Görler-Museum

Im Brühler Görler-Museum wird zweifaches Jubiläum gefeiert

Mit einer Sonderausstellung zeigt das Brühler Görler Museum Exponate aus 100 Jahren seit der Erfindung des mordernen Radios und 100 Jahren seit der Gründung des Unternehmens.

Von 
Marcus Oehler
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Das von Pan Am publizierte Magazin „Clipper Cargo Horizons“ berichtet im Oktober 1962 – kurz vor dem Umzug des Unternehmens Görler von Mannheim nach Brühl – über die Produktion von FM-Tunern, die danach per Luftfracht in die USA geflogen werden: „Die Produktion von FM Stereo Tunern erfolgt in der Fabrik in Mannheim, Deutschland“ steht unter dem Bild. © Görler-Museum/Magazin

Brühl. Vor genau 100 Jahren machte das Radio als Medium einen Riesenschritt nach vorne. Im Oktober 1923 gelang es Technikern damals zum ersten Mal, nicht nur gesprochene Worte, sondern auch Musik zu senden. Dazu wurde eine Melodie von einem Grammophon per Telefonsprechmuschel in die Welt gesendet – schätzungsweise 150 Menschen hörten diese erste Radiosendung aus dem Berliner Vox-Haus.

Brühler Unternehmen Görler wurde schnell zum Marktführer in der Radioindustrie

Fast zeitgleich entwickelte sich das Werk der später in Brühl ansässigen Firma Görler mit Produkten für die Radioindustrie und vor allem für den Selbstbau von Rundfunkempfängern. Sowohl für den technisch versierten Bastler, wie auch für den anspruchsvollen Ingenieur, denn kaum ein Mensch konnte sich damals ein komplettes Gerät leisten, sondern baute es sich selbst aus Einzelteilen zusammen. Görler wurden zum Marktführer.

Dieses Jahr feiert das 2018 eröffnete Görler-Museum in der Brühler Neugasse 44, den ehemaligen Heimatstuben, gleichermaßen den runden Geburtstag des Mediums an sich als auch des ehemaligen Unternehmens und seiner Bedeutung für die Geschichte des Radios (wir berichteten) mit einer großen Sonderausstellung.

Die Unternehmensentwicklung war beeindruckend: Schon 1924 zog Julius Karl Görler in ein großes Gebäude am Tegeler Weg in Berlin Charlottenburg um und entwickelte sich von diesem Zeitpunkt an zum sehr bedeutenden Hersteller von Radiobauteilen. Ende der 1920er Jahre setzte Görler unter der Bezeichnung „Ferrocart“ ein neuartiges Material in seinen Baugruppen für die Radioindustrie ein – nach dem Patent von Hans Vogt, gemahlenes Eisen und Karton (Papier) miteinander zu verkleben, um die Hochfrequenzen besser übertragen zu können. Dies stellte einen Quantensprung in der Radiotechnologie dar.

FM-Tuner von Brühler Unternehmen findet große Beliebtheit auf dem US-Markt

Weitere Standorte des Unternehmens waren Berlin Reinickendorf und Meuselwitz in Thüringen und von 1951 bis 1962 auch in Mannheim, danach in Brühl. Ende der 1950er Jahre stieg der Absatz von FM-Tunern sehr stark an, vor allem für den US-amerikanischen Markt. Ungefähr 70 Prozent der Menschen dort verwendeten die Tuner aus der Görler-Fertigung, weitere Absatzgebiete der Firma waren zudem auch Kanada, Südafrika und das benachbarte Frankreich.

Für das Jahr 1961 rechnete die Unternehmensführung Görlers für Tuner für den UKW-Empfang mit Fertigungsstückzahlen von mehr als einer Million Exemplaren, die Beschäftigtenzahl in Mannheim und Berlin zusammen stieg bereits zum 1. Juli 1960 auf mehr als 700 Mitarbeiter an. Davon waren 519 als Facharbeiter, 78 als Hilfskräfte, 109 als Angestellte und 14 als Lehrlinge aufgelistet. Geschäftsführer war damals Dr. Gerhard Schweitzer, der auch die Werke in Meuselwitz und Brühl aufbaute.

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Die Firma Görler versorgt den US-amerikanischen Markt mit FM-Tunern über Lufttransporte. Die Kapazitätsgrenze in Mannheim war deutlich erreicht, für das Brühler Werk wurden bereits die Weichen gestellt. Auch in Altlußheim entstand Anfang der 1960er Jahre eine Zweigstelle mit 60 Mitarbeitern in der Hauptstraße 113.

Noch 1962 berichtete eine Fachzeitschrift über den Lufttransport der Görler-Radiobauteile in die USA mit der Überschrift „FM Tuner Maker Relies on Air Cargo – FM-Tuner-Hersteller setzt auf Luftfracht“ über den Transport von über 4,5 Tonnen Material – pro Woche!

Führendes Unternehmen für Radiobauteile findet überraschendes Ende

Das 50-Jahre-Betriebsjubiläum am 29. November 1974 wurde zu einem großen Fest. Es gab dazu eine umfangreiche Festschrift, handgemacht von den Mitarbeitern. Einzigartige Illustrationen, Verordnungen zum Betriebsfest, Festtagsgrüße, Gedicht an den Betriebsrat und Bericht zum ersten Fußballspiel der Görler-Mannschaft. Nur wenige Monate später wurde überraschend das Ende des einst führenden Unternehmens für Radiobauteile verkündet. Die Pforten am letzten Hauptsitz in Brühl wurden geschlossen. Weder Insolvenz noch Konkurs waren der Grund, es kam zur stillschweigenden Schließung.

2018 eröffnete das Museum zur Firmengeschichte, in dem die Standorte, die Technik, die Produkte sowie einige Fertigungseinrichtungen und die Geschichten von und über die Mitarbeiter dargestellt werden. Das Museum ist das nächste Mal am Sonntag, 10. September, von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Führungen finden um 14 und um 16 Uhr statt. Dazu ist eine Voranmeldung – unter Telefon 0176/34 21 56 10 oder auch per E-Mail an dasgoerlermuseum@gmx.de – erforderlich, um die Gruppengröße koordinieren zu können. Der Eintritt ist kostenlos. 

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