Geothermie

Geothermie im Gebiet Hardt: Es bleiben viele Fragen offen

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zg
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Tiefenwasser wird nachgesagt, dass es von verschiedenen Schwermetalle durchsetzt ist, schreibt die BI. Dampfaustritte wie dieser im Bild in Insheim über den Weinbergen sind damit gesundheitlich nicht unbedenklich. © BI

Brühl/Ketsch. „Nachdem MVV und EnBW aktuell in den Medien erneut für die Tiefengeothermie vor unserer Haustür werben, möchten wir einige Aussagen nicht unkommentiert stehen lassen. Um nicht den Rahmen zu sprengen, werden wir heute nur auf wenige Punkte eingehen“, schreibt der Vorstand der Bürgerinitiative (BI) Geothermie Brühl/Ketsch mit Thomas Gaisbauer, Rainer Hüngerle und Uwe Rötgens.

Bislang war immer zu hören, dass es bei den künftigen Projekten im Gebiet Hardt „nur noch“ um Wärmenutzung, und nicht wie damals von Geoenergy geplant, um die Stromerzeugung ginge, was unverständlicherweise dann bei einigen hiesigen Kommunalpolitikern zu Zustimmung für Tiefengeothermie geführt hat, heißt es in der Pressemitteilung. Nun ist aber dem Pressebericht vom 21. Mai zu entnehmen, dass sich das Unternehmen sehr wohl die Option der Stromerzeugung offen hält.

Das bestätigt die von der BI bisher getroffenen Aussagen, dass die betroffenen Anwohner, unabhängig davon, was ursprünglich geplant und versprochen wurde, später nicht vor Änderungen oder Erweiterungen beziehungsweise vor sonstigen Experimenten wie auch die Gewinnung von Lithium unterhalb von Wohngebieten geschützt sind.

Wie steht es um die Versicherung?

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Das Karlsruher Start-up-Unternehmen Vulcan Energie plant, Lithium aus Tiefenwasser zu gewinnen und träumt bereits davon, dass Süd-Deutschland zu einem der größten Lithiumproduzenten der Welt werden könnte. Es sollen dort später 40 000 Tonnen Lithium pro Jahr gefördert werden, verweist die BI auf eine wirtschaftlich nicht irrelevante Entwicklung in der Region. Auf die Frage, ob MVV und EnBW eine eigene GmbH gegründet haben, um im Notfall nicht haftbar zu sein, antwortet Stefan Ertle (EnBW), dass sie aus gesetzgeberischen und bergrechtlichen Gründen eine GmbH gründen müssen, heißt es in der Pressemitteilung. Diese Aussage habe die BI sehr überrascht, denn nach deren Verständnis liegt die Entscheidung über die Wahl der Rechtsform beim Unternehmen. Das LGRB (Bergamt) ist zuständig für die bergrechtliche Aufsuchungserlaubnis wie das Genehmigungsverfahren von Bohrungen, nicht aber für den Betrieb von Geothermiekraftwerken. Dies wurde uns in den vergangenen zehn Jahren seitens des LGRB mehrfach bestätigt, so die BI. Dass nun ausgerechnet das Bergrecht die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) vorschreibt, sei der BI neu. Diese bat daher EnBW-Projektleiter Ertle, ihr den entsprechenden Paragraphen zu nennen. „Was wir bisher immer moniert haben, sind die zum Teil sehr umfangreichen Firmenkonstrukte von Geothermiebetreibern, die selbst Juristen im Schadens- oder Insolvenzfall vor große Herausforderungen stellen. Die Haftungssumme der Geoenergy belief sich seinerzeit auf gerade einmal 26 000 Euro“, heißt es seitens der BI weiter. Ertle habe auch betont, dass sich die Unternehmen nicht aus ihrer Verantwortung stehlen und in die Bresche springen wollten, sollte die sehr hohe Versicherungssumme nicht ausreichen.

Die Frage ist aber: Zahlt die Versicherung überhaupt oder verweigert sie die Leistung, weil sie die Schäden nicht als erdbebenkausal ansieht, wie aktuell gerade einige Bürger aus Kehl und Umgebung erfahren mussten, während andere wiederum lediglich auf Zeitwertbasis entschädigt werden sollen (Quelle: Mitteilungsblatt Nr. 21 von Rheinau, 28. Mai 2021)? In diesem Zusammenhang mit der viel gelobte Beweislastumkehr zu argumentieren ist wenig seriös, wie die vielen Beispiele aus der Vergangenheit zeigen. Die Geothermiebetreiber haben im Schadensfall meist den längeren Atem und die „richtigen“ Gutachter und Anwälte um zu beweisen, dass die Schäden gerade nicht durch „ihr“ Kraftwerk verursacht sind. Hier hat der Bürger dann einfach nur falsch gebaut oder der Betreiber flüchtet sich in die Haftungsobergrenze der GmbH, schreibt die BI.

