Brühl/Dourtenga. Die Welt ist kleiner geworden. Heute würden wohl nur wenige den Satz vom Desinteresse an einem in China umfallenden Sack Reis verstehen. Im vergangenen Jahrhundert ein Sinnspruch, der Entfernung und Bedeutung verknüpft – je weiter weg, desto unbedeutender. Eine Einschätzung, die in Zeiten des Klimawandels als erledigt gelten darf. Das Humboldtsche Votum vom Zusammenhang von allem mit allem wird wie unter einem Brennglas deutlich. Beim Klima sitzt die Menschheit in einem Boot. Und so macht dieser „Sack Reis in China“ für die Welt einen Unterschied.
Hintergrund: Burkina Faso
- Burkina Faso ist ein Binnenstaat in Westafrika , die Hauptstadt ist Ouagadougou .
- 40 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze.
- Die Begriffe „Burkina“ und „Faso“ stammen aus den zwei größten Landessprachen, gemeinsam bedeuten sie „Land der Aufrechten“.
- Deutschland ist einer der größten bilateralen Geber und ein wichtiger Partner des Landes. Im Mittelpunkt der burkinisch-deutschen Zusammenarbeit stehen die Bereiche Landwirtschaft und Ernährungssicherung sowie Trinkwasser- und Sanitärversorgung.
- Die Partnerschaft von Brühl und Dourtenga – im Südosten des Landes gelegen – besteht seit 1997.
- Im September 2017 wurde die zusätzliche Klimapartnerschaft der beiden Kommunen geschlossen.
Für den zweiten Vorsitzenden des Förderkreises Dourtenga, Klaus Krebaum, schien schon immer klar, dass das Leben woanders auch mit dem Leben hier zu tun hat. Es ist sein Anspruch, in einer Welt zu leben, in der jeder Mensch anständig existieren kann, egal wohin ihn die Lotterie der Geburt getragen haben mag. Die Gründung des Förderkreises Dourtenga ist aus seiner Perspektive daher auch nur folgerichtig. Im Grunde eine 4400 Kilometer lange Brücke, über die zwischen Brühl und Dourtenga für einen gewissen Ausgleich gesorgt werden soll.
Perspektiven vermitteln
Zugleich brachte auch die politische Gemeinde ihre Städtepartnerschaft mit Dourtenga auf den Weg. Bürgermeister war damals der CDU-Politiker Günther Reffert. Aber auch der SPD-Bürgermeister Dr. Ralf Göck, der ein Jahr nach diesem Schulterschluss ins Amt kam, sieht sich in der Pflicht, die Freundschaft zu den Menschen in dem westafrikanischen Land zu pflegen. Oberstes Ziel, so Göck, sei eine Infrastruktur, die nachhaltige Hilfe tragen könne und den Menschen vor Ort Perspektiven vermittle. Dabei geht es Göck nicht nur um selbstlose Hilfe, so anständig solche Motive auch seien. Der Politiker hat auch die Schwierigkeiten hier im Blick, die mit großen Fluchtbewegungen einhergehen. Größere Migrationsbewegungen setzten politische Systeme immer unter Druck und ab einem gewissen Niveau würden sie konfliktträchtig. Dabei stellt der Klimawandel eine besondere Herausforderung dar. Belastbare Zahlen zur Entwicklung der Migration in den kommenden Jahrzehnten gibt es nicht.
Laut dem „Internal Displacement Monitoring Centre“ werden aufgrund von Naturkatastrophen jedes Jahr rund 25 Millionen Menschen neu vertrieben, wobei viele später wieder in ihre Heimat zurückkehren. Doch diese Rückkehrer-Quote, so die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, wird sich angesichts schleichender Naturkatastrophen wie Dürre, steigender Meeresspiegel und Extremwetterereignisse aller Voraussicht nach in den kommenden Jahrzehnten verringern. Für Göck ist klar: „Menschen, die ihre Lebensgrundlage verlieren, bleibt nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zu machen.“
Wie damit umgehen? Klar ist, dass der Klimawandel menschengemacht ist und die Industriestaaten den Löwenanteil aller bisherigen CO2-Emissionen verursachten. Es sind wir, so Krebaum, die das Klima für alle ändern. Frei nach dem früheren SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt, der Verantwortung aus dem Umstand ableitete, dass das eigene Leben das Leben der anderen beeinflusst, stehe Brühl nun für die Menschen in Dourtenga in der Verantwortung. Heißt für den Bürgermeister und den zweiten Vorsitzenden des Förderkreises, „dass wir den Menschen helfen müssen, sich an veränderte Bedingungen so weit als möglich anzupassen“. Und dafür entwickelten der Förderkreis und die Gemeinde einen beeindruckend vielfältigen Instrumentenkasten. Patenschaften, um Kindern Bildung zu ermöglichen, Brunnenbau, Investitionen in Schulen, Ausbildungsstätten und Krankenhausbauten. Natürlich sei nicht alles gut, so Göck. „Aber die positive Entwicklung ist nicht zu übersehen.“
Ganz aktuell verfolgen der Förderkreis und die Gemeinde wieder Ziele. Der Förderkreis stemmt gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Verwirklichung einer Landwirtschaftsschule. Und die Gemeinde will im Zuge der Klimapartnerschaft alternative Anbaumethoden erproben. In der Umgebung von Schulen sollen Bäume gepflanzt werden, im Untergrund aus Lehmziegeln kleine Wasserrückhaltereservoirs gebaut und Fruchtfolgen auf dem Acker untersucht werden. Entscheidend sei es, so Göck, dass das alles gemeinsam mit den Menschen vor Ort angegangen wird. „Irgendwelche Leuchtturmprojekte, die jenseits der Bevölkerung implementiert werden, bringen niemandem etwas.“ Eine Sicht, die auch Krebaum teilt.
Extreme Wetterereignisse
Einig sind sie sich auch in ihren Sorgen. Krebaum trägt viel Optimismus in sich. Aber er weiß, dass es für die Menschen in Dourtenga schwieriger wird. Klimaszenarien für Burkina Faso gehen davon aus, dass die mittlere Temperatur bis 2050 um 1,7 bis 2 Grad steigen und die mittlere Niederschlagsmenge zwischen 3,4 und 7,3 Prozent sinken wird. Darüber hinaus erwartet die Klimawissenschaft einen deutlichen Anstieg von Extremwetterereignissen wie Hitze, Dürre und Überschwemmungen. Darunter, so Krebaum, leide am Ende die Kalkulierbarkeit. „Die Bauern können angesichts der Wetterkapriolen Aussaat und Ernte immer weniger planen.“ Die Zunahme von Nahrungsmittelknappheit, einer zunehmenden Zerstörung der bestehenden Ökosysteme und in der Folge auch soziale Spannungen seien leider, so Göck, keine unwahrscheinlichen Szenarien. Doch den Kopf in den Sand zu stecken ist für beide keine Alternative. „Wir müssen es wenigstens versuchen, das Los der Menschen zu verbessern und damit auch unserer Verantwortung gerecht zu werden. In Sachen Klimawandel“, das betonte Krebaum noch einmal, „liegt die Verantwortungslast klar auf Brühler Seite.“
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