Geothermie

Brühler Bürgerinitiative gegen Geothermie kritisiert Pläne

In einem offenen Brief der Bürgerinitiative an Bürgermeister und Gemeinderäte der Kommunen im Aufsuchungsgebiet Hardt kritisiert sie die Pläne zur Lithiumgewinnung bei den angedachten Kraftwerken.

Von 
Ralf Strauch
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Ein Bild aus der Brühler Vergangenheit, das die Bürgerinitiative gegen die Tiefen-geothermie eigentlich nirgendwo in der Region mehr sehen möchte: Bohrungen für die Einrichtung eines Erdwärme-Kraftwerks. © lenhardt

Brühl.

„Nachdem sich die Presseberichte zur Tiefengeothermie beinahe überschlagen, lässt auch das Unternehmen ,GeoHardt’ allmählich die Katze aus dem Sack und benennt konkret die Orte, die es vorzugsweise als mögliche Geothermiestandorte auserkoren hat: Mannheim, Brühl, Ketsch, Schwetzingen, Plankstadt, Heidelberg und Oftersheim sowie rund um Hockenheim“, stellt die Spitze der Brühler Bürgerinitiative (BI) gegen die Tiefengeothermie in einem offenen Brief an Bürgermeister und Gemeinderäte der Kommunen im Aufsuchungsgebiet Hardt fest.

Die Auswahl des Gebietes überrasche nicht, bei all der Unterstützung, die Staatssekretär Dr. Andre Baumann seit zwei Jahren leiste, heißt es weiter. Baumann habe wiederholt Ausflugsfahrten zu den Geothermiekraftwerken in Bruchsal, Insheim sowie zum Labor der Vulcan Energie in Karlsruhe organisiert. Neben der ursprünglich geplanten Wärmegewinnung werde zwischenzeitlich auch ein reiner Lithium-Hype von den Geothermiefirmen und Baumann entfacht, kritisiert die BI in einer Stellungnahme. Darüber hinaus taucht plötzlich die Vulcan Energie im Aufsuchungsgebiet Hardt auf, obwohl das Bergamt doch schon im September 2020 der Firma „GeoHardt“ die Aufsuchungserlaubnis erteilt habe.

„Wir haben Dr. Baumann bereits im August 2020 in einem zweistündigen Gespräch auf sämtliche Risiken, Gefahren und Ungereimtheiten rund um die Geothermie wie beispielsweise Seismizität, Grundwassergefährdung, Radon sowie die Sinnlosigkeit der Beweislastumkehr und Ampelregelung hingewiesen“, erinnern Rainer Hüngerle und Thomas Gaisbauer von der Bürgerinitiative. Er habe darauf erklärt, dass nichts passiere, wenn es richtig gemacht werde und man doch Vertrauen in die Politik haben solle, heißt es in dem BI-Schreiben.

Großer Schadensradius

„Auf unsere Frage, warum das Land dann keine Bürgschaft für Geothermieschäden übernimmt, wenn angeblich nichts passieren kann, hat er geantwortet, dass das ja dann zu Lasten der Steuerzahler ginge und unfair wäre“, sagen die BI-Sprecher und verweisen darauf, sich ebenfalls bei den Geothermiekraftwerke in Bruchsal und Landau, aber auch in Staufen, Unterhaching sowie in Island schlau gemacht zu haben.

„Von den Lithium-Vorhaben der Unternehmen wusste er angeblich überhaupt nichts, obwohl er im Umweltministerium beschäftigt ist – unglaublich“, stellt die BI fest.

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„Zunächst vorweg: Es ist völlig unerheblich, ob die geplanten Kraftwerke in Schwetzingen, Hockenheim oder in einer anderen Nachbargemeinde stehen, wir werden alle davon betroffen sein, denn der mögliche Schadensradius ist weitaus größer, als bisher von den Experten angegeben“, betonen die Sprecher der Geothermiegegner und verweisen auf die Erfahrungen der Beben bei Straßburg, dass in 30 Kilometern Entfernung noch für Schäden gesorgt habe. Insgesamt seien 3800 Gebäude betroffen gewesen. „Wer nun aber denkt, die Schäden würden wenigstens erstattet, sieht sich schnell mit der Realität konfrontiert“, berichtet die Bürgerinitiative, „die betroffenen Menschen sollen zum Teil mit lächerlichen zehn Prozent der gutachterlich festgestellten Schadenshöhe abgespeist werden oder gar nichts erhalten.“

Spätere Auswirkungen

Ähnlich liefen auch die Schadensabwicklungen ab, die durch deutsche Geothermiefirmen verursacht würden. Wer die Medienberichte und Aussagen der Geothermiefirmen aufmerksam verfolge, würde schnell erkennen, dass kaum Fakten genannt würden, dafür aber kühne Behauptungen, die entweder nicht belegt seien oder aber in der Praxis nicht standhielten.

