Sommerinterview-Reihe

Grüne Liste Brühl sieht Priorität in bezahlbarem Wohnraum

Kinderbetreuung, Haushaltsplanung, Klimaveränderung und die Geothermie in der Gemeinde – wie steht es aktuell um Brühl? Die Mitglieder der Grünen Liste äußern sich nun im Sommerinterview zu diesen Themen.  

Von 
Ralf Strauch
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Beim Spatenstich beim „Neubau Sozialer Wohnungsbau“ in der Albert-Einstein-Straße sind im Mai auch die GLB-Ratsmitglieder Ulrike Grüning (3.v.l.) und Peter Frank (7. v. l.) dabei. © Lenhardt

Brühl. Wie steht Brühl aktuell da?

Grüne Liste Brühl (GBL): Wir vergeben die Note zwei – Brühl ist eine sehr attraktive Wohngemeinde in der Metropolregion Rhein-Neckar. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Brühl ist leider noch schwach, unzuverlässig und unattraktiv, weil besonders in den Abendstunden nur wenige Busse fahren und die Fahrzeiten von Mannheim übermäßig lang sind. Von Heidelberg ist es noch weitaus länger. Positiv hervorzuheben ist die kostenlose Busbenutzung innerhalb von Brühl. Wir begrüßen die derzeitige Prüfung einer Straßenbahnanbindung an Rheinau sehr. Einkauf und Versorgung mit den täglichen Bedürfnissen ist in Brühl mit zentral und fußläufig gelegenen Geschäften gut möglich. Dies gilt es zu erhalten. Das kulturelle Angebot in Brühl ist mit den Veranstaltungen in der Festhalle und in der Villa Meixner sehr gut aufgestellt. Wir möchten dies weiter ausbauen und etablieren.

In Brühl gibt es zwei gut ausgestattete Grundschulen und eine moderne Realschule. Leider ist kein gymnasialer Schulabschluss im Angebot. Die Kinderbetreuung hingegen ist sehr gut ausgebaut, vielfältig – inklusive Waldkindergarten – und modern ausgestattet. Nicht zuletzt ist die Aufenthaltsqualität in Brühl mit der Nähe zum Rhein, dem Naturschutzgebiet und der Kollerinsel besonders hoch. Im Ort müssen freie Flächen zügig mit trockenheitsresistenten Bäumen bepflanzt und versiegelte Flächen wieder begrünt werden, um zukünftige heiße Sommer besser erträglich zu gestalten.

Was sind aus Sicht Ihrer Fraktion die dringlichsten Aufgaben der nächsten zwölf Monate?

GLB: Haushaltsdisziplin – für nachhaltiges, zukunftsorientiertes Wirtschaften sorgen. Nicht über die Verhältnisse leben und Geld für „Konsum“ ausgeben. Sinnvoll in die Zukunft, die wirtschaftliche Entwicklung und vor allem in den Klimaschutz investieren. Beim Klima- und Artenschutz möchten wir den Schutz unserer Umwelt allen Entscheidungen voranstellen und die Energiewende gestalten. Dazu möchten wir die Bürger bei der privaten Energiewende nach Kräften unterstützen durch Beratung und finanzielle Anreize.

Wir fordern die baldige Aufstellung der kommunalen Wärmeplanung. Bürgerliches Engagement – in Brühl existieren drei aktive Arbeitsgemeinschaften zu Klima- und Verkehrsthemen. Diese wollen wir unterstützen, verstärken und anerkennen. Wie wäre es mit einem Preis für besonderes Engagement? Beim Sozialen Wohnungsbau unterstützen wir weitere Initiativen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum seitens der Gemeinde. Der Bau sollte energie- und ressourcensparend erfolgen, damit Folgekosten für Betrieb und Instandhaltung gering ausfallen.

Demokratie: Wir möchten den sozialen Frieden und den gemeindlichen Zusammenhalt stärken und fördern. Dazu zählt auch der Jugendgemeinderat, den wir durch eine hauptamtliche Stelle unterstützen möchten. Die Stärkung der demokratischen Struktur des Gemeinderates und die Positionierung gegen rechte und antidemokratische Tendenzen möchten wir aktiv betreiben.

Was kann auf der Einnahmenseite gemacht werden, um die Finanzsituation der Gemeinde dauerhaft zu sichern?

GLB: Die größten Einnahmequellen der Gemeinde neben den Zuweisungen vom Land sind die Gewerbe- und Grundsteuer. Es gilt, die ansässigen Gewerbebetriebe zu unterstützen und zu fördern. Besonders der Dienstleistungssektor bietet Potenzial. Steuern zu erhöhen, ist in der derzeitigen Situation keine Option.

Wo sollte die Gemeinde in naher Zukunft Geld einsparen? Welche Freiwilligkeitsleistungen sollten auf den Prüfstand?

GLB: Die Gemeinde gibt kein Geld für Unnötiges aus. Das vorhandene Geld muss zukünftig vor allem für nachhaltige Projekte, den Klimaschutz und die Entwicklung der Gemeinde in diesen schwierigen Zeiten investiert werden. Alle Ausgaben müssen sich an diesen Kriterien messen lassen. Auch die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und somit auch Kosteneinsparung, jedoch bedarf es zuerst der Investitionen in Prozesse, Hardware und Personal.

Vereinsarbeit ist nach wie vor auch finanziell zu unterstützen – das ist auch für uns selbstverständlich. Wir sprechen hier nicht von weiterer Unterstützung wie den Sportpark- Süd, sondern für Entwicklungsprojekte der Vereine und die Jugendarbeit, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Auch Kultur und Bildung sind für uns wertvolle Aspekte, die es zu erhalten und fördern gilt.

