Geothermie - MVV und ENBW haben ein Konsortium gebildet, um Erdwärme in der Region zu erschließen / Ergebnisoffene Untersuchung und umfangreiche Bürgerbeteiligung zugesichert

Das Brühler Bohrloch gerät wieder ins Visier

Von 
Jürgen Gruler und Ralf Strauch
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Das Archivbild zeigt die Baustelle des geplanten Geothermie-Kraftwerks im Jahr 2013, als der gewaltige Bohrturm im Süden der gemeinde die Stahlrohe bis in rund 3800 Meter versenkte. © strauch

Brühl. . Still ruht das Bohrloch am Ortseingang von Brühl. Es schien, als sei schon Gras gewachsen über die Geothermie-Anlage, die dort entstehen sollte und damit über die massiven Bürgerproteste und Ängste der Menschen, dass die Bohrungen ähnlich wie in Landau oder Staufen Erdstöße auslösen und schlimme Schäden an ihren Häusern verursachen, so ihr Eigentum entwerten könnte. Aber nun scheint es, als würde ein neues Kapitel in Sachen Geothermie aufgeschlagen. Denn das Bergamt in Freiburg hat die Konzession für das Gebiet zwischen Mannheim-Süd und Reilingen, Altlußheim und Heidelberg neu ausgeschrieben. Allerdings ist nicht raus, ob dieses Kapitel auch in Brühl aufgeschlagen werden soll. Denn über dem „insolventen Bohrloch“ tobt ein Streit mit gegenseitigen Forderungen zwischen dem Insolvenzverwalter und der Gemeinde.

Auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt Roland Kress, der Pressesprecher der MVV Energie dann auch, dass sein Unternehmen zusammen mit der EnBW einen Antrag auf Erteilung dieser Konzession gestellt haben. Und aus dem Bergamt heißt es: „Die MVV und die EnBW haben als Konsortium einen Antrag auf Erlaubnis gestellt, die Geothermie-Bohrung in Brühl weiter zu betreiben. Zudem hat die Deutsche Erdwärme AG einen Antrag auf Erlaubnis gestellt.“

Von der Deutschen Erdwärme, die bereits mehrere Konzessionen im Rheingraben erworben hat, hat unsere Zeitung leider keine Antwort auf ihre Anfrage erhalten.

Lösung aus der Region finden

Aber das Konsortium aus MVV und EnBW hat eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, die wir hier gerne im Wortlaut wiedergeben wollen: „Der Oberrheingraben ist in Deutschland ein Gebiet mit einem besonders attraktiven Aufkommen natürlicher Erdwärme. Für die Erschließung dieses Wärmepotenzials ist das Regierungspräsidium Freiburg zuständig. Es hat die Lizenz für das Feld ,Hardt’ (ehemals ,Schwetzingen’) zur Neuvergabe freigegeben. Für die Region stellt sich damit nicht die Frage, ob die Erlaubnis neu vergeben wird, sondern an wen.“

Weiter schreibt Roland Kress: „Das Aufsuchungsgebiet ist zirka 270 Quadratkilometer groß und betrifft Teile der Kommunen Mannheim, Heidelberg, Brühl, Edingen-Neckarhausen, Eppelheim, Hockenheim, Ketsch, Ladenburg, Oftersheim, Plankstadt, Sandhausen, Schwetzingen, Altlußheim, Neulußheim und Reilingen. MVV und EnBW haben Mitte September einen gemeinsamen Erlaubnisantrag beim Landesbergamt gestellt. Die beiden regionalen Energieunternehmen sind damit bereit, Möglichkeiten und Potenziale dieser erneuerbaren Energie in der Region verantwortungsvoll und ergebnisoffen zu prüfen. Voraussetzung ist für uns der gemeinsame Wille und das gemeinsame Ziel mit den beteiligten Kommunen.“, so die Erklärung gegenüber unserer Zeitung.