Es bleibt außerdem spannend, wie eine solche Regelung in juristisch trockene Tücher gepackt werden kann und vor allen Dingen, was die Aktionäre dazu sagen, wenn das Unternehmen auf freiwilliger Basis – zum Nachteil von Dividenden – hier tatsächlich in die Bresche springen möchte, heißt es in der Mitteilung weiter. „Wir hören seit nunmehr zehn Jahren, dass Seismizität beherrschbar sei und bei den bisherigen Projekten jeweils eine andere Technik angewandt wird oder andere Untergrundverhältnisse vorliegen. Nach Angaben des Unternehmens sind die Wassermengen die wesentlichen Steuerungsmittel zur Reduzierung der Seismizität. Immerhin bestätigt diese Aussage, dass Seismizität sehr wohl zu erwarten ist! Im Raum Straßburg gab es zuletzt am 26. Mai 2021 ein Beben der Stärke 2,7, obwohl dort die Bohrarbeiten bereits vor einigen Monaten eingestellt wurden“, schreibt der BI-Vorstand.

Neue Technik – aber welche?

Da MVV und EnBW im Rhein-Neckar-Raum zwei bis drei Kraftwerke planen und auch besonderen Wert auf eine breite kontinuierliche Information und Bürgerbeteiligung legen, wäre es nun dringend angebracht, den Bürgern mitzuteilen, was sie hier tatsächlich erwartet, fordern die Unterzeichner ein und fragen: Mit welcher Fördermenge pro Sekunde planen MVV und EnBW die hier geplanten Geothermie-Kraftwerke und wieviel thermische Leistung soll daraus resultieren? Welche Chemikalien und in welcher Menge werden diese in die Gesteinsschichten eingebracht? Welche Menge dieser eingebrachten Chemikalien verbleibt im Boden? Welche Gefahren gehen davon aus, zum Beispiel bei Leckagen? Mit welchen Emissionen ist zu rechnen? Wie werden etwa Schlämme und Schlacken entsorgt? Wie ist sichergestellt, dass die Verrohrung den Bodenbewegungen standhält und wer überprüft das in welchen Abständen?

Unbeantwortet, so die BI, ist auch die Frage, welche neue Technik überhaupt angewandt werden soll und wo es im Oberrheingraben ein Vergleichsobjekt gibt, das bereits mit dieser Technik zuverlässig und ohne Seismizität rund um die Uhr die Leistung erbringt, die notwendig ist, um die fehlenden 60 Prozent des Fernwärmenetzes für 165 000 Haushalte mit Wärme zu versorgen?

Immer wieder wird das Forschungsprojekt Bruchsal als positives Beispiel genannt. Dieses Kraftwerk läuft mit gerade einmal 0,55 Megawatt (MW; elektrischer Leistung) beziehungsweise 5,5 MW (thermischer Leistung) und versorgt das nahe gelegene Areal des Polizeipräsidiums mit Wärme bei einer Förderrate von 24 Liter pro Sekunde. Nachdem mehrfach zu lesen war, dass bei den hier geplanten Projekten in andere Gesteinsschichten gebohrt wird, können sich die Betreiber im Schadensfall nicht mehr herausreden. Damit dürfte dann endgültig bewiesen sein, dass Tiefengeothermie in dicht besiedelten Gebieten neben Schulen, Sportparks und Kläranlagen unverantwortlich ist.

„Beschönigend sprechen MVV und EnBW auch von Thermalwasser anstatt von Tiefenwasser, welches nämlich mit verschiedenen Schwermetallen und radioaktiven Elementen wie Radon durchsetzt ist. Dampfaustritte sind auch ohne Revisionsarbeiten keine Seltenheit. In Landau gab es gemessen erhöhte Radonwerte entlang der Verwerfungslinien“, listet die BI auf und hinterfragt abschließend: Warum berichtet der Schwarzwälder Bote im Dezember 2020, dass um Menschen besser vor dem krebserregendem Gas Radon zu schützen, das Umweltministerium 29 Gemeinden im mittleren und südlichen Schwarzwald zu Vorsorgegebieten erklären will? Oder warum wirbt die Radon-Beratungsstelle des Landesamt für Umwelt Baden-Württemberg in der Brühler Rundschau vom 21. Mai 2021 für Infoveranstaltungen mit dem Thema „Radon zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs“, wenn die Gefahr von Radon bei der Geothermie durch die „Experten“ totgeschwiegen wird und man einfach tut, als gäbe es sie nicht? zg

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