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Wie bewerten Sie die Entscheidungen zur „Grünen Mitte“?

GLB: Der vormalige Sportplatz sorgte für frische Luft, eine nächtliche Abkühlung und den notwendigen urbanen Freiraum. Dies fällt mit der Bebauung größtenteils weg. Grundsätzlich ist es richtig, dass dringend benötigter Wohnraum im Innenbereich geschaffen wird – zudem auch seniorengerechtes Wohnen, ohne dass weitere Flächen im Außenbereich bebaut werden. Wichtig ist, dass neben dem Sportpark-Süd nicht noch weitere (Acker-)Flächen versiegelt werden. Nachhaltiger – und vor allem mit mehr „grün in der Mitte“ – könnte man aber sicherlich bauen. Die Entscheidungen sind gefallen, der runde Tisch brachte deutliche Verbesserungen, wenngleich längst nicht alle Verbesserungsvorschläge umgesetzt wurden. Wir werden die Fertigstellung also kritisch begleiten.

Wie soll die Gemeinde auf die Klimaveränderungen reagieren?

GLB: Die Klimaerwärmung fordert uns alle heraus. Wir möchten, dass dieser mit der Pflanzung von Bäumen und Begrünung im Allgemeinen begegnet wird. Die Renaturierung von Vorgärten und die Entsiegelung von Parkplätzen führt zu einer Temperaturreduktion im Sommer und einer Verbesserung des Wohnklimas ganzjährig. Insbesondere die Aufnahme von Wasser im Sinne einer „Schwammstadt“ bei Starkregenereignissen durch solche Flächen ist positiv hervorzuheben.

Die Hochwasserrisiken, die durch die Nähe zum Rhein resultieren, müssen klar kommuniziert und schützende Maßnahmen ergriffen werden. Die Bevölkerung muss zum Selbstschutz animiert und dabei unterstützt werden. Nicht zuletzt ist uns die Renaturierung des Leimbachs ein wichtiges Anliegen, das in naher Zukunft anzugehen ist. Als kurzfristige Maßnahmen sehen wir die Einrichtung von kommunalen „Kältestuben“, um gefährdeten Menschen das Überstehen der Hitzeperioden zu erleichtern sowie die Installation öffentlicher Wasserspender. Wichtig ist uns, die CO2-Neutralität der Gemeinde voranbringen. Dazu möchten wir die energetische Gebäudesanierung unterstützen, den Ausbau der privaten Photovoltaik fördern und mit Hilfe eines besseren ÖPNV die Emissionen des privaten Verkehrs reduzieren. Der Fahrrad- und Fußverkehr, Carsharing, der Verleih von Lastenfahrrädern und die Förderung des Fußverkehrs zum Beispiel beim Schulbesuch sind kleine Schritte in die richtige Richtung.

Wie sehen Sie die Situation des Einzelhandels in Brühl? Wo kann die Kommune bei Wirtschaftsthemen unterstützend eingreifen?

GLB: Der Einzelhandel steht in allen Städten und Gemeinden unter Druck. Die steigenden Mieten, der Fachkräftemangel und der Trend zum Internethandel sind überall ausschlaggebende Faktoren. Der Dienstleistungssektor in Brühl hat Entwicklungspotenzial, das wir unterstützen möchten. Eine weitere Ansiedlung von Wirtschaftsbetrieben ist aufgrund der beschränkten Flächen nur bedingt möglich.

Wie bewerten Sie die Situation der Kinderbetreuung in Brühl?

GLB: Die Situation der Kinderbetreuung in Brühl ist grundsätzlich gut. Wir tun alles dafür – Investitionen in Betreuungseinrichtungen und Mitarbeitende – damit möglichst jeder Kinderbetreuungswunsch erfüllt werden kann. Außerdem ist der Kontakt der Kinder untereinander ein wichtiger Aspekt für die Förderung des sozialen Zusammenhalts und des Spracherwerbs. Die Bezahlbarkeit der Betreuung muss gewährleistet bleiben und der Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten vorangetrieben werden. Aus unserer Sicht erstrebenswert ist eine kostenlose Kinderbetreuung, um diese allen Familien zugänglich zu machen.

Geothermie ist angesichts der Wärmewende wieder ein bundesweit wichtiges Thema – auch für Brühl?

GLB: Ja, selbstverständlich ist Geothermie als erneuerbare Energie für uns auch in Brühl ein wichtiges Thema. Soweit die schadensfreie Gewinnung für die Bevölkerung gewährleistet ist, sollten wir von den heißen Gewässern in der Tiefe ebenfalls Nutzen beziehen, anstelle fossile Brennstoffe zu verbrennen. In der direkten Nähe zu Ansiedlungen wie hier in Brühl ist Geothermie jedoch besonders kritisch zu prüfen.

Wie beurteilen Sie die angedachte Unterbringung der Flüchtlinge in Wohncontainern?

GLB: Die Unterbringung Geflüchteter ist eine unserer gemeindlichen und gesellschaftlichen Pflichtaufgaben. Leider ist unser erfolgreiches Konzept der dezentralen Unterbringung erschöpft und somit muss Wohnraum in Wohncontainern geschaffen werden. Sobald diese bezogen sind, muss unser Sozialamt besondere Anstrengungen zur Integration leisten. Wir sind auch hier bereit, in zusätzliches Personal zu investieren.

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