ mit Lob und Unterstützungsangeboten auf die Gemeinde aufmerksam geworden.
Vieles sei im Ort erreicht worden, um Menschen mit Handicap eine möglichst selbstbestimmte Teilhabe am Leben zu ermöglichen, „aber es ist natürlich immer noch Luft nach oben, um noch mehr zu erreichen“. Immerhin lebt aktuell jeder fünfte Einwohner von Brühl mit einem anerkannten Behinderungsgrad von mehr als 50 Prozent und gilt damit offiziell als schwerbehindert.
Bereits einige inklusionsgerechte Erfolge in Brühl
Ein schöner Erfolg sei aus Bambergers Sicht beispielsweise der inklusionsgerechte Umbau des Brühler Rathauses, in dem in den vergangenen Jahren nicht nur der Fahrstuhl so ausgebaut wurde, dass er tatsächlich von Rollstuhlfahrern für alle Stockwerke genutzt werden könne, sondern auch die aktuelle Umgestaltung einer behindertengerechten Toilette im kommunalen Verwaltungsgebäude.
Positiv bewertet Bamberger auch die Behindertentoilette auf dem Brühler Messplatz. Sie kann mit dem Euro-WC-Schlüssel, der in allen Mitgliedsstaaten gleich ist, benutzt werden. Diesen Schlüssel könnten Berechtigte ziemlich problemlos im Rathaus erhalten. Auch das Freibad ermögliche Rollstuhlfahrern das Badevergnügen, ohne dass sie auf Hilfe anderer angewiesen sind.
Denn das ist ein wichtiger Aspekt, der das Thema Inklusion mit dem der Menschenwürde direkt verbinde, sagt Bamberger. Wenn man in Geschäften erst danach fragen müsse, dass eine Rampe aufgebaut wird, sei das zwar ein einigermaßen probates Hilfsmittel, doch fühle man sich als Mensch mit Behinderung da schnell als Bittsteller. „Mit selbstständiger Teilhabe und selbstbestimmtem Leben hat es noch nicht wirklich viel zu tun, solange eine Abhängigkeit von anderen Menschen besteht.“
Bereiche in Brühl mit Optimierungsbedarf
Wichtig sei, dass bei Neu- und Umbauten von vorneherein an die Inklusion gedacht werde, dass nicht erst einmal gebaut und im Nachhinein überlege werde, wie man irgendwie den Weg für Menschen mit Behinderung ebnen könne. So entstünden oft nur Notlösungen.
Ganz schwierig werde es, wenn es um denkmalgeschützte Gebäude wie die Villa Meixner gehe – da sei eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Rollstuhlfahrer mit enorm hohen Hürden versehen. So würde mancher Betroffene schon vorher enttäuscht die Flinte ins Korn werfen und auf die Teilhabe verzichten.
Inklusion geht über Rollstuhlfahrer hinaus: Mehrsprachigkeit gefordert
Es gebe auch „kleinere Baustellen“, wie Bamberger es nennt. So versucht er bereits seit einiger Zeit, die Gemeinde dahingehend zu bewegen, größere Veranstaltungen wie etwa der Neujahrsempfang durch Gebärdendolmetscher zu bereichern. Denn Inklusion sollte nicht nur für Rollstuhlfahrer eine Selbstverständlichkeit sein.
„Mein Herz schlägt für die Belange aller Menschen, die aufgrund von körperlichen Einschränkungen als schwach betrachtet werden“, betont der Mann, der inzwischen seit acht Jahren als Behindertenbeauftragter aktiv ist und bei seinem Engagement zwischen offenen Türen bis zu dicken Brettern schon so ziemlich alle Formen der Reaktionen darauf erlebt hat.
Optimierung der Parkplatzsituation für Menschen mit Behinderung
Zu den Bereichen mit Optimierungsbedarf gehört für Bamberger der Ausbau der Angebote an Behindertenparkplätzen. Diese Stellplätze dürfen nur von Menschen genutzt werden, die über einen Schwerbehindertenausweis verfügen, der zudem mit einem bestimmten Merkzeichen versehen ist. Gleichwohl ist Bamberger Pragmatiker, denn solche Parkplätze werden unter anderem verstärkt vor Arztpraxen gefordert. Was zunächst logisch klingt, hat einen bitteren Haken, denn nicht alle Praxen in Brühl sind dann am Ende auch barrierefrei zu erreichen. „Erst wenn das umgesetzt ist, machen auch diese reservierten Stellplätze Sinn“, sagt Bamberger. Doch er weiß aus Erfahrung zu berichten, dass manche Ärzte da allerdings die Investitionen scheuen, zumal ihre Praxisräume oft angemietet sind.
Barrierefreier Umgang kann schnell jeden treffen
Bei solchen Denkweisen verwundert es dann nicht, dass Deutschland im Vergleich mit anderen Staaten der Europäischen Union bei der Barrierefreiheit eher nicht so gut dasteht. Inklusion ist eben noch nicht selbstverständlich. Deshalb wurde vor zwei Jahren der Inklusionsrat des Rhein-Neckar-Kreises gegründet – mit dem umtriebigen Rudi Bamberger als Gründungsmitglied. „Gemeinsam haben wir gerade den ersten Inklusionsbericht für den Rhein-Neckar-Kreis erstellt, der als Leitfaden für Inklusion in der gesamten Region dienen soll.“
Um diese Vorgaben Wirklichkeit werden zu lassen, laden der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter und die Aktion Mensch am Dienstag, 7. Mai, zu einem Protesttag „Viel vor für Inklusion! Selbstbestimmt leben – ohne Barrieren“ ein. In Brühl wird dann von 10 bis 17 Uhr ein Informationsstand am Edeka-Embach-Markt im Luftschiffring aufgebaut, bei dem der Brühler Behindertenbeauftragte natürlich auch aktiv vor Ort sein wird.
Und beim Abschied gibt Bamberger noch einen neuen Blickwinkel mit auf den Weg: „Lassen Sie uns nicht vergessen, dass wir alle von heute auf morgen auf barrierefreie Umgebungen angewiesen sein können – sei es durch eine negative Arztdiagnose oder einen Unfall.“
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