Dekarbonisierung der Fernwärme

Kress stellt aber auch klar: „Dabei stehen bei uns Transparenz, Bürgerbeteiligung und Akzeptanz im Vordergrund. Dazu wollen wir eine Lösung aus der Region für die Region mit kommunaler Verankerung erarbeiten. Dies wollen wir durch eine frühzeitige, offene und dialogorientierte Kommunikation und Einbindung erreichen. Beide Unternehmen haben in den zurückliegenden Wochen eine Geothermienutzung mit Anschluss an das bestehende regionale Fernwärmenetz mit ihren erfahrenen Experten vorbereitet, da das regional vorhandene Potenzial an Erdwärme als erneuerbare und CO2-freie Wärmequelle einen durchaus signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung der Fernwärme – die ja hier bisher komplett aus dem Kohlekraftwerk Mannheim stammt – und damit zur Erreichung unserer Klimaziele leisten kann. So könnte die Wärme in die durch das Erlaubnisfeld führende Fernwärmeleitung eingespeist und so für die Region und ihre Bewohner direkt nutzbar gemacht werden. Über die Erlaubnisvergabe entscheidet die Behörde. Sollten wir die Aufsuchungserlaubnis erhalten, stehen geologische und hydrogeologische Voruntersuchungen über das gesamte Aufsuchungsgebiet sowie Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen an“, so die Erklärung. Ergänzend dazu sei bemerkt, dass die Fernwärmeleitung Richtung Speyer direkt zwischen Kläranlage und Brühler Bohrloch entlang führt.

MVV und EnBW erklären weiter: „Erst nach einer Vergabe durch das Bergamt würde die Genehmigung für die Geothermienutzung und die notwendigen Bohrungen sowie die Einbindung in das bestehende Fernwärmenetz für den am besten geeigneten Standort gestellt werden. Eine breite Information der beteiligten Kommunen vor und während des Genehmigungsverfahrens ist MVV und EnBW wichtig. Erst nach Vorlage des Genehmigungsbescheids der Behörde und aufbauend auf den Ergebnissen der Voruntersuchungen kann es zu Investitionsentscheidungen kommen. Ob dabei auch das sich im Erlaubnisfeld Hardt befindliche Bohrloch in Brühl eine Option sein kann, muss vor dem Hintergrund offener rechtlicher und technischer Rahmenbedingungen geprüft werden. MVV und EnBW wollen mit ihrem gemeinsamen Antrag auch hier ihren Beitrag zu einer zukunftsfähigen und für alle Beteiligten tragbaren Lösung leisten“, betont Roland Kress abschließend.in der Stellungnahme

Und wie sieht die Gemeindeverwaltung in Brühl und Bürgermeister Dr. Ralf Göck die Angelegenheit, an der man sich schon einmal die Finger verbrannt hat:? Göck sagt: „ „Das Ganze wird noch lange dauern. Aber ich stehe nach wie vor hinter der Geothermie. Es war damals ein gutes Projekt mit einer schlechten Firma. Daraus könnte in neuer Konstellation auch ein gutes Projekt mit einer guten Firma werden“, sagt der Bürgermeister auf Anfrage unserer Zeitung. Und mit guter Firma scheint er hier das Konsortium zu meinen.

Klagen liegen auf dem Tisch

Das ist eine gute Gelegenheit, noch kurz über den aktuellen Stand im Insolvenzstreit zu informieren: Da ist der Gemeindeverwaltung nämlich nun eine Klageschrift ins Haus geflattert. Der Insolvenzverwalter von Geoenergy, der Karlsruher Rechtsanwalt Tobias Hirte, fordert demnach rund 200 000 Euro von der Gemeinde zurück. Das seien von dem Unternehmen bis 2016 gezahlte Pachteinnahmen an die Gemeinde. Diese seien geflossen, behauptet der Rechtsanwalt, obwohl die Gemeinde seit 2013 von der Liquiditätskrise von Geoenergy Kenntnis gehabt habe.

In diesem Jahr hätte, so Hirte, die Firmenspitze der Gemeinde mitgeteilt, dass eine Insolvenz drohe, wenn Geoenergy in der damaligen Räumungsklage unterliegen würde – wie es später auch geschehen sei.

Gegen diese Argumentation bereite der Rechtsanwalt der Gemeinde derzeit eine Erwiderung vor, erklärt Bürgermeister Dr. Ralf Göck auf Anfrage unserer Zeitung. Nachdem die von Hirte angestoßenen Verhandlungen hinsichtlich einer gütlichen Einigung gescheitert sind, rechnet Göck damit, dass der juristische Streit vor Gericht gehen wird. Und er zeigt sich überzeugt, dass die Gemeinde dann nichts an den Insolvenzverwalter zurückzahlen muss.