„Es gibt sogenannte Nachläufer, die ja auch das Problem sind. Ich habe ein Erdbeben beobachtet, schalte die Anlage aus und dann vier Wochen später gibt es ein größeres Event“, zitieren sie den Experten Dr. Frank Schilling vom KIT, „wenn ein Erdbeben erst mal losläuft, egal, ob in Japan oder in Brühl, das können Sie nicht mehr stoppen.“

Häufig werde von den Geothermiefirmen behauptet, man müsse pro Anlage mehrere Bohrungen niederbringen, um den Druck auf das Gestein großflächig zu verteilen und dann könnte nichts mehr passieren, fasst die BI zusammen. Doch die Ergebnisse Insheim zeigten seit zehn Jahren, dass dieses Konzept nicht aufgegangen sei. Im Übrigen bedeute jede zusätzliche Bohrung auch jeweils zusätzliche Risiken, denn Erdbeben verursachten nicht nur Gebäudeschäden. Vielmehr müssten gerade auch die Verrohrung der Bohrungen sowie sämtliche Versorgungsleitungen und Abwasserrohre der Gemeinde und das Klärwerk im Zweckverband Schwetzingen diesen induzierten Erdbewegungen standhalten.

Andere Zahlen errechnet

Beim notwendigen Druck für den Betrieb einer Anlage geize Vulcan Energie mit konkreten Informationen, kritisiert die BI, auch darüber, wie viel Tiefenwasser sie pro Anlage fördern müssten, um ihre eigenen Erwartungen und die ihrer Aktionäre zu erfüllen. „Die Formel dazu ist relativ einfach: Je größer der Pumpendruck, desto größer die Energie- und Lithiumausbeute, desto größer der Gewinn – und desto größer die Erdbebengefahr“, sagen Gaisbauer und Hüngerle. Vulcan Energie gebe lediglich bekannt, dass sie ab 2024 Lithiumhydroxid erzeugen und ab 2025 pro Jahr 40 000 Tonnen aufgrund bereits geschlossener Verträge liefern wollen, was angeblich für etwa eine Million Autobatterien reichen soll, so die BI.

Und so haben sie bei 10 000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Anlage und Jahr errechnet, dass „hier auf engstem Raum rund 125 Tiefengeothermiekraftwerke errichtet werden – will das Unternehmen die gleiche Leistung stattdessen mit den bisher angedachten fünf bis sechs Kraftwerken erreichen, müsste konsequenterweise die Fließrate erhöht werden, was bedeutet es müssten pro Anlage sage und schreibe zwischen 2084 und 2500 Liter Tiefenwasser pro Sekunde gefördert werden. Das ist völlig ausgeschlossen.“ Bruchsal beispielsweise fördere 24 Liter pro Sekunde, Landau 50 und Insheim 65. „Es sei daran erinnert, dass selbst die von Dr. Horst Kreuter, Firmenchef von Vulcan Energie, vorgegebenen 100 Liter pro Sekunde über eine Drittel Million Liter in der Stunde ergeben, die durch Gestein gepresst werden müssen – in einem Gebiet, das zu den erdbebengefährdetsten in ganz Deutschland gehört“, meint die BI-Spitze.

Beim Grundwasserverbrauch gebe es laut BI auch völlig konträre Aussagen. Während die KIT im Ergebnis für die Gewinnung von einem Kilogramm Lithium einen Frischwasserverbrauch von rund 25 000 Litern Wasser errechnet habe, treffe Vulcan Energie völlig andere Aussagen, die teilweise auch von Veranstaltung zu Veranstaltung variierten. „Durch den Klimawandel wird auch unsere Region mit zunehmender Wasserknappheit zu kämpfen haben. Für die Erzeugung von 40 000 Tonnen Lithiumhydroxid würden danach geschätzte 1000 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr benötigt – nur für Lithiumhydroxid. Das wird zu massiven Einschränkungen für die Bevölkerung führen“, prognostiziert die BI.

Zweifel an den Prognosen

„Insgesamt müssen die Prognosen des Unternehmens ernsthaft in Zweifel gezogen werden“, meint die Bürgerinitiative und verweist auch auf Erkenntnisse der US-Investmentgesellschaft J Captial Research, der zufolge Vulcan „völlig überzogene Aussagen über die voraussichtliche Machbarkeit, die Rentabilität und die Umweltauswirkungen ihres Projekts“ getroffen habe. Das dürfe zwar nach einem Vergleich vor einem australischen Gericht nicht mehr von der Investmentfirma veröffentlicht werden, doch würden die Aussagen nicht widerrufen.

Für alle Aussagen haben die Vertreter der Bürgerinitiative ihrer Stellungnahme zahlreiche Quellenverweise und dokumentierte Aussagen beigefügt.

Im Ortenaukreis und in Rheinland-Pfalz würden Anträge auf Probebohrungen und Lithiumsuche zwischenzeitlich häufig auf Ablehnung stoßen, heben Rainer Hüngerle und Thomas Gaisbauer von der Brühl-Ketscher BI abschließend hervor – „wegen des großen Widerstand seitens der betroffenen Bürger, Bürgermeister und Gemeinderäte sowie Landespolitiker“.

Redaktion

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