Gleichzeitig macht die Kommune dem Insolvenzverwalter gegenüber eine Rechnung auf und verlangt ihrerseits die Nachzahlung von rund 600 000 Euro Pacht- und Strafzahlungen. „Wir stellen fest, dass er uns das Grundstück noch immer nicht ordentlich zurückgegeben hat“, so Göck. Der Insolvenzverwalter bestreitet diese Aussage und verweist auf Sicherungsmaßnahmen, die von der Gemeinde auf dem Areal durchgeführt worden seien. Sie zeigten, dass die Gemeinde das Grundstück wieder in Besitz genommen habe. Diese Sicherung, entgegnet Göck, sei aber auf Bitten des Bergamtes quasi als Amtshilfe vorgenommen worden, um Gefahren abzuwenden.

Gut, dass sich die Bürgerinitiative nicht aufgelöst hat und sicherlich mit einem wachen Auge auf das weitere Vorgehen blicken wird.

Info: Weitere Bilder gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de

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Brühl: Chronik der Geothermie-Anlage

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Hintergrund: Geothermie in Brühl

2004 wurde von der Firma „Geoenergy“ eine Drei-D-Seismik erstellt, mit der der Untergrund auf beste Gegebenheiten für die geothermische Nutzung untersucht wurde.

Als Standort für das Kraftwerk kristallisierte sich bald ein Areal an der südlichen Gemarkungsgrenze heraus. Die beiden Bohrungen sollten in der Tiefe bei Rohrhof und Ketsch ihren Endpunkt finden.

Bei der Geothermieanlage sollte das heiße Wasser aus der Tiefe nach oben befördert werden, um über einen Generator Strom und Wärme erzeugen. Dann soll es wieder in den Untergrund gebracht werden.

Das geplante Kraftwerk sollte über 30 Jahre bis zu acht Megawatt elektrische Energie produzieren – genug, um etwa 12 500 Vierpersonenhaushalte zu versorgen.

Ende 2008 wurde der Bauvorbescheid zur Errichtung der Gebäude für das Geothermie-Kraftwerk vom Gemeinderat erteilt. Außerdem wurde im Mai 2008 ein Nutzungsvertrag über die Grundstücke, die im Eigentum der Gemeinde sind, zur Errichtung und zum Betrieb eines geothermischen Kraftwerkes unterzeichnet.

Wenige Monate später kam es bei einem ähnlichen Projekt in Landau zu Erdstößen.

Es bildete sich eine Bürgerinitiative gegen die Tiefengeothermie und im Gemeinderat verschwand die Zustimmung zum Projekt.

Die Firma Geoenergy erhielt 2011 vom Bergamt in Freiburg die Bohrgenehmigung.

2011 verweigerte der Rat der Verlängerung der Bauvoranfrage die Zustimmung. Das Landratsamt aber folgte nicht der Argumentation, die Sach- und Rechtslage habe sich geändert, und setzte den Ratsbeschluss aus.

2012 blieb der Rat erneut bei seiner Meinung, der Beschluss wurde ersetzt. Die Bau- und Bohrarbeiten wurden begonnen.

Die erste, 3800 Meter tiefe Bohrung sowie Fündigkeitstests wurden 2013 abgeschlossen. Die zweite Bohrung reicht 400 Meter tief.

Erste Tests waren in Bezug auf Druck und Temperatur des Wassers vielversprechend verlaufen.

Dennoch endeten die Bauarbeiten im Frühjahr 2014.

2015 kam es vor Gerichten zu mehreren juristischen Auseinandersetzungen zwischen Geoenergy und Gemeinde.

Im April 2015 meldete das Unternehmen Geoenergy Insolvenz an.

Zwei Interessenten, die das Projekt übernehmen wollten, sprangen 2016 ab.

Laut damaligen Angaben von Geoenergy seien auf der Baustelle bis dahin 15 Millionen Euro investiert worden, dazu kommen die Kosten für die vorherige Erkundung. ras

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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